Das hässliche Entlein 2

“Nein, es ist kein Kalekut”, sagte sie; “Sieh, wie herrlich es die Beine gebraucht, wie gerade es sich hält, es ist mein eigenes Kind. Im Grunde ist es doch ganz hübsch, wenn man es nur recht betrachtet. Rapp, rapp! – Kommt nur mit mir, ich werde euch in die große Welt führen, euch im Entenhof vorstellen, aber haltet euch vor den Katzen in Acht!” Und so kamen sie in den Entenhof hinein. Da drinnen war ein schrecklicher Lärm, denn da waren zwei Familien, die sich um einen Aalkopf bissen, und am Ende bekam ihn doch die Katze.
“Seht so geht es in der Welt zu!” sagte die Entenmutter und wetzte ihren Schnabel, denn sie wollte auch den Aalkopf haben. “Braucht nur die Beine!” sagte sie. “Seht, dass ihr euch rappeln könnt, und neigt euren Hals vor der alten Ente dort; sie ist die vornehmste von allen hier; sie ist aus spanischem Geblüt, deswegen ist sie so dick; und seht ihr, sie hat einen roten Lappen um das Bein, das ist etwas außerordentliches Schönes und die größte Auszeichnung, welche einer Ente zu teil werden kann, das bedeutet so viel, dass man sie nicht verlieren will und dass sie von Tier und Menschen erkannt werden soll! Rappelt euch! Setzt die Füße nicht einwärts. Ein wohlerzogenes Entlein setzt die Füße weit von einander, gerade wie Vater und Mutter; seht, so! Nun neigt euren Hals und sagt: Rapp!”

Und das taten sie; aber die andern Enten ringsumher betrachteten sie und sagten ganz laut: “Sieh da! Nun sollen wir noch den Anhang haben, als ob wir nicht schon genug wären, und pfui! wie das eine Entlein aussieht, das wollen wir nicht dulden!” Uns sogleich flog eine Ente hin und biss es in den Nacken. “Lass es in Ruhe!” sagte die Mutter. “Es tut ja Niemand etwas.” “Ja, aber es ist so groß und ungewöhnlich”, sagte die beißende Ente, “und deshalb muss es gepufft werden.”

“Es sind hübsche Kinder, welche die Mutter hat”, sagte die alte Ente mit dem Lappen um das Bein. “Alle zusammen schön, bis auf das eine, das ist nicht geglückt; ich möchte wünschen, dass sie es umarbeiten könnte.”

“Das geht nicht, Ihre Gnaden”, sagte die Entleinmutter; “es ist nicht hübsch, aber es hat ein gutes Gemüt und schwimmt so herrlich wie eins von den andern, ja, ich darf sagen, noch etwas besser; ich denke, es wird hübsch heranwachsen und mit der Zeit etwas kleiner werden, es hat so lange in dem Ei gelegen und deshalb nicht die rechte Gestalt bekommen!” Und so zupfte sie es im Nacken und glättete das Gefieder. “Es ist überdies ein Enterich”, sagte sie, “und darum macht es nicht so viel aus. Ich denke, er wird gute Kräfte bekommen, er schlägt sich schon durch.”

“Die andern Entlein sind niedlich”, sagte die Alte. “Tut nun, als ob ihr hier zu Hause wäret, und findet ihr einen Aalkopf, so könnt ihr mir ihn bringen.” Und so waren sie wie zu Hause. Aber das arme Entlein, welches zuletzt aus dem Ei gekrochen war und so hässlich aussah, wurde gebissen, gestoßen und zum Besten gehalten, und das sowohl von den Enten wie von den Hühnern. “Es ist zu groß”, sagten sie allesamt, und der kalekutische Hahn, welcher mit Sporen zur Welt gekommen war und deshalb glaubte, dass er Kaiser sei, blies sich wie ein Fahrzeug mit vollen Segeln auf, ging gerade auf dasselbe los, und dann kollerte er und wurde ganz rot am Kopfe. Das arme Entlein wusste weder, wo es stehen noch gehen sollte, es war betrübt, weil es hässlich aussah und vom ganzen Entenhof verspottet wurde. So ging es den ersten Tag, und später wurde es schlimmer. Das Entlein wurde von allen gejagt, selbst seine Geschwister waren böse gegen dasselbe und sagte immer: “Wenn die Katze dich nur fangen möchte, du hässliches Geschöpf!” und die Mutter sagte: “Wenn du nur weit fort wärest!” Die Enten bissen es, und die Hühner schlugen es, und das Mädchen, welches die Tiere füttern sollten, stieß mit dem Fuß danach.

Märchen von Hans Christian Andersen

Morgen  hier “Das hässliche Entlein 3″

rubberduck[1]


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