Das ist Weihnachten!

Kennen Sie das neue Weihnachtslied von Maybebop? Es ist nicht nur hörens-, sondern auch bedenkenswert:

Ein neues Weihnachtslied habe ich nicht, aber den Brief von Paulus an die Galater Kapitel 4, 4-7. Dort beschreibt Paulus den Geist von Weihnachten, und dies tatsächlich frei von überhöhtem Kitsch oder heiligem Ballast – er schildert einfach nur ein unfassbares Gefühl in schlichten Worten:

Doch als der festgesetzte Zeitpunkt da war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt.  Gott sandte ihn, um uns aus der Gefangenschaft des Gesetzes freizukaufen und als seine Kinder anzunehmen. Und weil ihr seine Kinder geworden seid, hat Gott euch den Geist seines Sohnes ins Herz gegeben, sodass ihr zu Gott nun »lieber Vater« sagen könnt. Jetzt seid ihr keine Knechte mehr, sondern Kinder Gottes. Und als seine Kinder gehört euch alles, was ihm gehört.

Lassen sie uns darüber ein wenig nachdenken.

Gott, der Vater, sendet seinen Sohn. Der Vater sagt zum Sohn: Es ist Zeit. Es ist soweit. Geh hin, geh den Weg aus der Höhe in die Tiefe, aus der Allmacht in die Ohnmacht, aus dem Lichtglanz in die Dunkelheit, aus der Gottheit in die Menschheit. Und der Sohn sagt: Ja, lieber Vater. Voller Vertrauen und Gehorsam. Und dann geht er.

So kommt ein Kind zur Welt. Und dieses Kind ruft eines Tages den Menschen zu: Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nah. Kehrt um und glaubt an diese gute Nachricht. Und seitdem tun wir das.

Gott sendet also seinen Sohn. Er legt sein Kind in die Arme einer abgerissenen, ärmlichen, boshaften Menschheit. Das ist das Weihnachtsgeschenk: Gott verschenkt seinen lieben Sohn.

Und wer ist dieser liebe Sohn Jesus? Eigentlich auch ganz einfach, sagt Paulus: Er wird von einer Frau geboren und unter das Gesetz gestellt.

Von einer Frau geboren, also wird Gottes Sohn wirklich ein Mensch. Er durchlebt und durchleidet, was Menschen durchleben und durchleiden. Er fühlt, was wir fühlen. Er kennt unsere Freude und unsere Angst. Er kennt Hunger und Durst, aber auch den Geschmack von Brot und Wein. Er kennt Schmerzen, er kann sterben – und er wird sterben und dabei grausame Schmerzen erleiden. Er weiß um die Freude an Fest und Freundschaft, er kennt das Schicksal eines Flüchtlings, er lebt das Leben eines einfachen Mannes. Kurz: ihm ist fast nichts Menschliches fremd – mit einer sehr wichtigen Ausnahme: fremd ist ihm unser Misstrauen gegen Gott, unsere Neigung, eigene Wege zu gehen und Gott zu unterstellen, er wäre gegen uns. Das ist ihm fremd und bleibt ihm fremd. Ansonsten ist er einer von uns. Von einer Frau geboren. Das sagt alles.

Und er ist unter das Gesetz gestellt. Damit ist nicht gemeint der gute Wille Gottes, uns zu sagen, wie wir richtig leben können.

Das Gesetz steht für ein Leben in der Knechtschaft des „Du musst“. Das Gesetz steht für die Anklage gegen unser Leben: „Du bist nicht, der du sein solltest“.

Das Gesetz ist der Spiegel, der uns vorgehalten wird und in dem wir erkennen: Ich sollte wohl, aber ich tue es nicht.

Das Gesetz klagt uns an: Dein Leben ist verwirkt, denn Du bist schuldig in allen Punkten der Anklage.

