Das Komplizierte einfach erklären

Die Regisseurin Cornelia Rainer erzählte im Vorfeld zur Premiere von „Pünktchen und Anton“, das sie für das Burgtheater inszeniert, warum Frankreich für sie besonders wichtig war. Aber auch über den Unterschied zwischen Jugendtheater und Inszenierungen für Erwachsene. Und warum Kontinuität am Theater für sie besonders wichtig ist.

Sie singt, spielt Bandoneon, hat eine eigene Theatergruppe, schreibt und führt Regie. Und das im Burgtheater in dieser Saison gleich zwei Mal. Cornelia Rainer ist eine Mehrfachbegabung, keine schlechte Voraussetzung, um Theater zu machen.

Mit „Pünktchen und Anton“, das am 7. November Premiere hat, präsentiert die junge Regisseurin eine eigene Bühnenfassung. Erich Kästners Geschichte von zwei Kindern aus unterschiedlichen sozialen Milieus feiert derzeit eine Reminiszenz. Auf die Frage, warum dies denn so sei, antwortet Rainer kurz und bündig: „Solche Phänomene sind zum einen ganz banal zu erklären. Ein Theater fängt damit an und andere folgen dann. Aber es hat sicher auch damit zu tun, dass Erich Kästner mit seiner sozialen Komponente sehr aktuell ist. Es gibt einen sehr schönen Satz, der auch im Stück bei uns vorkommt. Robert, der Einbrecher, sagt: „Wir leben provisorisch, die Krise nimmt kein Ende.“ Und Erich Kästner antwortet darauf: „Das Zeitlose kann nicht zeitgemäßer gesagt werden.“ Für die Fassung, die im Kasino am Schwarzenbergplatz zu sehen sein wird, hat Rainer die Originalfassung ausschließlich mit Kästner-Texten stark bearbeitet. „Im Original gibt es den Zeigefinger und die Nachdenkereien. Diese Stellen habe ich ersetzt durch die Figur von Erich Kästner selbst, der aktiv dabei eingreift. Es ist eine Art Spiel-im-Spiel-Situation dabei herausgekommen. Erich Kästner hat dabei auch die Möglichkeit, das Stück zu kommentieren und weiterzutreiben.“

Die Rollen Pünktchen, Anton und Klepperbein sind mit sieben Kindern mehrfach besetzt. Zusätzlich gibt es noch ein 13köpfiges Kinderorchester, das Musik macht. Sie spielen dafür verschiedene Instrumente, der Kleinste zum Beispiel eine große Tuba. Rainer sucht dabei die Ursprünglichkeit in der, wie sie sich ausdrückt, „scheinbar komplizierten Kunstform“. Dabei möchte sie „das Kunstige auch verlassen, indem man Geräusche nicht einspielt, sondern selbst erzeugt. Dabei konzentriert man sich sehr auf die Schauspieler auf der Bühne.“

Cornelia Rainer hat in Paris Regie und Dramaturgie aber auch Sologesang studiert. „Hat dies Auswirkungen auf Ihre Arbeit gehabt?“, will ich wissen.

„Vieles was ich vom Theater weiß und auch meine Leidenschaft dafür hat mit meiner Ausbildung in Paris zu tun. Ich habe in meiner Zeit in Frankreich neben meinem Studium beim Festival Avignon hospitiert und Regieateliers gemacht und dabei die Erfahrung gemacht, dass die Disziplinen untereinander dort viel offener sind. Theater ist in Frankreich ein fixer Bestandteil der Kultur. Alle gehen ins Theater. Das Aufstehen und auf-die-Straße-Gehen greift in Frankreich auch über auf die Kultur. Frankreich bedeutete für mich ein Stück Freiheit. Es bot mir Möglichkeiten, mich auszuprobieren, ohne Angst zu haben. Ich habe in der Zeit auch meine ersten, kleinen Regiearbeiten gemacht. Unter anderem hatte ich eine wichtige Begegnung, im „Bouffes-du-Nord“, dem Peter Brook-Theater. Da haben wir mit George Banu, der in Frankreich ein wichtiger Theatertheoretiker ist, an einem Workshop mit Peter Brook teilnehmen dürfen. Ich saß in seiner Nähe und habe beobachtet, wie er Notizen gemacht hat. Da habe ich gespürt, was Leidenschaft fürs Theater bedeutet. Da gab`s viel Kraft und auch den Raum für einen gewissen Traum. Diese Zeit war wesentlich für mich.“

Für ihr erstes Kinder- und Jugendprojekt sammelte sie die Ideen während ihres Studienaufenthaltes in Taipeh. Erst viele Jahre später realisierte sie im Dschungel Wien das Stück „I wanna be made“, das auch prompt vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst ausgezeichnet wurde. Mit dem „Märchen vom alten Mann“ und „Johanna“ gelangen ihr gleich noch zwei Prämierungen. „Bisher wurden alle meine Jugendstücke alle ausgezeichnet. Das ist sehr schön. Neben Arbeiten für junges Publikum arbeite ich auch an Stücken für Erwachsene. Für mich ist das kein Ausschluss, sondern eher eine Ergänzung. Der „Lenz“ zum Beispiel, den ich für die Salzburger Festspiele 2012 gemacht habe, entstand nach „Johanna“. Diese Wechsel möchte ich gerne beibehalten, sie inspirieren mich auch.“

