Das Glück ist eine H…

Drei Spiele in Folge ungeschlagen, dabei kein einziges Gegentor kassiert – KLASSE!
In sieben Spielen nur ein Tor, davon seit vier Spielen kein einziges – BLAMAGE!

So kann man die Situation in zwei kurzen Sätzen beschreiben. Sieben Spieltage sind abgelaufen, wir haben drei Punkte und stehen am Tabellenende. Da kann man es laut aussprechen: so sieht man bald die Profifußballwurzeln von unten. Unglaublich, was bisher in dieser Saison von den Kartoffelkäfern gespielt wird. Dabei habe ich doch sosehr gedacht, wir würden durch Spieler wie Sibum und Co. Sicherheit und Konstanz gewinnen. So sehr kann man sich täuschen. Es ist offiziell: wir befinden uns im Abstiegskampf. Ein Kampf, der für uns die Existenz bedeuten kann…

Das Spiel in Paderborn ging 0:0 aus – das dritte torlose Remis in Folge nach Hansa Rostock und Fortuna Düsseldorf. Und es bewies sich mal wieder, wie wechselhaft doch die Glücksfee ist. Die ersten dreißig Minuten waren grauenhaft. Kein Mut, keine Leidenschaft und kein Esprit nach vorne. Stattdessen Ballgeschiebe und eine spielerische Überlegenheit des SC Paderborns, wie ich sie nur selten bei unseren Gegnern sehe. Unsere Defensive sah sich einer wahren Flut an Eckbällen ausgesetzt, die zwar allesamt geklärt wurden, aber aus unerfindlichen Gründen jedesmal durch den zweiten Ball der Paderborner wieder gefährlich aufbrandeten. Unsere Abwehr spielte zu dem Zeitpunkt Russisch-Roulette – mit fünf Kugeln in sechs Kammern und gewann (vor allem wenn man den Pfostentreffer von Kaha in Minute 25 bedenkt)!

Und plötzlich war da Manuel Junglas frei vor dem Keeper. Wäre Manu ein Goalgetter, hätte es dort unverdienterweise 1:0 für uns gestanden. Aber er ist ja leider keiner. Stattdessen schoss er dem Torhüter Lukas Kruse den Ball genau gegen die Brust. Wäre der Keeper ein Geist, vielleicht wäre es von Erfolg gekrönt gewesen.
Die letzten fünf Minuten bis zur Halbzeit gehörten wieder dem SC. Wäre Stiepermann nicht gewesen, der einige Male in HZ 1 aus der zweiten Reihe abschloss, dürfte uns Oslo für die Harmlosigkeit der ersten Hälfte den Friedensnobelpreis überreichen. Gott sei dank fangen unsere Spieler auch mal an, ihr Spiel zu hinterfragen. »Die erste Halbzeit war richtig schlecht von uns, da können wir von Glück reden, dass wir nicht in Rückstand lagen. Phasenweise haben wir richtigen Schlafwagenfußball gespielt«, sagte beispielsweise Tobias Feisthammel. Erfrischend, so etwas zu lesen nach den Durchhalteparolen und hohlen Phrasen der letzten Wochen.

Die zweite Halbzeit ist schnell erklärt. Der SC Paderborn kommt seltener, aber immer noch brandgefährlich vor das Tor, Alemannia Aachen dagegen nur durch Einzelaktionen wie beispielsweise bei Radjabali-Fardis Lattentreffer in der 57.Minute. Hier fehlte uns dann das Glück, was uns hinten schon so häufig den Arsch gerettet hat.
In der 69.Minute kam dann unser neuer Flügelflitzer David Odonkor in die Partie. Vielleicht ist es subjektiv, aber durch seine Einwechslung kam Schwung in den Laden. Zwar erspielten wir uns immer noch kaum Torgelegenheiten, aber endlich war Druck im Kessel unserer Offensivbemühungen. Auch Anouir Hadouirs Einwechslung brachte frischen Wind. Der Kerl kann einfach die Ecken und Freistöße reinbringen wie kein Zweiter.
Und während uns in der Offensive das Glück erneut fehlte, haben wir in der 90.Minute+1 wahrscheinlich alle Kräfte von Fortuna mobilisieren müssen, als uns Boy Waterman erneut in letzter Sekunde den Punkt rettete, weil Paderborns Stürmer Proschwitz nicht aus die Hufe kam und nur unseren Goalie traf.

0:0′s bringen uns im Abstiegskampf nicht weiter. Wir ernähren uns wie magersüchtige Frettchen und verharren auf der Stelle. SO kann man keinen Abstiegskampf spielen.