Unter dieses Gesetz beugt sich Jesus. Ihm ist Misstrauen gegen Gott fremd, er tritt in unsere verlorene Position ein. Er beugt sich unter das Urteil, das uns treffen müsste: Er trägt es und so trägt er es fort. Er erträgt es an unserer Statt. Und das beginnt mit Weihnachten: Er ist von einer Frau geboren und mit uns solidarisch, er ist unter das Gesetz gestellt und vertritt uns.

Erkennen wir die Mission, die Gott sich gesetzt hat: Als die Zeit reif war, sandte er seinen eigenen Sohn, hinab in unser Leben, hinein in unsere Verlorenheit. Und sein Sohn lebte unser Leben, nur ohne unsere Auflehnung gegen Gott, und er beugte sich unter das Gesetz und trug an unserer Statt sein tödliches Urteil. 

Ist es damit genug? Nein, es ist nicht genug, dass irgendwann um die Zeitenwende in Israel ein Kind geboren wurde. Es ist nicht genug, dass es da eine bedeutsame Geschichte gab. Jetzt muss es auch unsere Geschichte sein! Weihnachen wird es bei uns, weil Gott uns das göttliche Kind in die Arme legt, und wir dann sagen: lieber Vater!

Paulus schreibt: Du bist nicht mehr Knecht. Du bist Tochter, du bist Sohn Gottes. Du bist Erbe einer neuen Welt.

Und das heisst: das Gesetz des „Du musst“ steht nicht mehr über uns. Wer unter dem Gesetz des „Du musst“ lebt, muss sich sein Leben selbst und alleine bauen. Ich bin, was ich leiste. Ich bin so viel wert, wie ich schaffe.

Dies sich selbst erschaffen wollen ist gottlos, und wenn wir ehrlich sind, dann ist es uns nicht fremd: Wie oft knechten wir uns mit Fragen wie: Bin ich besser? Rede ich besser? Sehe ich besser aus? Verdiene ich mehr? Sind meine Noten besser?

Was für eine ruhelose Knechtschaft ist das, in die wir uns da begeben, und das nur, um uns selbst ins rechte Licht zu rücken.

Paulus sagt: Das ist Vergangenheit. Du bist kein Knecht mehr. Seit der Vater den Sohn und den Geist gesandt hat, seit Weihnachten, Ostern und Pfingsten bist du kein Knecht mehr. Du muss dich nicht mehr selbst zu etwas machen. Du bist schon jemand, weil Gott Bescherung gemacht hat. Du bist aus dem Zwang und der Knechtschaft befreit, selbst etwas aus dir machen zu müssen. Du bist jetzt ein Sohn, eine Tochter Gottes. Gottes Sohn wurde Mensch, damit Menschen Gottes Töchter und Söhne werden können. Und diese Söhne und Töchter müssen nichts mehr dafür tun, um Söhne und Töchter zu sein. Sie sind es und sie bleiben es, weil man sie nicht wie Knechte auf die Straße setzt. Das ist die gute Nachricht für uns.

Und wissen sie, woran man solche Söhne und Töchter erkennt? Sie sind im Gespräch mit dem Vater. Sie trauen ihm, sie hören auf ihn und sie erzählen ihm alles, was sie auf dem Herzen haben. Sie rufen: lieber Vater, geborgen und zugleich bereit, den Willen des Vaters zu tun.

Ja, das ist die Geschichte hinter der Geschichte: Wer bin ich? Nicht mehr Knecht, sondern Sohn oder Tochter, Erbe, weil Gottes Sohn in die Welt gekommen ist. Weil er in meinem Herzen wohnt. Deswegen bin ich nicht mehr nur der Überforderte oder Überflüssige, nicht mehr nur die unter Zwängen Seufzende und Einsame, nicht mehr nur der nach Erfolg Gierende oder Gescheiterte, deswegen bin ich Gottes Sohn und Gottes Tochter, und wenn alles andere nicht mehr da ist, wird das immer noch da sein und wahr sein und gültig sein.

Das ist Weihnachten.

Predigt am 20.12.2015 in der Peter und Paul – Kirche in Elze

Hier finden Sie die Grundlage meiner Predigt: Klick


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