Das Grundgesetz der Mediendynamik

Das Grundgesetz der MediendynamikErst war Finanzkrise, dann Missbrauch, dann kam die Aschewolke, dann Kachelmann, dann Weltmeisterschaft, dann Bundespräsident, dann das Ölleck, dann die Loveparade als Tragödie. Danach kehrte nochmal Kachelmann zurück, aber er tanzte nur zwei Tage. Was folgte, war diese wirklich schlimme Woche, in der niemand wusste, was wichtig ist. Zeitungen, sonst gewohnt, wie mit einer Stimme dieselben Sachen über dieselben Sachen zu schreiben, versuchten sich an unterschiedlichen Nebensächlichkeiten. Fernsehsender brachten unabgesprochen Meldungen unterschiedlichsten Wortlauts, teilweise sogar in unterschiedlicher Reihenfolge.
Keine Brennpunkte, nirgends. Dabei bestimmt das erste Gesetz der Mediendynamik knallhart, dass die Welt in keinen Schuhkarton passt, unweigerlich aber in 15 Minuten Tagesschau. Das zweite Gesetz der Mediendynamik hingegen besagt, dass Großereignisse nie gleichzeitig stattfinden, sondern immer fein säuberlich hintereinander, als plane eine große göttliche Regie den Ablauf von Flugzeugabstürzen, Prominentenhochzeiten, Sportevents und Skandalen mit traumwandlerischer Sicherheit.
Nur selten werden Löcher zugelassen, nur selten kommt Luft an die Wirklichkeit so wie in dieser Somemrwoche. Private wie staatliche Fernsehsender mussten Wetter und Ölleck zu einem dünnen Brei aufkochen, um die Massen satt zubekommen. Autounfälle schafften es in die Tagesschau, sogar der Atomstreit bekam wieder einige Minuten Sendezeit, ohne dass noch jemand vor den Empfängern gewusst hätte, worum es dabei geht.
Das Land war aus den Fugen, die Medien warteten wie ein Mann auf das nächste große Ding. Würde Kohl sterben? Oder die Königin von England? Tritt der Papst zurück? Oder Steve Jobs? Wird Genscher den Nobelpreis ausschlagen? Landen endlich Außerirdische oder die Kanzlerin im ewig schmelzenden Eis, um gegen die völlig zu Unrecht gänzlich aus den Schlagzeilen verschwundene Ausrottung der Eisbären zu protestieren? Waldbrände in Moskau, soviel stand schnell fest, sind kein Ersatz für richtige Nachrichten. Auch tausende Tote in Pakistan wiegen eine Trauerfeier in Duisburg, zu der niemand kommt, nicht auf.
Wie eine Erlösung schließlich aber die "Blitzflut", die vorher noch niemals da war, solange die jüngsten Praktikanten bei "Spiegel" und dpa zurückdenken können. Unter Superlativ geht heutzutage keiner mehr aus dem Haus! Und hier sind sie angebracht wie überhaupt immer: In Görlitz eine ganze Straße überschwemmt, ein Brücke gesperrt, ein Gastwirt verliert Frischware im Wert von 50.000 Euro, drei Rentner das Leben beim Versuch, ihre Waschmaschinen vor dem Untergang zu retten. Geschichten, die der Wahnsinn schreibt. Endlich regieren wieder Katastrophenstäbe, endlich steigen gutgefönte Reporter auf Deiche um von vor Ort zu berichten, endlich hat der Alltag wieder einen Halt und die unfassbare Zahl von 1700 Rettungskräften ist im Einsatz, der natürlich wie immer "verzwiefelt" ist, denn schon lässt "starker Regen" wie es ihn zuvor noch nie gab, auch den "Elb-Pegel steigen", wie dpa berichtet.
Ein kleine Zwischenbilanz zeigt das Ausmaß des Schreckens. 21 Milliarden Schaden richtete die Flut 2002 an, auf drei Milliarden hat es ihre Nachfolgerin schon geschafft. Dabei ist der Fürst-Pückler-Park in Bad Muskau, mit dem ganz Deutschland bangt und bibbert, noch nicht mitgerechnet: Ein Stück Unesco-Welterbe, das blitzschnell aberkannt werden könnte, wie das Dresdner Elbtal, wenn es den Verantwortlichen nicht umgehend gelingt, den Rasen durchzutrocknen und die Schlammeinspülungen wegzukehren. Was soll dann auch Deutschland werden? Und vor allem: Worüber ließe sich noch berichten?


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