Das Leben macht was es will. Wozu Vorsätze?

Von Sosue

Foto: Maren Stein - Nächstes Jahr kann alles passieren. Vielleicht werde ich Hipster.

Knuth hält nichts von guten Vorsätzen zum Jahreswechsel. Er wartet lieber auf den richtigen Moment, um etwas in seinem Leben zu ändern.

Dreimal. Ich zählte noch einmal genau nach. Dreimal fing meine Frau den Brautstrauß.Nie hatte ich ihr einen Antrag gemacht. Wir waren seit der Schule zusammen. Jedes Jahr nahm ich es mir vor, sie zu heiraten und nichts geschah. Das muss sich sofort ändern, dachte ich. Zwischen Kilometer 39 und 42 beschloss ich, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Als ich im Ziel vom München Marathon war, fiel ich vor ihr auf die Knie und fragte sie, ob sie meine Frau werden will. Sie sagte ja. Ein Jahr später feierten wir Hochzeit.

Es war damals nicht das „Runner's High“. Es war einfach der richtige Zeitpunkt. Es stimmte alles. Wenn ich dieses Gefühl habe, nur dann erst, ändere ich etwas in meinem Leben oder fange etwas Neues an. Das kann mir mitten in einem Meeting oder im Schlaf passieren, aber Vorsätze für das neue Jahr habe ich selten. Wenn ich jetzt kurz vor der Jahreswende in den Zeitschriften oder Blogs lese, wie man seine Vorsätze auch in die Tat umsetzt, muss ich immer an die „Vorsatzläufer“ denken, die in ihren neuen Laufklamotten plötzlich am Anfang des Jahres überall auftauchen, um dann wieder langsam zu verschwinden. Der Januar in Deutschland ist ein harter Monat, wenn man mit dem Laufen anfängt. Kälte, Wind und Nässe vertreiben schnell die guten Vorsätze. Natürlich geht es bei den Vorsätzen um Selbstoptimierung. Wir wollen fitter, flexibler und smarter sein. Die Experten haben jede Menge Tipps parat, wie Menschen trotz aller Widrigkeiten ihre Ziele im neuen Jahr erreichen können: Nicht zu viel vornehmen oder sich nicht unter Druck setzen. Das Menschen sich jedes Jahr einreden, dass sie im nächsten Jahr ein besserer oder gar ein anderer Mensch sein wollen, kann ich nachvollziehen. Das Projekt Ich ist eben eine ewige Baustelle. In meinem Fall ist es sogar eine Ruine.

"Ist es nicht egal, wann du mit Yoga anfängst?"

Die meisten Morgen-wird-alles-anders-Konzepte platzen, weil wir Menschen einfach zu faul sind. Der Vorsatz besteht aus zwei Teilen: dem Wissen und dem Wollen. Im Grunde versagen wir immer am Wollen. Es müsste schlechtes "Gewollen" heißen und nicht schlechtes Gewissen. Natürlich kann man sich einen Plan zurechtlegen, um seine Vorsätze zu verwirklichen, aber alle guten Strategen wissen, dass jeder Plan, wenn er im Kontakt mit der Wirklichkeit kommt, scheitert. Immer kommt das Leben dazwischen. Mal ist es die Familie, der Job oder einfach nur eine Nougat-Praline.Ich bin ein spontaner Mensch. Wie ich bereits erläutert habe, ist bei mir der richtige Moment wichtig. Viele Dinge schiebe ich auch auf die lange Bank oder beginne sie immer wieder von vorne. Das Laufen zum Beispiel. Ich wollte immer einen Marathon laufen, es hatte Jahre gedauert, bis es am Ende klappte. Immer wieder bin ich gescheitert. Aus einer Laune heraus, fing ich völlig ohne Plan mit dem Laufen an. Ich bin dabeigeblieben und viele Schweinehunde-Trophäen zieren seitdem mein Ego.

Vielleicht müssen die Menschen auch nur lernen für sich den richtigen Moment zu erkennen, um etwas zu ändern. Ist es nicht egal, wann du mit Yoga anfängst, deine Bibliothek aufbaust oder Weingummis aus deinem Speiseplan streichst?

Keine Vorsätze für das nächste Jahr zu haben, ist meiner Meinung nach der beste Vorsatz. Warum solle ich ein To-do-Listen-Leben führen? Mir reicht es aus, sich einfach auf den Weg zu machen, ohne über das Ziel nachzudenken. Das geht jeden Tag. Hauptsache es läuft – irgendwie.