Eine Beipflichtung und Rezension.
Ein berechtigter Einwand, den die Ökonomen aufzählen, ist: Wenn die Autarkie, die der Mensch einer Grundeinkommensgesellschaft genießt, weil er ja nicht mehr arbeiten muss, sondern kann oder darf, je nach Laune - wenn diese Autarkie also dazu führt, dass Arbeit nach eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen geleistet wird, dann mag das ein Aufschwung für Tätigkeiten sein, die man als Berufung wahrnimmt. Was aber geschieht mit Berufen? Wer schraubt Fahrgestelle zusammen und asphaltiert Straßen oder entertaint kleine Schreihälse? Autarke Erzieherinnen könnten sich ja auch nur die netten Kinder raussuchen. Eine unverbindliche Gesellschaft wäre das Resultat.
Seitdem Menschen der arbeitsteiligen Gesellschaft von Unabhängigkeit von der Erwerbsarbeit träumen, hoffen sie auf einen Typus Mensch, der freiwillig und aus rationalen Gründen arbeitet. Jeder hätte ja nun die Muße weniger zu arbeiten oder das zu tun, wonach einem der Sinn steht. Man führt dabei gerne Marx an, der über ein Ende der Arbeitsteilung sinnierte und meinte es sei irgendwann möglich "heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." Diese Vorstellung der Autarkie ist führwahr sehr anziehend, aber undenkbar in einer Gesellschaft, die von so genannter Scheißarbeit abhängig ist. Von Arbeit, die keiner als Herausforderung sieht und die man als von der Erwerbsarbeit autarker Mensch niemals anpacken würde.
Das Wort Beruf kommt von Berufung. Luther soll es geprägt haben. (Im Zweifelsfall war es immer Luther.) Heute stehen Beruf und Berufung aber durchaus gegensätzlich da. Die Berufung käme vielleicht sogar gut weg, gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Altenheime hätten plötzlich Personal, Vorleser oder Zuhörer. Das Grundeinkommen würde Zeit loseisen und der Berufung Zeit schenken. Aber den Beruf, wer würde den wählen? Bestimmte Berufe würden bestimmt weiter erledigt. Andere jedoch sicherlich kaum. Wer geht freiwillig in die Kanalisation? Wer wäscht Scheiße aus Altenheimbettwäsche? Wer reinigt Fenster oder pflastert Schnellstraßen bei Wind und Wetter?
Das alles bedeutet nicht, dass man das negative Menschenbild der Neoliberalen teilen müsste, die da meinen, alimentierte Menschen würden es bevorzugen auszuschlafen und sich auszuruhen. Natürlich arbeiteten die Menschen auch dort, zumal einige Grundeinkommensmodelle auch einen Mehrertrag für die Arbeitsbevölkerung vorsähen. Aber zu positiv darf man das ja auch nicht sehen. Es ist ja mitnichten so, dass der Mensch ein bedingungslos edles Wesen ist, das in einem Idyll zu den nobelsten Taten fähig würde. Die Scheißarbeit fällt immer unter dem Tisch, wenn man den Garten Eden auf Grundeinkommensniveau beschreibt. Man spricht von ihr nicht, so als fiele sie einfach weg, als hätten wir es nicht mehr nötig zu schrauben, zu putzen oder zu warten. Oder meint mancher ein glückliches Menschengeschlecht auf Grundlage technischen Rückschritts zu ermöglichen? Polpotismus etwa? Back to the stones? So würde es eventuell wirklich funktionieren. Aber wer möchte das schon?
Flassbeck, Spiecker, Meinhard und Vesper bringen noch mehr Einwände. Einer wäre, dass das Grundeinkommen nicht ökologisch ist. Denn bringt der Staat sämtliche Steuereinnahmen zur Umverteilung auf, so fehlen ihm die Mittel, einen ordnungspolitischen Rahmen zu schaffen, in dem Klima- und Umweltschutz gestaltet werden kann. Wenn aber der Preismechanismus der Marktwirtschaft für eine nachhaltige Nutzung der Umwelt aufgehoben wird (d.h. umweltschädliches Produzieren steuerlich zu belasten und zu verteuern, um Verbraucher zu Alternativen zu bewegen), so wird ökologisches Wirtschaften nicht gelingbar gemacht.
