Das letztendliche Retreat…

Von Rangdroldorje

Idealerweise ist das letztendliche Retreat der Rückzug von Vergangenheit und Zukunft, es ist das Verweilen in der Gegenwart. Unser Geist ist die ganze Zeit über von den Gewohnheiten so eingenommen und kontrolliert. Ein Merkmal von Gewohnheit ist, nicht fähig zu sein, still zu sitzen, nicht fähig zu sein, in der Gegenwart zu verweilen. Dies geschieht, weil das Erleben der Gegenwart so erschreckend ist, so langweilig und unerträglich für unseren getäuschten und verunreinigten Geist. Ein wenig wissen wir, dass gegenwärtig sein so aufregend ist und die größte Befreiung aus allen Arten von Schmerz, Leiden und Angst ist. Wir fühlenden Wesen wünschen, von all diesen Dingen frei zu sein, aber immer enden wir im eifrigen Erschaffen von mehr und mehr Ursachen und Bedingungen, um diesen Schmerz, dieses Leiden und diese Angst zu haben.


Gegenwärtig sein ist im Buddhismus so wichtig. Es ist die Kernstrategie des Buddhismus, alles was man macht, im Geist gegenwärtig zu haben, den Geist nicht weggehen zu lassen. Jede einzelne Methode, die im Buddhismus besteht, zielt auf dieses Ergebnis ab. Es kann eine einfache Sitzmeditation sein bis hin zu den tantrischen Methoden der Visualisation, des Rituals und Mantras. Selbst ausführliche Übungen einschließlich bestimmter tantrischer Tänze, die gemeinhin als „Lama-Tänze“ bekannt sind, gehören dazu.
Mit den vielfältigen Methoden zieht man sich grundlegend von den weltlichen Aktivitäten zurück und soweit wie möglich hoffentlich auch von den weltlichen Gedanken. Traditionell versuchen wir in Tibet uns für etwa eine Woche oder drei Wochen, drei Monate, sechs Monate, drei Jahre oder neun Jahre zurückzuziehen. Sogar heutzutage gibt es noch viele Leute in Tibet, die sich wirklich für ein Leben lang zurückziehen. Dennoch muss ein Retreat nicht unbedingt drei Monate oder drei Jahre dauern. Was wir benötigen, ist die Disziplin für ein tägliches Retreat. Solch eine Disziplin ist ein Rückzug von unseren weltlichen Aktivitäten und das einfache Sitzen für uns selbst auf einem Meditationskissen.


Die Idee darin ist, dass man vermeidet, sich mit den Dingen wie gewöhnlich zu beschäftigen, wie eben dem Tratschen, Plaudern, dem Abgrasen des Internets oder Zeitung lesen. Wir haben so viele buddhistische Methoden, die uns dabei helfen, dies zu tun, von einfachen Nichtstun, das das eigentlich schwierige ist bis zu zwei oder drei Stunden für Rituale und Übungen. Es gibt keinen Grund, warum wir dies nicht auch als ein Retreat sehen können.

Von Dzongsar Khyentse Rinpoche (english version by Teong Hin Ooi)