Das Gift unter uns

Das Gift unter uns

500 Meter von der Bäckerei von Mathias Elshoff sollte der Turm aus kaltem Metall aufgebaut werden, ein Bohrturm der Firma ExxonMobil in dem kleinen Örtchen Nordwalde (bei Münster). Um Erdgas, genauer: Kohleflözgas, aus den festen Gesteinsschichten zu pressen, plante der amerikanische Mineralölkonzern dort einen Standort. Erdgas ist wertvoll – und manchmal in kleinen Äderchen im Erdreich verteilt. Das zu gewinnen – dafür haben die Konzerne, die Erdgas fördern, ein aufwendiges Verfahren entwickelt: Fracking, was auf Deutsch so viel wie «Aufbrechen» bedeutet.

Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien mehrere tausend Meter tief in die Erde gepresst: In Nordwalde wären es 1500 Meter, an einer weiteren Stelle in Niedersachsen, wo bereits gefract wird, sind es 4400 Meter. Die Mischung verteilt sich in den feinen Kapilaren unter der Erde, größere Risse entstehen: das kostbare Gas wird nach oben gedrückt und kann abgebaut werden. Was nach einer brillianten Idee klingt ist vor allem eines: hochumstritten.

Denn die verwendeten Chemikalien sind zum Teil hochgiftig, krebserregend. Zwar sagen Unternehmen, wie beispielsweise der französische Konzern GDF Suez, dass 98 Prozent des Gemisches aus Wasser besteht – aber Umweltschützer halten dagegen. Mehrere Tonnen des so genannten Fracfluides werden pro Durchgang in den Boden gedrückt – auch zwei Prozent Chemikalien sind in diesem Fall eine Menge – nämlich mehrere Tonnen. Mehrere tausend Meter liegen zwar zwischen der Stelle, wo gefrackt wird und dem Grundwasser. Aber ein Teil der chemischen Flüssigkeit bleibt im Erdreich. Wie sie sich verhält, das weiß man noch nicht genau. Fracking ist ein Experiment unter unseren Füßen.

Die Angst, dass Teile der Chemikalien in das Grundwasser gelangen, ist deshalb groß – ein Leck reicht, und die Säuren und Zusatzstoffe gelangen umgehend in das Wasser. 16 Interessengemeinschaften und Bürgerinitiativen haben sich mittlerweile zusammengeschlossen. Die Gruppe von Mathias Elshoff ist eine von ihnen. Auf der Seite www.gegen-gasbohren.de sammeln sie Informationen, Videos zeigen, was beim Fracking passieren kann: Brennendes Wasser, üble Dämpfe, Risse im Boden und leichte Erdbeben.

Die Ablehnung ist hoch – wie auch die Gefahren der Erdgasförderung

«Ich stelle die Behauptung auf, dass sich in jedem Ort, in dem gefrackt werden soll, eine IG/BI gründen wird», sagt er. Das Thema ist in Deutschland angekommen. 2009 kündigte ExxonMobil an, in Niedersachsen nach dem Erdgas zu suchen und es fördern zu wollen. Schnell gründeten sich Gruppen. «Anfangs gab es viele, die gemeint hatten, dass man das Gas um jeden Preis fördern sollte», sagt Mathias Elshoff und kann mittlerweile eine – selber geschätzte – Zahl von Unterstützern in seinem Heimatort nennen: Rund 95 Prozent sind gegen das Fracking in der Region. Die Angst vor dem Gift in der Tiefe ist groß.

In den USA, wo ExxonMobil, schon seit Jahren fördert, ist einer Studie zufolge das Grundwasser in der Nähe der Bohrtürme stark belastet. Von 26 Brunnen waren 13 so sehr mit Methan verseucht, dass das Wasser bei dem kleinsten Funken entflammte. «Nicht trinkbar» steht dort nun. Mathias Elshoff und seine Mitstreiter haben Angst, dass es auch in Deutschland soweit kommen könnte. «Die Unternehmen behaupten immer:  ‹So was wie in Amerika, kann hier nicht passieren, die haben dort viel laschere Gesetze.› Dazu muss man aber wissen, dass es hier in Deutschland die gleichen Konzerne sein werden wie in den USA.» Gefährlich sei die hohe Anzahl von Bohrstellen, die es den Behörden schwer macht, zu kontrollieren.

Polen will die Förderung vorantreiben

Aber was soll überhaupt kontrolliert werden? Fracking ist eine neue Technologie, für die es kaum Standards gibt. Matthias Groote, Abgeordneter der SPD im Europäischen Parlament und Mitglied des Umweltausschusses, fordert eine strengere Regelung: «Es darf keine Lücken mehr im Gesetz geben», sagt er im Gespräch mit news.de. Als ExxonMobile bereits 2008 in Damme mit Test-Bohrungen begann, wusste die Bevölkerung nicht Bescheid. Während sich in den tiefen Gesteinsschichten das Gift verteilte, ging das Leben seinen normalen Gang.

Um solche Vorfälle zu vermeiden, um größtmögliche Transparenz zu schaffen, hat das Europäische Parlament eine Studie in Auftrag gegeben. Das Parlament, zur Zeit unter polnischer Ratsherrschaft macht Druck: Polen möchte möglichst bald mit der Ausbeutung seiner Schiefergasvorkommen beginnen – mit Fracking. Das Land könnte mit den dadurch entstehenden Steuereinnahmen seine leere Staatskasse füllen.

Doch die Ergebnisse der EU-Studie zeigen: «Selbst bei ordnungsgemäßer Handhabung der Technik ist das Fracking mit erheblichen Gefahren für Umwelt und menschliche Gesundheit verbunden» heißt es. Ein von den Unternehmen immer wieder zu Rate gezogener externer Experte von der TU in Clausthal-Zellerfeld wurde gerade erst als begünstigter enttarnt: Seine Hochschule erhielt von ExxonMobil einen Hörsaal. Wissenschaftliche Unabhängigkeit sieht anders aus.

Matthias Groote pocht auf eine schnelle Regelung: «Die Lösung muss länderübergreifend stattfinden», sagt er. Viele der Bohrungen sind in Grenzgebieten, es bringe wenig, wenn das eine Land Fracking erlaube, das andere dies aber ablehne. Ohnehin: Die Diskussion um das Fracking, sagt der EU-Politiker, mache den Eindruck, dass es genug Gas gebe, um die Menschen weiterhin zu versorgen. Doch das stimme nicht: «Gutachter bezweifeln, dass der Vorrat an Schiefergas in Europa überhaupt groß genug ist, den sich abzeichnenden Rückgang der konventionellen europäischen Gasförderung auch nur annähernd auszugleichen.» Das eigentliche Ziel müsse deshalb sein, Gas einzusparen. Nicht, es aus der Erde zu pressen – auf Kosten des Grundwassers.

Quelle:
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Wirtschaft Nachrichten -
Fracking – Das Gift unter uns

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