Eine Produktion von bureau
In galoppierendem Tempo durch das Zeitalter des Individualismus
Auch wenn es so scheint, das Leben ist kein Ponyhof. In „PONYS. EINE AUFLADUNG“ tritt Anna Gschwinder naivem Illusionismus gnadenlos entgegen.
Als Allegorie präsentiert sie den modernen Mensch in seiner gesellschaftlichen Eingebundenheit – Die Rede vom Leben als Ponyhof wird auf der Bühne des Theaters unterm Dach von der Gruppe bureau in Szene gesetzt und metaphorisch ausgeschlachtet. Das Individuum ist zwar Pony auf einem Hof, das Unternehmen befindet sich jedoch in einer Krise. Es droht die Pfändung.
Eine kunterbunte Manege unter funkelnden Lichterketten weckt falsche Erwartungen. Allem Anschein entgegen erinnert das Schauspiel im entferntesten an zauberhaftes Zirkustreiben. Trotz funkelndem Kostüm sind Flutter, Butter und Fly keineswegs Zirkusponys, sondern Arbeitstiere im Dauerlauf. Kräftezehrend ist die Stallarbeit. Doch droht das Hofunternehmen zu scheitern, verlieren sich die Ponys in Haltlosigkeit und Identitätssuche. Um fortbestehen zu können ist Selbstverwirklichung des eigenen Equus kein Wunsch, sondern ein Muss. „Reiterpony und Ponyreiter muss ich gleichermaßen sein!“, lautet der Anspruch an das eigene Pony- Selbst. Beharrlich streben die Ponys nach Selbstoptimierung, drängen nach Glück, Erfolg und Perfektion. Erlangt man diese beim Yogilates oder bedarf es hierzu Biobrot mit und einer Prise Feenstaub? Gleichwie auf der Rennbahn, sausen allgemeingültige Motivationsfloskeln und Lebensweisheiten in galoppierendem Tempo an den Zuschauern vorbei. Flutter, Butter und Flys kunterbunte, glitzernde, idyllische Lebenswelt erscheint zunehmend als dunkle, zerrissene, entzauberte Wirklichkeit – Desillusioniert verfolgt der Zuschauer das Bühnengeschehen, sieht sich dieser zunehmend einem Abbild der eigenen Realität gegenüber. Die Suche der Ponys nach individueller Realität mündet in einer niederschmetternden Erkenntnis, die sich dem Zuschauenden gleichermaßen aufdrängt :
Selbstentfremdung und Fremdbestimmung sind Folgen eines freien Lebens fernab des Ponyhofes.
Keinerlei Möglichkeit zum Eskapismus bietet diese Bühnenwelt, die eine bonbonbunte Zeichentrickillusion heraufbeschwört und in einem Zuge zerstört. Mag die Szenerie plastisch erscheinen, das Schauspiel grotesk und der Seifenoper entlehnt, erinnern live gespielte Jingles an Friede-Freude-Eierkuchen- Zeichentrickserien für Kinder, liefert das Bühnenstück doch ein klares Abbild des modernen Menschen in seiner gesellschaftlichen Eingebundenheit. Als zuckersüßes Bonbon verpackt wird die Realität auf die Bühne gebracht und entfaltet im Zuschauermunde allmählich ihren bitteren Geschmack.
Der gesellschaftliche Individualismus unserer Zeit wird den Hofponys zum Verhängnis. Dem Zuschauer stellt sich folgende Frage: Wie lange hält der Mensch das Leben als Galoppveranstaltung noch aus?