„Gibt es einen Unterschied in der Herangehensweise beim Regieführen ob Sie ein Stück für Jugendliche oder für Erwachsene inszenieren?“

„Ich gehe immer vom jeweiligen Stoff aus und schaue, was es dazu braucht. Bei       „I wanna be made“, das sich mit der Ausbildung an der Peking-Oper im Vergleich zu unserem Ausbildungssystem beschäftigt und bei der „Johanna“, die auch am Abend angesetzt wurde, waren viele Erwachsene in den Vorstellungen. Ich denke auch im Kinder- und Jugendtheater die Erwachsenen mit. Das nicht zu tun, ist zu kurz gegriffen. Mich interessiert eine Theaterform, die berührt. Berührung hat zwar etwas mit der eigenen Sprache zu tun, aber nicht unbedingt mit dem Alter.“

Auf die Frage, was man mitbringen muss, um mit Kindern am Theater gut arbeiten zu können, antwortet Rainer: „Sehr viel Geduld. Ich schaue sehr gerne zu und beobachte gerne. Ausdauer zu haben ist ganz wichtig, denn es braucht Zeit, bis das, was ich vermittle, in den Körper hineingeht. Das ist grundsätzlich eine völlig andere Arbeitsweise als mit Schauspielern und doch muss ich sagen, dass ich mit Kindern von der Entwicklung des Stückes her so arbeite, wie ich das auch mit Erwachsenen mache. Mit Kindern kann man keine komplizierten Erklärungen abgeben oder komplizierte Inhalte bauen. Andererseits ist gerade die Direktheit etwas, das hier zum Zug kommt. Eine Direktheit, die uns Erwachsenen oft sehr abgeht.“

Dass sie in dieser Saison an gleich zwei Jugendstücken für die Burg arbeitet, ist eine Herausforderung für sie. „Das Schöne daran ist, dass es zwei völlig verschiedene Stoffe sind, die ganz etwas Anderes benötigen.“ Für „Pünktchen und Anton“ arbeitet Rainer mit sieben Kindern bzw. Jugendlichen, für ihren „Hamlet“ nur mit professionellen Schauspielerinnen und Schauspielern. Es ist schon so etwas wie Rainers Markenzeichen, dass sie alle Stücke, die sie auf die Bühne bringt, auch wenn es dafür fertige dramatische Vorlagen gibt, noch selbst bearbeitet. So auch „Hamlet“. „Es ist der Versuch, Hamlet so zu erzählen, dass es hoffentlich auch von Erwachsenen verstanden wird.“ Rainer lacht und fügt hinzu: „Wir gehen immer davon aus, dass wir alles verstehen. Es ist eine gute Möglichkeit, sich den Stoff auf frische Art und Weise anzuschauen und das Thema durch einfachere Übersetzungen zugänglich zu machen. Das Komplizierte einfach erklären, das ist die Herausforderung dabei.“

Das Schreiben und Dramatisieren eines Stoffes ist für Cornelia Rainer bereits Teil der Inszenierung. Die Bilder und Augenblicke, die sie in ihre Stücke einbaut, hat sie oft schon viel länger im Kopf. Für sie ist es dann ein magischer Moment, wenn sie diese mit der Hilfe der Schauspieler, ganz losgelöst vom ursprünglichen Ausgangserlebnis, auf der Bühne in ein Stück einbauen kann. Rainer hat einen klaren Ausgangspunkt, von dem aus sie die Regiearbeit beginnt, aber alle, die sie kennen, wissen auch, dass sie ein sehr spontaner Mensch ist und ad hoc im Arbeitsprozess justiert und adaptiert.

Die Frage, ob sie anstrebt, einmal fix an einem Haus zu arbeiten kann die junge Kreative noch nicht wirklich beantworten.

„Ich bin erst einmal offen für das, was noch auf mich zukommt. Vor allem aber braucht man Menschen, die einen unterstützen, die an einen glauben und einem Vertrauen entgegenbringen. Ich habe das Glück, dass mich Familie und Freunde schon lange begleiten und mich in diesem Sinne unterstützen.“ Für Rainer bedeutet es Glück und auch eine große Chance, wenn man kontinuierlich längere Zeit an einem größeren Haus arbeiten kann. Einfach „weil man aufbauen kann und nicht immer wieder von vorne anfängt.“ Aus diesem Grund hat sie auch ihre eigene Companie gegründet, das „Theater Montagnes Russes“, um mit Leuten zusammenzuarbeiten, die sie gut kennt. „Arbeitsbeziehungen sind ja in gewisser Weise so etwas wie Liebesbeziehungen, weil man sehr viel miteinander teilt und entwickelt.“ Dabei spielen Werte wie Loyalität auch eine große Rolle. Zwar meint Rainer, dass sie immer offen bleiben möchte . „Obwohl, ein Leben ohne Theater kann ich mir im Moment zumindest nicht vorstellen.“

Infos zu „Pünktchen und Anton“ auf der Seite des Burgtheaters.


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