Das ist Bohlens bester Sänger
Dass es beim Supertalent nicht reicht, einen guten Auftritt abzuliefern, ist kein Geheimnis. Er muss schon spektakulär, außergewöhnlich, gefährlich, wenn nicht sogar lebensgefährlich sein. Während Akrobaten sich selbst aufspießen, Dinge verschlucken und wohlbehalten wieder ausspucken oder Familienväter ihre kleinen Kinder ohne Sicherung an einem Trapez herumbaumeln lassen, müssen sich Musiktalente etwas einfallen lassen. Und wer nicht wie Orgasmus-Meike durch Gestöhne auf sich aufmerksam macht, braucht eine gute Story im Gepäck.
Piero Esteriore hat die allemal. Der Sizilianer mit dem wohl klingenden Namen sang sich
in der fünften Supertalent-Folge mit einer inbrünstig vorgetragenen Version von Misere (Luciano Pavarotti und Zucchero) in die nächste Runde. Von Jury-Direktor Dieter Bohlen bekam er das Prädikat des bisher besten Sängers, das Piero zu Tränen rührte. Zuvor hatte er den 6,28 Millionen Zuschauern, die seinen Auftritt verfolgten, seine bewegte Lebensgeschichte en detail und nicht minder emotional serviert. Und viele werden sich danach an den Kopf gefasst und gesagt haben: Ach ja, der kam mir gleich irgendwie bekannt vor.
Piero ist bereits ein alter Hase, was Castingshows angeht. In der Schweiz reichte es für ihn sogar kurzweilig zum Popstar. In der ersten Staffel des dortigen Gesangswettbewerbs MusicStar wurde er 2004 Dritter. Sein Album 1 secondo landete auf Platz drei der Schweizer Charts. Und das obwohl er bei seiner Teilnahme am Eurovision Song Contest 2004 kläglich versagte. Mit dem Song Celebrate, bei dem er von zwei MusicStar-Kollegen unterstützt wurde, schied er bereits im Semifinale aus – ohne einen einzigen Punkt.
Mit Karacho ins Karrieretief
Weil die Halbwertszeit von Castingstars bekanntlich kurz ist, versiegte der Ruhm schnell. Nachdem die ersten beiden Singles es noch unter die Top 20 der Charts schafften, dümpelten die Nachfolger auf den hinteren Rängen herum. Zudem nahm Piero der Tod seines Großvaters im Jahr 2007 nach eigenen Aussagen schwer mit. Deshalb ist dieser im Supertalent-Einspieler des Sängers auch dauerpräsent. Der große Knall folgte noch im selben Jahr: Piero raste mit dem Auto seiner Mutter aus Ärger über einen kompromittierenden Artikel in das Redaktionsgebäude der Schweizer Boulevardzeitung Blick. Ein Journalist hatte ihn als Mafioso hingestellt, so der Sänger.
Dieser Vorfall ereignete sich kurz vor der Veröffentlichung von Pieros zweitem Albums lo vivo. Egal ob Zufall oder nicht, die mediale Präsenz brachte ihm keinen Erfolg. Nur drei Wochen nach Erscheinen verschwand die Platte wieder aus den Top 100. Im Kölner Big-Brother-Haus hielt es Piero 2009 nur eine Woche aus. Einmal Popstar und zurück – so lässt sich seine Karriere auf den Punkt bringen. Beim Supertalent will er noch einmal bei Null anfangen, sagt er. Für sein Weiterkommen spricht nicht nur seine Stimme, sondern eben auch seine Story. Ein gefallener Popstar, der polarisiert – wo könnte er besser hinpassen als in eine RTL-Show, die nicht nur von ungewöhnlichen Talenten, sondern auch ungewöhnlichen Schicksalen lebt?
Auch andere Kandidaten wissen das: Die 80-jährige Hilda sang in der fünften Folge Don’t Cry For Me Argentina (im Original von Julie Covington) und erzählte die Geschichte von ihrem schizophrenen Sohn. Der 13-jährige Niklas, der eine Woche zuvor Goodbye My Lover (James Blunt) zum Besten gab, gestand, dass er in der Schule gemobbt wird. Und Carmen-Madeleine berichtete erst von Essstörungen und Selbstmordversuchen, überzeugte dann aber mit einer gewaltigen Soulstimme. RTL weiß diese Kontraste gekonnt in Szene zu setzen. Was manche Zuschauer für unnötig halten mögen, gehört zum Erfolgsrezept von Das Supertalent. Drama verkauft sich einfach besser als Friede, Freude, Sonnenschein.
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«Das Supertalent» – Das ist Bohlens bester Sänger
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