Problematisch fand ich diesmal auch die Aufstellung. Nicht falsch verstehen, ich bin ein Freund von Hyballas offensiver Denkweise und würde auch lieber 4-3-3 spielen lassen als 5-4-1. Aber wenn ich 4-3-3 spiele, müssen auch die Spieler dazu passen. Hier einmal ganz kurz ein Überblick, wie sich das auf dem Feld darstellte:

Waterman

R.-Fardi     Olajengbesi     Feisthammel     Achenbach

Kratz                      Sibum
Junglas

Stieperman                                             Yabo
Auer

Die Abwehr steht eigentlich recht gut, auch wenn ich Fardi lieber offensiv im Mittelfeld  bzw. auf den Flügeln sehe. Dort hinten ist sein Talent versteckt und kommt nicht zum Tragen. Ich denke, das Problem unseres Hühnerhaufens ist nicht die Viererkette, sondern das Mittelfeld davor. Denn wenn sich die Gegner hier genüßlich durchkombinieren können, kann auch der beste Libero nichts ausrichten.
Ich habe persönlich Zweifel am Rest der Aufstellung. Das Mittelfeld aus Kratz, Junglas und Sibum kann wenig Kreativität erzeugen. Sibum wirkt wie ein Fremdkörper, gerade einmal sieben Zweikämpfe (in Zahlen 7!) hat er über die neunzig Minuten geführt. Junglas (15) und vor allem Kratz (24) tun hier viel mehr für unsere Stabilität (Ich liebe die Spielmatrix auf bundesliga.de, da kann man recht gut die einzelnen Spielerstatistiken einsehen).  Selbst Benjamin Auer hat mit vierzehn Zweiämpfen das Doppelte. Sowas wurde uns als Abräumer wie Mark van Bommel verkauft…
Dazu ist Junglas meiner Ansicht nach kein kreativer Motor, der das Spiel eröffnen kann. Er ist eine Kampfmaschine und würde besser in einer Doppelsechs gemeinsam mit Kratz passen. Motor des Mittelfelds könnten andere sein. Hadouir, Yabo, Stiepermann – die Liste liest sich nicht schlecht.
Allerdings sind Stiepermann und Yabo keine Flügelspieler. Stiepermann ist bemüht, bekommt aber leider relativ wenig hin. Richtige Gefahr strahlt er gegen Paderborn nur aus, wenn er in die Mitte zog. In eben diese führte das Schicksal auch Reinhold Yabo. Der ist ganz klar kein Flügelspieler, der unseren Sturmtank Auer mit Flanken versorgen kann. Hier wäre R.-Fardi eindeutig die bessere Wahl gewesen. Und auch Uludag könnte diese linke Seite beackern. Leider erscheint er mir derzeit in einem Formtief. Wodurch die Wahl eigentlich nicht schwer fällt. 
Das diesmalige 4-3-3 konnte also nicht so gespielt werden, wie Hyballa es sich vorstellt. Stiepermann drängte nach innen zu Auer, Yabo zu Junglas ins Zentrum. Dadurch verwaisten unsere Flügelpositionen und das Spiel wurde dementsprechend langsam. Odonkors Einwechslung offenbarte doch, wie wichtig diese Flügel für unser System sind. Denn dann war plötzlich ein wenig Pfeffer im Spiel.

Ich will Hyballas Arbeit nicht schlecht machen, denn ich halte ihn immer noch für den optimalen Trainer für uns (vor allem ist er günstig ;-) ). Aber er ist unflexibel. Wenn ich das Personal nicht zur Verfügung habe, dann passe ich das System daran an. Wie wäre es denn mal mit 4-4-2 mit Junglas-Kratz als Doppelsechs und den laufstarken Odonkor und R.-Fardi auf den Flügeln? Oder 4-5-1, wobei entweder Stiepermann oder Hadouir das zentrale Umschaltelement bilden?

Wenn ich mir die Spielerstatistiken ansehe, muss ich echt schlucken, was sich dort offenbart. Paderborns Spieler mit den meisten Ballkontakten war Enis Alushi (78), Mittelfeldmotor im Zentrum, der wirklich überall auf dem Feld zu finden war. Unser ballverliebtester Spieler war… Waterman… ein Torhüter. Mit sechzig Ballkontakten. Und wenn man das Spiel gesehen hat, weiß man wieso: sehr häufig spielte sogar unser Mittelfeld den Ball lieber nach hinten zu Boy, anstatt in die „Box“ des Gegners einzudringen. Hier fehlt wirklich die zündende Idee in der Offensive…

Der heutige Spielkommentar ist ein wenig länger geworden, als ich eigentlich geplant hatte. Doch es nutzt nichts, nur zu meckern und zu mosern über das was falsch läuft, sondern eventuell auch mal Lösungsvorschläge machen. Ich bin kein Trainer, aber ein gewisses Spielverständnis wage ich mir anzukreiden. Ich liebe diesen Sport und liebe diesen Verein und kann daher zumindest nicht tatenlos zusehen, wie sich spielerisch alles mehr und mehr nach unten entwickelt.
Es gibt viele Öscher, die lieber auf allem draufschlagen, statt genauer darüber nachzudenken, woran etwas liegen könnte (ich will allerdings hiermit nicht behaupten, den heiligen Gral für unseren Verein gefunden zu haben. Gott bewahre, das wäre vermessen). Da wird lieber auf Nichtigkeiten (Außendarstellung des Trainers beispielsweise) rumgehakt, als den Kern des Problems zu untersuchen. Und das ist das Toreschießen. Ich habe zumindest noch nicht miterlebt, wie ein dummer Spruch des Trainers die Kreativität des Teams auf dem Feld untermauert hat…

Mein Gott – das hat sich hier ja zu einem richtigen Roman entwickelt. Ihr möget mir verzeihen für diesen Schwall an Wörtern. Doch was raus muss, muss raus. Ich habe einfach Angst. Angst vor einem Abstieg, Angst vor der damit verbundenen Insolvenz. Und so wird es jedem Alemannen gehen in der diesjährigen Saison.


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