Ihr Lieben,
heute möchte ich Euch eine kleine Geschichte von M. Pöhl erzählen:
„Das Gleichgewicht der Worte“
„Stelle Dir doch einmal vor, dass, wenn zwei Menschen sich unterhalten,
neben ihnen eine überdimensional große Waage steht.
Über jeder der beiden Waagschalen wächst jeweils ein Haselnussstrauch, der eine magische Eigenschaft hat. Jedes Mal, wenn einer der beiden ein Wort spricht, fällt eine Haselnuss vom Strauch in die Waagschale auf seiner Seite.
Wenn die beiden sich prächtig unterhalten, prasseln die Haselnüsse wie Hagelkörner nur so in die Waagschalen.
Die Waage misst, ob die beiden zufrieden mit ihrer Unterhaltung sind.
Wenn die beiden sich gut verstehen, dann ist die Waage im Gleichgewicht.
Es ist nicht wichtig, ob sie beide viel oder wenig reden.
Wichtig ist nur, dass jeder etwa gleich viel redet.
Wenn die Waage aber im Ungleichgewicht steht, dann fühlt sich nur derjenige zufrieden, der viele Haselnüsse auf seiner Seite hat.“
Ihr Lieben,
ich hatte früher eine eigentlich sehr liebe Tante, die nur eine unangenehme Eigenschaft hatte:
Kam sie zu Wort, dann ergoss sich ein derartig heftiger und langandauernder Wortschwall, dass es nicht möglich war, sie innerhalb der nächsten halben Stunde zu unterbrechen.
Von einem Gespräch mit ihr konnte keine Rede sein.
Viele Eltern und Großeltern, die ich kenne, ähneln dieser Tante von mir.
Wenn sie ihren Kindern etwas Wichtiges sagen wollen, wenn sie deren Verhalten kritisieren oder sie auf etwas hinweisen wollen, dann sagen sie:
„Wir müssen einmal mit Dir reden!“
Aber in Wirklichkeit kommt es gar nicht zu einem Gespräch, sondern das Kind wird eine ganze Weile mit Worten geradezu überschüttet und hat gar nicht die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge darzustellen.
Dabei ist es so interessant und wichtig, auch unsere Kinder und Enkelkinder zu Wort kommen zu lassen. Denn sie haben uns oft so viel zu sagen und durch sie erfahren wir oft erst die wahren Hintergründe einer Angelegenheit.
Wenn wir außerdem bei unseren Gesprächen mit unseren Kindern und Enkelkindern nur auf diese einreden und diese nicht zu Wort kommen lassen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie mit ihren Problemen und Nöten nicht zu uns kommen, denn woher sollen sie dann wissen, dass wir ihnen dann zuhören werden???
Das Zuhören fällt uns allen so schwer. Wir haben oft schon so viele Wenns und Abers im Kopf, dass sich kaum ein Gespräch entwickeln kann.
Bei meinen Söhnen habe ich früher einen kleinen Trick angewandt, um mich selbst in den Griff zu bekommen:
Wir haben gemeinsam ein kleines stehendes Schild gebastelt, auf dessen einer Seite ein Stoppschild zu sehen war und auf dessen anderer Seite die Worte „Freie Fahrt“ standen.
So kam es, dass, wenn einer meiner Söhne redete, mir die Seite des Schildes entgegen leuchtete „Stopp“
So gelang es uns, die Gesprächsanteile gerecht zu verteilen und ich wurde dazu erzogen, meinen Söhnen wirklich zuzuhören.
Ihr Lieben,
ich wünsche Euch einen sonnigen Nachmittag und grüße Euch herzlich aus dem schönen Bremen
Euer fröhlicher Werner
Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt