Es war einmal ein Drittel. Das lebte in der Ecke eines großen Landes. Es wollte etwas Besonderes sein, doch kaum jemand nahm Notiz von ihm und so war das Drittel ganz traurig. Nur einmal im Jahr zog das Drittel mit Fahnen durch die Straßen um zu zeigen “uns gibt’s auch noch”und die Menschen winkten ihm vom Bürgersteig und aus den Häusern zu, weil es ihnen Leid tat.
Da fügte es sich, daß die Dinge überall auf der Welt ganz schlecht wurden. Diejenigen, welche den meisten Menschen Arbeit und Brot gaben, hatten sich verzockt. Sie hatten das meiste Geld, was sie über Jahre den Arbeitenden dadurch vorenthalten hatten, daß sie ihnen für ihre Arbeit stets zu wenig Brot gaben, das war wirklich viel, viel Geld, an den Börsen beim Glückspiel verjubelt…
Die Glückspieler kamen zur Regierung und forderten „rettet uns, gebt uns mehr Geld!“ Die Regierung, die selbst Geld von den Glückspielern erhalten hatte, beschloss, ihnen zu helfen. Dazu benötigten sie viel, viel Geld! So entzog sie den Menschen in jenem Teil des Landes, in dem das traurige Drittel lebte, viele Leistungen im Bildungs-, im Sozial- und Gesundheitsbereich. Das traurige Drittel bekam Zuspruch und Unterstützung von den Menschen und sie gingen gemeinsam auf die Straße um ihre Meinung kund zu tun, auf daß die Regierung sie sehen und hören konnte.
Der böse Unter-König, der in dieser Ecke des großen Landes herrschte, bekam große Angst als er im Fernsehen die vielen Menschen auf den Straßen seiner Hauptstadt sah und er sagte schnell „ich war’s nicht, der euch diese schwere Not zufügte, ich bin doch einer von Euch!“
Er ließ dies alle seine Medien, das heisst im Fernsehen, im Radio und in den Zeitungen, mit viel Geld, daß er den Menschen die in seiner Ecke des großen Landes lebten, geraubt hatte, verkünden und das traurige Drittel fragte sich verwundert „wenn er’s nicht war, ja wer denn dann“?
Das hörte der listige Unter-König und schnell zeigte er mit dem Finger auf die ferne Hauptstadt des großen Landes, wo der Ober-König lebte und rief laut und immer wieder „Madrid beraubt uns! Madrid beraubt uns!“
“Oh Gott, Madrid beraubt uns”, rief das traurige Drittel, das jetzt ein wütendes Drittel wurde und fragte den bösen Unter-König neugierig “wieviel hat uns Madrid denn geraubt?”
“Sechzehntausendmillionen” kam wie geschossen die Antwort, denn der böse Unter-König hatte sich spontan eine sehr, sehr große Zahl ausgedacht und die ward dann mit Hilfe seiner Medien damit zum Gesetz.
“Madrid beraubt uns um sechzehntausend Millionen!” skandierten das wütende Drittel und zog über Straßen und Plätze der Haupstadt der Ecke im Nordosten des großen Landes. “Pro Jahr” rief ihnen der böse Unterkönig hinterher. Er zog es nach wie vor vor, sich nicht mit dem Pöbel der Straße gemein zu machen und blieb selbst den Kundgebungen fern, deren Empörung er angefeuert und zugleich geschickt auf das ferne Madrid umgelenkt hatte.
Jetzt war der böse Unter-König Regent und Oppositionschef zugleich. Das war fein, denn er brauchte nun nichts mehr zu tun! Tat er etwas als Unter-König verärgerte er das wütende Drittel und tat er etwas als Freiheitskämpfer, verärgerte er seine alten Freunde aus der Wirtschaft, aus Industrie und Banken. Das Nichtstun konnte er so als ausgewogenes Regieren, ja als Weisheit verkaufen! Er brauchte aber ein neues, utopisches Ziel das die Menschen zugleich begeisterte und zur Geduld mahnte, denn große Ziele lassen sich bekanntlich nicht über Nacht realisieren. Erst wollte der böse Unter-König sein neues Ziel “Ithaka” nennen, doch das wäre zu auffällig gewesen und so nannte er es “Independencia”, die Unabhängigkeit! Das wütende Drittel freute sich wie die Kinder, jubelte und rief begeistert “In-, Inde-, Independencia!
Trotzdem erkannten seine alten Freunde aus der Wirtschaft und bald auch seine neuen Freunde vom wütenden Drittel, daß irgend etwas nicht stimmte und sie wollte wissen, wie es weitergehen sollte, wie sie ihre gemeinsamen(?) Ziele verwirklichen konnten. So musste der böse Unter-König ständig Neuwahlen ausrufen, angeblich um “seinem Drittel” zu einer Mehrheit zu verhelfen.
Doch mehr und mehr Menschen in beiden Lagern merkten, daß der böse Unter-König sie hinterging und ständig belog und sie wechselten in’s andere Lager oder resignierten und gingen enttäuscht nicht mehr zur Wahl. Selbst seine eigenen Gefolgsleute schrumpften im Parlament der Nordost-Ecke des großen Landes in drei aufeinanderfolgenden Wahlen von 62 über 50 auf 30 Sitze!
Auf dem bösen Unter-König schien ein übler Fluch zu haften, den ein übler, schwerreicher Zwerg über ihn verhängt hatte, als er dessen Sohn, der eigentlich Nachfolger des üblen Zwerges werden sollte, wegen einer Bagatelle ausbootete. Der Junge hatte Geld gefordert und erhalten, für Leistungen, die die Politik eigentlich unentgeltich zu erbringen hat, eine Art Familiensteuer sozusagen…
Dieser Fluch war so stark, daß bei der letzten Wahl am 27S (dreimalneun, alte Zauberformel!) von jeden 100 Bürgern, sagenhaft, einmalig viele, nämlich 78 zur Wahl gingen, doch seltsam, das wütende, ehemals traurige Drittel wurde nicht größer, sondern je nach Betrachtungswinkel sogar kleiner! Sie taten sich mit anderen Parteien und Organisationen zusammen und trommelten und lärmten in allen Medien,aber am Ende, als alle Stimmen ausgezählt waren, waren es ein gutes Drittel (36%!) der Wahlberechtigten und sogar nur ein mickriges Viertel (25%!) ALLER Bürger der Nordostecke des großen Landes. Nur jeder vierte Bürger hatte bei der Wahl gesagt, dass er einen tiefen Graben um die Nordostecke ziehen und ein eigenes Land aufmachen wollte