Das Hotel

Neulich hatte ich einen Traum. Nur ein winzig kleiner Fetzen davon ist in meinem Gedächtnis hängen geblieben. Ich lag in einem Hotelzimmer auf dem Bett. Ich war ganz allein und tat: Nichts.

Vermutlich lauschte ich der Stille.

Stille. Etwas, das hier gerade ein Fremdwort ist. Tag und Nacht. Wir haben seit einigen Wochen eine furchtbar anstrengende Zeit. Es ist gerade einfach der Wurm drin.

Und so lag ich neulich nachts mal wieder wach und dachte über diesen Traum nach. Wäre das nicht schön? Ein Hotelzimmer ganz für mich allein? Einfach mal tun und lassen, wozu ich gerade Lust habe und die Seele baumeln lassen?

Ich würde mich einfach in der nächstgelegenen Stadt für eine Nacht im Hotel einmieten. Ich würde es mir dort erst einmal gemütlich machen und dann vielleicht einen Spaziergang durch den Park oder in aller Ruhe einen Stadtbummel machen. Am Abend würde ich dann im Hotel etwas Leckeres essen und dabei die anderen Leute beobachten. Ich würde ein Glas Wein trinken, vielleicht auch zwei. Vielleicht würde ich anschließend ein paar Runden im Hotelpool schwimmen. Oder ich würde mir ein heißes Bad einlassen mit einem bunten, duftenden Badesalz. Danach würde ich mich auf das große, weiche Bett legen und ein gutes Buch lesen. Zum Beispiel das, das seit Monaten auf meinem Nachttisch liegt, und von dem ich nicht mal 70 Seiten gelesen habe. Vielleicht würde ich die halbe Nacht darin lesen, vielleicht würde ich aber auch irgendwann den Fernseher einschalten. Oder ich würde schon ganz früh das Licht ausschalten und einfach schlafen. Denn schließlich bin ich so furchtbar müde.

Am nächsten Morgen würde ich ausgeruht und voller Elan aus dem Bett springen. Wie freue ich mich doch auf das Frühstücksbuffet! Ich würde mich nach Herzenslust von allem bedienen und so viel essen, bis mir schlecht wird. Danach würde ich mich noch eine Weile auf mein Zimmer verziehen und die Nase in mein Buch stecken.

Mittags mache ich mich schließlich wieder auf den Weg nach Hause und schließe freudestrahlend und erfüllt von neuer Kraft meine Kinder und meinen Mann in die Arme.

Ein schöner Traum, nicht wahr?! Eine Auszeit, ganz für mich allein. Ausruhen, Energie tanken, die Batterien wieder aufladen.

Der Gedanke daran hat mich eine Weile mit Freude erfüllt – bis ich mich fragte, ob es in der Realität tatsächlich so erholsam wäre, wie ich mir das ausmale.

Denn wenn ich ganz ehrlich bin: Ich bin eine Glucke. Könnte ich mir wirklich vorstellen, meine Familie allein zu lassen? Na ja, es ist doch schließlich nur eine Nacht. Da ist doch nichts dabei. Aber damals, als ich die Fehlgeburt hatte und eine Nacht im Krankenhaus bleiben musste, da plagte mich schon mein Gewissen, weil ich meinen Sohn „im Stich“ lassen musste. Auch nach der Geburt der Kleinen konnte ich nicht schnell genug nach Hause kommen. Und so anstrengend es gerade auch ist – ich würde es vermissen, meinen Kindern einen Gute-Nacht-Kuss geben zu können, ihr Lachen würde mir fehlen und ich wäre nicht da, wenn sie nachts nach mir rufen. Es würde mir fehlen, abends neben meinem Mann auf der Couch zu liegen, mit ihm zu reden und neben ihm einzuschlafen.

Der Wunsch nach Erholung vs. schlechtes Gewissen – was ist stärker?

Ganz ehrlich!? Manchmal beneide ich meinen Mann ein bisschen, wenn er auf Geschäftsreise ist und die Nacht im Hotel verbringt. Und im nächsten Moment denke ich: „Ich Rabenmutter, ich.“, und verwerfe den Gedanken wieder. Und was würde ich auch alles verpassen ohne meine Kinder. Stress, ohne Zweifel – aber auch jede Menge Glück und Liebe.

Also halte ich mich mit dem Gedanken über Wasser, dass jede schwierige Phase auch wieder vorbei geht.



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