Das Grab der Molly Maguire


Worum geht es im 2. Teil von David Grays Sherlock Holmes Trilogie?
Um einen Mord natürlich, worum sonst?  Es ist allerdings kein ganz gewöhnlicher Mord (falls so etwas denn überhaupt existieren sollte), sondern einer der erschreckend an die Taten Jack the Rippers erinnert. Inspektor Lestrade zieht Sherlock hinzu, der wiederum seinen treuen Freund Dr Watson in aller frühe aus dem Bett klingeln und zum Tatort bringen lässt. Dieser Tatort liegt im Eastend, nur wenige Meter entfernt von Miller’s Court, dem Hinterhof, in dem der Ripper sein letztes Opfer tötete. 

Das Grab der Molly Maguire

Eine Impression des Eastends aus dem Computerspiel "Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper"


So beschreibt Watson die Gegend, in der ihn sein alter Freund Holmes an diesem nebeligen Morgen erwartet:
Lange bevor er der ersten Gebäude des Eastends angesichts wurde, traf den Besucher der durchdringende Gestank der Gegend.  Es war ein eigentümlich brennender Geruch, der sich zusammensetzte aus dem Rauch der Kohleöfen, den Ausdünstungen auf engstem Raum zusammengepferchter Menschen, dem fettigen Geruch der Schlachthöfe und Metzgereien und dem jenes heißen Öls, das die Maschinen in den Werkstätten und Fabriken des Eastends schmierte. Als letzte Zutat in der Mixtur durfte der muffige Odem des brackigen Themsewassers nicht fehlen, der sich bei niedrigem Luftdruck wie eine klebrige unsichtbare Haut über alles und jeden legte, was sich in der Nähe der Docks befand. An keinem anderen Ort der Welt lebten, arbeiteten, stritten, liebten und starben so viele Menschen auf so geringem Raum beieinander, wie hier.  Es waren Iren, Schotten,  Juden, Deutsche,  Italiener und sogar so einige Inder, die in einer nie abebbenden Welle auf diesen wenige Quadratmeilen großen Flecken der Metropole zusammenströmten. Auf einen Mann, der zwischen den  sanften Hügeln Wales oder den grünen Feldern Irlands aufgewachsen war, musste das enge Labyrinth der Häuser, Gassen und Fabriken des Eastends wie eine Form der irdischen Hölle wirken.   Es schien als hätte Lestrade jeden Mann, den er greifen konnte, hierher beordert, um die Dorset Street und deren umliegende Kreuzungen sperren zu lassen. Sogar in so einigen der Hauseingänge standen Constabler wacht. In ihren feucht glänzenden Mänteln und steifen Helmen, wirkten sie beängstigend und geisterhaft, wie Sendboten aus einer anderen Welt.  Ich trat in den engen Durchgang, der von der Dorset Street zu Miller’s Court führte, bestimmt nicht in Furcht. Trotzdem lag ein gewisses Zögern in meinem ersten Schritt zwischen die feuchten rußgeschwärzten Ziegelmauern. Alte Soldaten, wie ich, entwickelten eine natürliche Abneigung gegen Orte, an denen in sinnlosen Akten von Grausamkeit Blut vergossen worden war.  Und hier in Miller’s Court war auf überaus grausame Weise unschuldiges Blut vergossen worden. Mit Hilfe von Mycrofts Beziehungen war es Holmes seinerzeit immerhin gelungen an eine Abschrift der Polizeiberichte im Fall der Marie Jane Kelly gekommen. Es widerstrebt mir im Zusammenhang mit dem Fall Marie Jane Kelly den Begriff Mord zu verwenden, denn was der Ripper mit seinem letzten Opfer anstellte, war mehr als ein Mord - es war eine Schlachtung, die völlige Vernichtung eines menschlichen Wesens.  Noch verborgen zwischen Nebelschwaden und dem Vorhang des Nieselregens, der inzwischen eingesetzt hatte, musste nur wenige Schritt von hier, die Tür zu dem kleinen Zimmer liegen, in dem Marie Jane Kelly am frühen Morgen des 9. Novembers 1888 ihr furchtbares Ende fand. Es war soviel Blut in dem Raum verteilt gewesen, dass die ersten Männer, die ihn zuerst betraten – ein Inspektor und Dr. Philipps, der herbeigerufene Arzt – auf dem schlüpfrigen Boden ausrutschten und zu fallen drohten.  