Das Gegenteil von Griechenland

Es ist das Land der Kräne, ein letzter Hort rasanten Wachstums in einer Welt, die nur noch Untergang kennt. Natürlich glaubt der Rest der Erde, dass Dubai der Ort auf der Landkarte ist, an dem gegenwärtig die meisten Hotels gebaut werden. Vielleicht könnte es auch Schanghai sein oder igrendeine Stadt in Singapore, von der sowieso noch niemals ein Mensch gehört.
Das stimmt sogar, nur dass die Sarande mitten in Europa liegt. Hier, nur eine halbe Flugstunde entfernt von Griechenland, wo Kopfschütteln "Ja" bedeutet und Nicken "Nein", boomt der Bau, hier wächst die Wirtschaft, hier entstehen gegenwärtig und gleichzeitig mehr Hotels, Eigentumswohungen und Ferienanlagen als in Dubai und Hongkong zusammen. Dabei ist Sarande ein hässlicher Ort, eingeklemmt zwischen braune Hügel, von denen der Blick über ein Stück Adria geht, das man vor dem Sterben nicht gesehen haben muss. Wohl aber Albanien, augenblicklich das einzige europäische Land, das aber die Eurokrise und das Schuldendebakel der Nachbarstaaten nur milde lächelt. Albanien, seit 1912 unabhängig, bis 1990 aber eine eigenbrödlerische kommunistische Republik, lebt mit einem Haushaltsdefizit von zuletzt gerade mal 1,25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - ein Drittel dessen, was Deutschland verfrühstückt.
Dabei steckt die Republika e Shqipërisë, zu deutsche Republik der Skipetaren unter Premier Bamir Topi immer noch den schwierigen Umbau von einer Ruine der sozialistischen Planwirtschaft zu einer funktionierenden Marktwirtschaft bewältigen. Und das auf der Basis einer nicht vorhandenen Industrie, erkundeter, aber nicht erschlossener Rohstoffvorkommen und einer Bevölkerung, deren Durchschnittsalter bei knapp über 30 Jahren liegt.
Ein Problem, aber auch eben auch ein Vorteil im Vergleich zum "alten Europa" (Rumsfeld), dessen allmählich vergreisende Bevölkerung etwa in Griechenland durchschnittlich fast 43 Jahre alt ist. Albanien, das mit dem Lek die eigene Währung hat, die die griechischen Nachbarn so gern wieder hätten, bildet sich noch Zukunft ein, gerade in Sarandé, dem einzigen größeren Ort an der Adriaküste. Keine Straße hier, in der nicht Bagger brummen, Kräne sich drehen und Bauarbeiter gemessenen Schrittes ihrer Arbeit nachgehen. Gebaut werden Hotels mit zehn, 30 oder auch mal 60 Zimmern, vor allem aber Eigentumswohnungen, die die Käufer als Ferienappartments zu vermieten hoffen. Der Quadratmeter Wohnraum in zweiter Reihe mit direktem Balkonblick auf die Bucht kostet derzeit 450 Euro, eine weitläufige Wohnung mit zwei großen Zimmern, Küche und Bad mit Seeblick auf 100 Quadratmeten gibt es schon ab 40.000 Euro.
Kein Geld, besonders nicht für die vielen Albaner, die im Ausland leben und die Perspektive von Sarandé sehen. In zehn, spätestens 20 Jahren wird der Ort, so spekulieren sie, zum Monte Carlo des landes geworden sein. Die Hügel ringsum, abgesehen von wenigen Pionierbauten derzeit noch kahl und leer, werden dann voller Villen und Appartmenhäuser stehen, der Tourismus, der im Moment nur 1,3 Milliarden Euro pro Jahr ins Land spült, wird dann fünf- oder zehnmal soviel Umsatz und Gewinn bringen. Entsprechend viel teurer werden dann Ferienwohnungen in bester Lage direkt oberhalb des zur Zeit noch wenig einladend wirkenden Kiesstrandes sein.
Erst recht, wenn Liebhaber der Vogeljagd erst erkennen, welch ein Traumland Albanien ist. Das Mutterland der Blutrache, die tief in den Bergen angeblich bis heute konsequent ausgübt wird, liegt direkt an der Adria-Zugroute von Kranich, Löffler und etlichen Greifvogelarten. Nach einem anstrengenden Flug über das Mittelmeer kommen die Tiere völlig erschöpft an der Küste an, wo sie bereits sehnsüchtig von Jägern erwartet werden: Zwei Millionen Tiere werden in Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und eben in Albanien jedes Jahr erlegt, völlig im Einklang mit Recht und Gesetz, die sich hier noch eher weniger an den Vorgaben der EU-Vogelschutzrichtlinie orientieren.
Auch die Bauvorschriften sind nicht die von Bielefeld und Grimma, dafür aber wird hier noch gebaut, wo dort nur noch der Rückbau finanziert werden muss.
Andere Länder, andere Sitten: Wo die Dämonen wohnen


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