Nun wird man einwenden, dass die Ökonomenriege den Arbeitszwang aufrechterhalten will. Und dass sie Interesse daran hat, dass ihnen jemand die Scheißarbeit erledigt. Letzteres mag stimmen. Denn jede Tätigkeit ist von gesellschaftlichen Nutzen. Es kommt aber darauf an, sie ordentlich zu entlohnen. Dass dies heute nicht immer, ja viel zu selten der Fall ist, leugnen die Ökonomen durchaus nicht. Sie sprechen sich dafür aus, dass in diesem System der Arbeitsbasiertheit dafür gesorgt sein muss, dass jeder sein Auskommen hat. Auch diejenigen, die in diesem System zeitweilig (oder aus welchen Gründen auch immer unbefristet) ohne Arbeit sind. Auch um Ideen, die anfangs attraktiv klingen, wie eben jenes Grundeinkommen, die aber ins Gegenteil weisen, nicht moralisch zu stärken. Hier kommt der Mindestlohn ins Spiel, als die weitaus bessere Alternative zu einem Modell, dass zwar versorgt, aber diese Versorgung zwangsläufig auf ein Niveau hinabdrückt, das nicht gewollt sein kann.
Irrweg Grundeinkommen: Die große Umverteilung von unten nach oben muss beendet werden von Heiner Flassbeck, Friedericke Spiecker, Volker Meinhardt und Dieter Vesper ist im Westend Verlag erschienen.
Quelle: Westend Verlag
Wer eine gerechte Umverteilung umsetzen möchte, der sollte vom Irrweg des Grundeinkommens wegkommen und sich für einen Mindestlohn stark machen. So schön die Idee dahinter ist, so sehr bauen die Apologeten des Grundeinkommens auf falsche Ansichten und bewirken das Gegenteil dessen, was sie eigentlich erreichen wollen. Heiner Flassbeck, Friederike Spiecker, Volker Meinhardt und Dieter Vesper machen deutlich, dass das Grundeinkommen in allen Varianten, die da so als Ideen herumschwirren, die Gerechtigkeitsfrage unterwandert und die Umverteilungsfrage auf Eis legt. Und sie nennen Gründe, weshalb das Grundeinkommen nicht halten kann, was es verspricht.Ein berechtigter Einwand, den die Ökonomen aufzählen, ist: Wenn die Autarkie, die der Mensch einer Grundeinkommensgesellschaft genießt, weil er ja nicht mehr arbeiten muss, sondern kann oder darf, je nach Laune - wenn diese Autarkie also dazu führt, dass Arbeit nach eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen geleistet wird, dann mag das ein Aufschwung für Tätigkeiten sein, die man als Berufung wahrnimmt. Was aber geschieht mit Berufen? Wer schraubt Fahrgestelle zusammen und asphaltiert Straßen oder entertaint kleine Schreihälse? Autarke Erzieherinnen könnten sich ja auch nur die netten Kinder raussuchen. Eine unverbindliche Gesellschaft wäre das Resultat.
Seitdem Menschen der arbeitsteiligen Gesellschaft von Unabhängigkeit von der Erwerbsarbeit träumen, hoffen sie auf einen Typus Mensch, der freiwillig und aus rationalen Gründen arbeitet. Jeder hätte ja nun die Muße weniger zu arbeiten oder das zu tun, wonach einem der Sinn steht. Man führt dabei gerne Marx an, der über ein Ende der Arbeitsteilung sinnierte und meinte es sei irgendwann möglich "heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." Diese Vorstellung der Autarkie ist führwahr sehr anziehend, aber undenkbar in einer Gesellschaft, die von so genannter Scheißarbeit abhängig ist. Von Arbeit, die keiner als Herausforderung sieht und die man als von der Erwerbsarbeit autarker Mensch niemals anpacken würde.