Laut Doktor Philipps war es absolut unmöglich  einen Schritt in dem Zimmer zu tun, ohne dabei entweder in Blutlachen oder Fleischfetzen zu treten. Der Ripper hatte Miss Kelly die Kehle durchtrennt, sie dann vom Halsansatz bis zum Schambein hinab aufgeschnitten und die meisten ihrer inneren Organe entnommen.  Marie Kellys Gesicht war dabei bis zur Unkenntlichkeit zerschnitten und zerhackt worden. Weite Bereiche ihrer Schenkel waren bis zum Knochen herunter abgeschält und ihre Brüste abgetrennt worden. Maries innere Organe fanden sich an verschiedenen Stellen des Zimmers verteilt. Und eine ihrer abgetrennten Brüste lag ausgerechnet unter ihrer zerhackten rechten Wange.  All dies sollte ausreichend Beweis für den Wahnsinn darstellen, der an diesem 9. November in dem Zimmer in Miller’s Court raste.  Aber Dr. Philipps stellte überdies fest, dass - als unfassbaren Höherpunkt seines Wahnsinns -  der Ripper Mary Jane Kellys Herz solange in einem Teekessel über dem Kaminfeuer hatte kochen lassen, bis das billige Kesselblech in der Hitze teilweise zu schmelzen begann.Wahrscheinlich sprach es ja in einer bizarren Weise für all jene von den Poeten dem menschlichen Herzen zugeschriebenen Eigentümlichkeiten, dass sich selbst zwischen dem geschmolzenen Kesselblech immer noch Reste von Miss Kellys Herz erhalten hatten.
Auch die junge Frau, die Watson, Lestrade und Holmes in dem Hinterhof vorfinden ist in einer Art und Weise getötet worden, die eher an eine Schlachtung, eine völlige Vernichtung, erinnert, als an einen gewöhnlichen Mord.
Das ist, was Watson zwischen einigen Constablern, Lestrade und Holmes im Schmutz des Hinterhofs sieht:
Zu meinen Füßen lag in einer Spirale aus Gedärm ein Teil einer menschlichen Lunge. Der Darm, der sich in vier Windungen darum wand, lief zu einer geöffneten Bauchhöhle.  Einige Fuß daneben entdeckte ich einen fahlen Fleck auf dem Pflaster, der sich bei näherer Betrachtung als Brust herausstellte. Nicht weit von der Brust lag eine abgetrennte menschliche Hand. Drei, vier Schritt weiter entdeckte ich – endlich - die Überreste einer Frau im feuchten Schmutz des Hinterhofs.  Wie Marie Kelly hatte man ihren Leib vom Halsansatz bis zum Schambein aufgeschnitten und offensichtlich nicht nur ihren Darm aus der Bauchhöhle gezogen. Denn gleich neben dem Schenkel der Toten lag auch eine ihrer Nieren. Außerdem schimmerte neben ihrem zerhackten Gesicht etwas, das mir ein Teil einer menschlichen Leber zu sein schien. Als alter Soldat trug ich, weiß Gott, einige furchtbare Erinnerungen in mir. Aber das zu einer blutig grinsenden Fratze zerhackte Gesicht dieser jungen Frau brannte sich so tief in mein Hirn und Herz, dass darüber selbst die alptraumhaften Bilder der Schlacht von Maiwand verblassten, bei der ich dem Tode nur mit Müh und Not entgangen war. Einer der Constabler würgte, zuckte und platzierte ein weiteres Häufchen Erbrochenes neben seine diversen Vorgänger. Ein Gutteil des scharfen Gestanks, der in dem Hof herrschte, musste von den verschiedenen Häufchen Erbrochenen ausgehen, die um die Absperrung herum am Boden lagen. „Sollten auch Sie sich erleichtern müssen, Doktor, dann wäre ich Ihnen dankbar, falls Sie es einrichten könnten, dies über die Decken hinweg zu tun“, sagte Lestrade in einem Tonfall, der wohl nicht zufällig Holmes Wortwahl und klaren Akzent plagiierte.  „Herzlichen Dank für Ihren Hinweis, Lestrade. Aber da Sie mich einige Stunden vor dem Frühstück aus dem Bett klopfen ließen, besteht dafür keine unmittelbare Gefahr“, gab ich bissig zurück. Ich sah Lestrade geradeheraus in die Augen und wies dann auf die menschlichen Überreste am Boden. „Das ist zweifellos der abscheulichste Anblick, dem ich in meinem ganzen Leben ausgesetzt worden bin.“
Den drei Detektiven wird schnell bewusst, dass die junge Frau deren furchtbar zugerichtete Überreste sie da in Augenschein nehmen, nicht in dem Hinterhof von Miller’s Court getötet worden sein kann.  Doch, fragen sie sich, wo wurde sie dann getötet und weshalb? 

