Jedes Ding ist zusammengesetzt aus anderen Dingen. Der Schuhkarton zum Beispiel aus Boden, Wänden und Deckel oder der Baum aus Stamm, Ästen und Blätter. Aber auch: jedes Ding schließt sich mit anderen Dingen zusammen, zu einem grösseren Ding. Viele Schuhkartons zusammen ergeben zum Beispiel einen Schuhladen und viele Bäume bilden einen Wald.
Je nachdem, wie man es betrachtet, versuchen die Dinge dauernd grösser und komplexer zu werden. Oder aber: alle Dinge zerfallen wieder in ihre Bestandteile. Aus dem Schuhladen gibt es irgendwann wieder eine Baugrube und aus den Schuhkartons gibt es Altpapier. Der Wald wird zur Wüste oder der Baum zu Humus.
Wenn ich darüber nachdenke, dann habe ich den Eindruck, man brauche eigentlich nichts zu tun, man braucht nur zu beobachten und Begriffe zu finden: es ist offenbar im Wesen aller Dinge, dass sie sich zusammen schließen wollen, aber auch im Wesen der Dinge, dass sie wieder zwingend verfallen.
Wenn man sich selbst beobachtet, dann merkt man, wie der eigene Körper, die Gedanken, mein Handeln oder meine Worte ein Teil von einem wachsenden Grösseren werden: vielleicht wird daraus ein Buch, das man schreibt, oder man wird selber Gemeinderätin oder man benutzt alles um drei Kinder zu erziehen, bis sie groß sind.
Zugleich merkt man aber auch, dass man selber wieder schwächer wird und sich unmerklich auflöst. Man vergisst zum Beispiel frühere Ereignisse, den Namen eines Bekannten oder den Inhalt eines Spielfilms.
Und wenn man an die eigenen Urgroßeltern denkt: wie wenig weiß ich heute noch von ihrem Denken, Lieben, Leiden und dem alltäglichen Glück, dass sie erlebt haben. So wird es auch einmal mit mir sein.Ungewohnte Wege / 42cm x 30cm / Filzstift auf Papier / 2014, Nr. 14-052