Das Glück mancher Linker

Von Robertodelapuente @adsinistram
Rainer Langhans zuckelt derzeit durch den Dschungel. Vormals war er schon bei anderen fadenscheinigen Sendekonzepten zu sehen. Wo wären andere "linke Koryphäen" heute, lebten sie noch? Was wäre heute ihre mediale Funktion, wo würden sie auftreten, was würden sie sagen und welchen Aktionen würden sie beiwohnen?

Heute: Ulrike Meinhof

Dschungelcamp und perfektes Dinner wären nichts für sie; sie säße heute bei Will oder in politischen Talkshows der dritten Programme (Münchner Runde etc.), um zur sozialen Frage zu dozieren. Dort würde sie ihren Sermon entweder als Journalistin der taz oder des Stern loswerden. Die heute 76-jährige erzählte oft über ihre Verirrungen von damals, ihre Haftzeit und die Schwierigkeiten, die sie in der Zeit unmittelbar nach ihrer Haftentlassung, Mitte der Neunzigerjahre, hatte. Sie böte der deutschen Öffentlichkeit die geläuterte Grande Dame einer gewaltbereiten Generation.

Ihre journalistische Klasse habe ihr geholfen, nach und nach wieder ins Metier zurückzukehren, würde sie sich selbst beurteilen; nachdem sie sich vehement für eine Reform des Sozialstaates und staatliche Entschuldung ausgesprochen hatte, sicherte sie sich erste Meriten. Während der Kanzlerschaft Schröders stellte sie sich provokativ auf Seite der Sozialdemokratie; früher habe sie, so würde sie sich äußern, gerne auf die SPD geschimpft, die ja die Menschen verraten habe, aber mittlerweile erkenne sie und jeder halbwegs denkfähige Mensch, dass diese Partei die letzte Rettung des Sozialstaatsgedankens sei. Die Agenda 2010 schrübe sie bei der taz oder dem Stern zum großen Wurf der Regierung um; "Und natürlich darf Leistung gekürzt werden!", lautete der Titel eines Artikels, der gleichermaßen Reminiszenz auf einen alten Text ihrerseits, als auch ein brennendes Pamphlet auf die notwendige Sanktionierung arbeitsunwilliger Erwerbsloser, wäre.

Neben den politischen Talkshows würde sie einige Angebote, abendlich in einer Spielshow bei Pilawa aufzutreten abgelehnt haben, bis sie eines Tages, mag es Altersmilde oder Marketingstrategie sein, doch zusagte. Dort lümmelte neben ihr Frank Schirrmacher. Beide gäben das "Team Journalisten" in einer kruden Sendung, in der es um spartenspezifische Intelligenz ginge. Schirrmacher wäre indes für Peter Hahne eingesprungen, der kurz zuvor abgesagt hätte - nicht weil er Meinhof an seiner Seite nicht dulden mochte, nein, nur eine ordinäre Erkältung hätte ihn dazu veranlasst. Springer wiederum würde Ulrike Meinhof zwar nicht lieben, sie aber respektvoll dulden und sie gelegentlich sogar zur Gewinnerin des Tages machen, wenn sie beim politischen TV-Talk vehement für Hartz IV und für den Krieg in Afghanistan stritte - letzteren würde sie natürlich nur verteidigen, um unterdrückte Frauen vom Joch muslimischer Männer zu befreien. Alice Schwarzer würde um gelegentliche Gastartikel buhlen, die Meinhof auch zur Bereicherung der Emma bereitstellen würde.

Sie schüttelte außerdem Sarrazin bei einem Interviewtermin die Hand und würde hernach schreiben, dass sie und er Streiter für Frauenrechte seien, die es ja leider nur im Westen gäbe, weswegen der Kampf der fortschrittlichen Himmelsrichtung gegen den rückständigen (Mittleren) Osten eindeutig richtig sei; "Wir sagen, der Typ im Turban ist ein Schwein, kein Mensch. Und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden", wäre eine letzte Anspielung auf einen älteren Text, den sie scheinbar immer wieder hervorkramen würde, wenn es drastisch klingen soll - Horst Mahler, alter Freund aus vergangenen Tagen, gratulierte ihr zu einem mutigen Buch, das sie inspiriert von Sarrazins Machwerk auf den Markt würfe. Deswegen zierte sie manchen Aufmacher mancher Zeitung - sie gälte als die mutige Frau, die endlich sage, was alle immer schon dachten. Auch damals, so würde Meinhof bei Beckmann einsichtig sagen, als sie noch bei der RAF war, da ging es indirekt nicht gegen den Staat, sondern gegen die Überfremdung in diesem Staat; sie habe es damals nur noch nicht definieren können, es war eine dumpfe, unkonkrete Angst in ihr. Aber mittlerweile erkenne sie, warum sie damals diesem irrationalen Impuls folgte, ihre journalistische Karriere zu beenden, um in den Untergrund zu gehen: sie wollte in keinem Staat leben müssen, in dem sie sich fremd fühlte - und ein solcher Staat, der bahnte sich bereits damals an, würde sie abschließen. BILD schrübe tagsdrauf etwas von der Selbstlosigkeit der Meinhof und neuer Deutung der RAF...

Demnächst ein weiterer, als links geltender Toter, dessen Glück es ist, nicht mehr zu existieren...