Das Grab der Molly Maguire

Eine künstlerische Nachempfindung des Rippers aus heutiger Zeit

Sherlock ist sich jedenfalls auffallend sicher, dass sie nicht dem Ripper zum Opfer gefallen sein kann. Und das obwohl Watson und Lestrade ihn darauf hinweisen, dass man den Ripper bisher nie identifiziert, geschweige denn gefasst habe. Dennoch bleibt Sherlock hartnäckig bei seiner Auffassung: Diese Frau konnte nicht vom Ripper getötet worden sein.  Doch wer war es dann? Ein eigenartiges Stück schweren weißen Seidenstoffes, den Holmes bei dem Opfer fand führt unsere Helden wenige Stunden darauf zu einem Grab im berühmten Highgate Friedhof. Dort machen sie eine Entdeckung, die selbst Sherlocks geniale Intelligenz und Beobachtungsgabe zu überfordern  scheint. Aber so leicht geben Sherlock und Watson selbstverständlich nicht auf. So geraten sie im weiteren Verlauf ihrer Ermittlungen nicht nur mit dem vom Ripper besessenen Chefinspektor Abberline aneinander, sondern stechen auch in ein Wespennest, als sie auf eine geheime Bruderschaft irischer Freiheitskämpfer stoßen,  deren Mitglieder offenbar einiges zu verbergen haben. 
Das Grab der Molly Maguire
Doch das Schreckgespenst des Rippers scheint Sherlock und Watson einfach nicht aus seinen nebelhaften Fängen lassen zu wollen, denn nach dem irischen Geheimbund und dem vom Ripper besessenen Chefinspektor konfrontiert sie ihre Jagd nach dem Mörder der Toten von Miller’s Court offenbar auch mit einem alten Bekannten. Jenem Verbrechergenie nämlich, dessen mörderische Handschrift Sherlock bereits im Hintergrund der Geschehnisse um den „Geist des Architekten“ Archibald Pennyworth auszumachen glaubte. Und jener Schattenmann weiß wie man selbst  so entschlossene Männer wie Sherlock und  Watson in Angst und Schrecken versetzt….
Nachdem wir einen kurzen Blick miteinander gewechselt hatten stiegen wir die knarzende Treppe hinauf, an deren Ende ein weiterer Kerzenstummel etwas Helligkeit erzeugte. Nur eine der vier Türen im oberen Stockwerk war leicht geöffnet. In dem Zimmer musste ein Feuer im Kamin brennen,  eine gewisse Wärme drang durch den Türspalt und auf dem Dielenboden tanzten bizarre Schatten. Ich ergriff die Kerze und warf einen Blick in die übrigen drei Räume im Obergeschoss – sie waren leer, und ihr Boden mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Seit Wochen und Monaten konnte kein Mensch sie betreten haben. Holmes stieß neben mir die Tür zu dem vierten Zimmer auf. Ein süßlicher Geruch, der an den Gestank von Abdeckereien erinnerte, schlug uns entgegen.  Das Zimmer war bis auf ein Kaminbesteck, einen Rost und zwei Kohlenschütten leer. Nicht einmal Vorhänge hingen an den Fenstern und die einzige Lichtquelle bot die gelblich rote Glut des Feuers, über dem an einem Gestänge ein hoher Teekessel aus grauem Blech hing, dessen Boden roter zu glühen schien, als selbst die Kohleglut der Feuerstelle.  Die Glut im Kamin füllte den größten Teil des Raums mit geisterhaften Schatten, unmöglich auf einen Blick zu erfassen, was sich in den Zimmerecken abspielen oder verbergen mochte. Irgendetwas brodelte in dem Kessel vor sich hin. Er war die Quelle jenes ekelhaften Gestanks, der von hier aus bis ins Treppenhaus gedrungen war.  Ich bin sicher, dass Holmes derselbe abscheuliche Gedanke in den Sinn kam, wie mir: In Miss Molly Maguires Post Mortem hatte man hervorgehoben, dass ihr Herz fehlte. Holmes Gesicht verzerrte sich zu deiner Grimasse der Wut, als er den Kessel mit seinem Stock vom Feuer hob und vorm Kamin abstellte, dessen Deckel fiel dabei herab.  