Das Wort Beruf kommt von Berufung. Luther soll es geprägt haben. (Im Zweifelsfall war es immer Luther.) Heute stehen Beruf und Berufung aber durchaus gegensätzlich da. Die Berufung käme vielleicht sogar gut weg, gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Altenheime hätten plötzlich Personal, Vorleser oder Zuhörer. Das Grundeinkommen würde Zeit loseisen und der Berufung Zeit schenken. Aber den Beruf, wer würde den wählen? Bestimmte Berufe würden bestimmt weiter erledigt. Andere jedoch sicherlich kaum. Wer geht freiwillig in die Kanalisation? Wer wäscht Scheiße aus Altenheimbettwäsche? Wer reinigt Fenster oder pflastert Schnellstraßen bei Wind und Wetter?
Das alles bedeutet nicht, dass man das negative Menschenbild der Neoliberalen teilen müsste, die da meinen, alimentierte Menschen würden es bevorzugen auszuschlafen und sich auszuruhen. Natürlich arbeiteten die Menschen auch dort, zumal einige Grundeinkommensmodelle auch einen Mehrertrag für die Arbeitsbevölkerung vorsähen. Aber zu positiv darf man das ja auch nicht sehen. Es ist ja mitnichten so, dass der Mensch ein bedingungslos edles Wesen ist, das in einem Idyll zu den nobelsten Taten fähig würde. Die Scheißarbeit fällt immer unter dem Tisch, wenn man den Garten Eden auf Grundeinkommensniveau beschreibt. Man spricht von ihr nicht, so als fiele sie einfach weg, als hätten wir es nicht mehr nötig zu schrauben, zu putzen oder zu warten. Oder meint mancher ein glückliches Menschengeschlecht auf Grundlage technischen Rückschritts zu ermöglichen? Polpotismus etwa? Back to the stones? So würde es eventuell wirklich funktionieren. Aber wer möchte das schon?
Flassbeck, Spiecker, Meinhard und Vesper bringen noch mehr Einwände. Einer wäre, dass das Grundeinkommen nicht ökologisch ist. Denn bringt der Staat sämtliche Steuereinnahmen zur Umverteilung auf, so fehlen ihm die Mittel, einen ordnungspolitischen Rahmen zu schaffen, in dem Klima- und Umweltschutz gestaltet werden kann. Wenn aber der Preismechanismus der Marktwirtschaft für eine nachhaltige Nutzung der Umwelt aufgehoben wird (d.h. umweltschädliches Produzieren steuerlich zu belasten und zu verteuern, um Verbraucher zu Alternativen zu bewegen), so wird ökologisches Wirtschaften nicht gelingbar gemacht.
Nun wird man einwenden, dass die Ökonomenriege den Arbeitszwang aufrechterhalten will. Und dass sie Interesse daran hat, dass ihnen jemand die Scheißarbeit erledigt. Letzteres mag stimmen. Denn jede Tätigkeit ist von gesellschaftlichen Nutzen. Es kommt aber darauf an, sie ordentlich zu entlohnen. Dass dies heute nicht immer, ja viel zu selten der Fall ist, leugnen die Ökonomen durchaus nicht. Sie sprechen sich dafür aus, dass in diesem System der Arbeitsbasiertheit dafür gesorgt sein muss, dass jeder sein Auskommen hat. Auch diejenigen, die in diesem System zeitweilig (oder aus welchen Gründen auch immer unbefristet) ohne Arbeit sind. Auch um Ideen, die anfangs attraktiv klingen, wie eben jenes Grundeinkommen, die aber ins Gegenteil weisen, nicht moralisch zu stärken. Hier kommt der Mindestlohn ins Spiel, als die weitaus bessere Alternative zu einem Modell, dass zwar versorgt, aber diese Versorgung zwangsläufig auf ein Niveau hinabdrückt, das nicht gewollt sein kann.
Irrweg Grundeinkommen: Die große Umverteilung von unten nach oben muss beendet werden von Heiner Flassbeck, Friedericke Spiecker, Volker Meinhardt und Dieter Vesper ist im Westend Verlag erschienen.