Das hässliche Entlein 3

Da lief und flog es über das Gehege; die kleinen Vögel in den Büschen flogen erschrocken auf. “Das geschieht, weil ich hässlich bin!” dachte das Entlein und schloss die Augen, lief aber gleichwohl weiter; so kam es hinaus zu dem großen Moor, wo die wilden Enten wohnten. Hier lag es die ganze Nacht, es war sehr müde und kummervoll. Am Morgen flogen die wilden Enten auf, und sie betrachteten den neuen Kameraden. “Was bist du für einer?” fragten sie, und das Entlein wendete sich nach allen Seiten und grüßte, so gut es konnte.

“Du bist außerordentlich hässlich!” sagten die wilden Enten. “Aber das kann uns gleichgültig sein, wenn du dich nur nicht in unsere Familie hinein heiratest.” Das Arme dachte wahrlich nicht daran, sich zu verheiraten, wenn es nur die Erlaubnis hatte, im Schilfe zu liegen und etwas Moorwasser zu trinken. “Höre, Kamerad”, sagten sie, “du bist so hässlich, dass wir dich gut leiden mögen; willst du mitziehen und Zugvogel sein? Hier nahebei in einem anderen Moor gibt es einige liebliche wilde Gänse, alle zusammen Fräulein, die da Rapp! sagen können. Du bist im Stande, dein Glück zu machen, so hässlich du auch bist!”

“Piff! paff!” ertönte er und die beiden Wildgänseriche fielen tot in das Schilf nieder, und das Wasser wurde blutrot. “Piff! paff!” erscholl es wieder, und ganze Scharen wilder Gänse flogen aus dem Schilfe auf, und dann knallte es wieder. Es war große Jagd; die Jäger lagen rings um das Moor herum, ja einige saßen oben in den Baumzweigen, welche sich weit über das Schilf hinstreckten, der blaue Dampf zog gleich Wolken in die dunklen Bäume hinein und ging weit über das Wasser hin; zum Moor kamen die Jagdhunde: platsch! platsch! – das Schilf und Rohr neigte sich nach allen Seiten. Das war ein Schreck für das arme Entlein; es wendete den Kopf, um ihn unter den Flügel zu stecken, und im selben Augenblick, stand ein fürchterlich großer Hund dicht bei dem Entlein, die Zunge hing ihm lang aus dem Halse hinaus, und die Augen leuchteten gräulich hässlich; er streckte seinen Rachen dem Entlein gerade entgegen, zeigte ihm die scharfen Zähne und – platsch! platsch ging er weiter, ohne es zu packen.

“O, Gott sei Dank!” seufzte das Entlein, “ich bin so hässlich, dass mich selbst der Hund nicht beißen mag!” So lag es ganz still, während der Bleihagel durch das Schilf sauste und Schuss auf Schuss knallte. Erst spät am Tage wurde es still, aber das arme Junge wagte noch nicht sich zu erheben; es wartete noch mehrere Stunden, bevor es sich umsah, und dann eilte es fort aus dem Moor, so schnell es konnte; es lief über Feld und Wiese, und es war ein Sturm, dass es ihm schwer wurde, von der Stelle zu kommen. Gegen Abend erreichte es eine kleine Bauernhütte, die war so baufällig, dass sie selbst nicht wusste, nach welcher Seite sie fallen wollte und darum blieb sie stehen. Der Sturm umsauste das Entlein so, dass es sich niedersetzen musste, um sich dagegen zu stemmen; und es wurde schlimmer und schlimmer; da bemerkte es, dass die Tür aus der einen Angel gegangen war, und so schief hing, dass es durch die Öffnung in die Stube hineinschlüpfen konnte, und das tat es.

Hier wohnte eine alte Frau mit ihrer Katze und ihrem Huhne, und die Katze, welche sie Söhnchen nannte, konnte einen Buckel machen und spinnen, sie sprühte sogar Funken, aber dann musste man sie gegen die Haare streicheln.

Märchen von Hans Christian Andersen

Nächste Woche  hier “Das hässliche Entlein 4″

rubberduck[1]


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