Was da in dem heißen billigen Kessel kochte war tatsächlich Blut und in all dem brodelnden Blut schwamm etwas, das ich als ein menschliches Herz erkannte.Ich warf einen Blick darauf, dann stürmte ich zum Fenster und riss es weit auf. Noch niemals in meinem Leben war ich so zornig gewesen, wie in jenem Augenblick. Der Ripper hatte Mary Jane Kellys Herz in einen Teekessel geworfen und in ihrem eigenen Blut solange über dem Feuer köcheln lassen, bis der dünne Kessel schmolz. Ich war außer mir. Der Strick war zu wenig für die Männer, die solch einer Abscheulichkeit fähig waren.„Ist es menschlich, Watson? Reden Sie, Mann!“, fuhr Holmes mich mit blitzenden Augen an. Ich bestätigte es. „Dieses Monster!“, zischte Holmes voll kaum zurückgehaltenem Zorn. Ich konnte keine Sekunde länger ertragen dieses Herz in dem brodelnden Blut zu sehen. Ich ergriff den Kaminhaken und war drauf und dran damit das Herz aus dem Kessel zu angeln. Ich wusste nicht, was ich danach damit anstellen würde, doch ich war mir selten über irgendetwas so klar gewesen, wie darüber, dass es nicht in diesen Teekessel voller brodelnden Blutes gehörte. „Was tun Sie da, Watson?“, Holmes ergriff meine Hand und hinderte mich an meinem Vorhaben. „Ihr Herz aus diesem verfluchten Kessel entfernen, was sonst, Holmes?“ zischte ich grimmig zurück. Holmes legte seine Hand auf meine Schulter. „Und was, wenn ich fragen darf, haben Sie anschließend damit vor, Watson? Wollen Sie es mit sich herumtragen? Nach Highgate fahren und es in ihrem leeren Grab bestatten? Es in Formaldehyd einlegen? Wir wissen ja noch nicht einmal, wessen Herz das wirklich ist…“   Ich begriff ja, was er mir mitzuteilen versuchte. Dennoch erschien es mir so über die Maßen grausam dieses Herz in dem noch immer blubbernden und brodelnden Blut zu belassen.„Den Kessel vom Feuer zu nehmen ist alles, was wir im Moment für Miss Maguire  und ihr  Herz tun können, Watson.“  Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis Abberline von der Nachricht an der Wand des Diogenes-Clubs hörte und hier auftauchen musste. Sollten wir dieses Herz aus dem Kessel entfernen, konnte er uns der Vernichtung von Beweismitteln, der Irreführung der Justiz oder Schlimmeren beschuldigen. „Verflucht, Holmes! Verflucht!“ Holmes nahm mir den Kaminhaken aus der Hand und störte damit die Glut im Kamin auf, das Feuer loderte hell auf, winzige Funken stoben in den Kaminschacht hinauf. Der Raum lag plötzlich erhellt vom rötlich gelben Licht des Feuers vor uns.„Sehen Sie!“Da waren Worte an eine der bisher im Schatten liegenden Zimmerwände geschrieben worden:
"Today I bake, tomorrow I brew,Then the Queen's child I shall stew.;For nobody knows my little game,for Rumpelstiltskin is my name."
Ich trat fasziniert und abgestoßen zugleich näher zu der Wand. Der Text war in großen, schief stehenden Buchstaben verfasst. Anders als bei dem Ripperbrief im Daily Mirror waren sowohl Zeichensetzung wie Rechtschreibung einwandfrei. „Ist das Blut, Watson?“„Ja!“, bestätigte ich voller Ekel.
Aber selbst in Blut köchelnde Herzen und das gespenstische Kannibalengedicht Rumpelstilzchens bilden jedoch längst nicht den letzten Höhepunkt des Horrors, dem Holmes und Watson bei ihrer Suche nach dem Mörder der jungen Miss Molly Maguire erwartet…
Das Grab der Molly Maguire
Freuen Sie sich also auf ein spannendes neues Abenteuer des besten Detektivs der Literaturgeschichte … 
Der erste Teil von "Sherlock Holmes - Eine Studie in Angst" ist hier erhältlich: 
 Amazon.de


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