DAS GOLDENE SCHREIBMASCHINENFARBBAND anno dazumal

Von Verdin @verdinguenter

"STUTTGARTER NACHRICHTEN", 1991

(Dank an Uwe Bogen für den Hinweis!)

Verdins Stilblüten-Lese

Lustig ist das Zeitunglesen

Von Uta Schlegel-Holzmann

Wenn in Edelfingen der Gottesdienst wegen eines Fehltritts des Pfarrers ausfällt und ein Hosenladen Beutestücke birgt, wenn ein Feuerwehrkörper einen Großbrand auslöst und andernorts die Zunahme von Sexualdelikten auf die Tätigkeit der Beamtin für Frauenfragen zurückgeführt wird. Wenn von den 5 Milliarden Menschen 26,5 Milliarden am Fernsehen Fußball gucken und ein Verstorbener in seiner Büromöbelgruppe eine schwer zu schließende Lücke hinterläßt, wenn sogar ein Vater selber eine Tochter zur Welt bringt und plötzlich "nichtsahnend ein Chor dasteht und losschmettert" - wenn so was in der Zeitung steht, ja, dann können wir doch mal wieder tüchtig auf die Schenkel hauen vor Spaß! Lustig ist das Zeitunglesen, wo Stilblüten und unfreiwillige Komik wuchern. So was will einfach mehrfach gedruckt sein.

Es gibt vermutlich schon genug gedruckten Blödsinn auf dem Markt. Das Büchlein mit dem Titel "Auto rammt Pferd, vom Tierarzt erschossen", das Südfunk-Moderator Günter Verdin am Mittwoch in der Buchhandlung Wittwer vorgestellt hat, ist im Gegensatz zu manchem anderen Druckprodukt jedoch eigens ausgewiesener Blödsinn. "Ein Gesamtkunstwerk groben Verbal-Unfugs", wie Kabarettist Mathias Richling in einem "Leserbrief" das Sammelsurium für den "vor Lachen gekrümmten Leser" nennt. Einer wie er muß wahrscheinlich lang nachdenken, ehe ihm so viel Dämliches einfällt, was manchem begnadeten Zeitungsschreiber locker aus der Feder fließt.

Verdin hat sammeln lassen. Seit 20 Jahren schon trägt er die Stilblütenlese dank eifrigen Zeitunglesern in seiner Hörerschaft zusammen, und für besonders gelungene komische journalistische Leistungen verleiht er regelmäßig "Das goldene Schreibmaschinenfarbband". Er selbst zählt noch nicht zu den Bandträgern, obwohl er durchaus die Leiden des Schreibers kennt, dessen Werk verstümmelt, durch einen blöden Fehler der Lächerlichkeit preisgegeben wurde. Dieses indes will er mit seinem Büchlein (aus dem Factor-Verlag) nicht tun: es sei eher eine "Liebeserklärung an alle Zeitungsmacher".

Vor das Zeitunglesen aber ist häufig etwas anderes gesetzt. Das Aufstehen nämlich. Und auch zu dieser, von den meisten offenbar recht freudlos erledigten Alltagspflicht hat Verdin ein Sammelwerk auflegen lassen, eine Hörer-Erhebung sozusagen, eine heitere, giftige, verklärte, zornige, philosophische Betrachtung des Aufstands der Massen. "Aufstehen ist. . . " Eine Poesie des Trotzdem, am besten zu lesen vor dem Einschlafen - sofern man sich überhaupt niederlegt. Wie schrieb doch eine? "Aufstehen ist mir so verhasst, dass ich abends gar nicht mehr ins Bett will."