Aus der Herzessenz des weiten Raumes: Das Wunschgebet zu Grund, Pfad und Frucht
Aus dem Rinchen Terdzö; Band 107 (ne), Seite 464 – 466
© Übersetzung: Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2015)
Den glorreichen Samantabhadra verehre und lobpreise ich!
Die wahre Natur der Dinge ist natürlich frei von konzepthaften Vorstellungen. Sie existiert nicht, da selbst die Siegreichen sie nicht einmal sehen. Weder existent, noch nichtexistent, ist sie der Grund von Samsara und Nirvana. Da besteht kein Widerspruch, weil dies jenseits des Bereichs des Ausdrucks liegt. Mögen alle diese Große Vollkommenheit erkennen, die wahre Natur des Grundes! Weil er in seiner Essenz leer ist, ist er frei von den Begrenzungen der Dauerhaftigkeit.
Da er in seiner Natur klar ist, ist er frei von den Begrenzungen des Nihilismus. Seine Ausdruckskraft ist ungehindert, da er der Grund für die vielfältigen Emanationen ist. Er ist geteilt in drei, dennoch gibt es in Wahrheit keine solchen Unterscheidungen. Mögen alle diese Große Vollkommenheit erkennen, die wahre Natur des Grundes. Unvorstellbar und frei von allen Zuschreibungen. Einseitiges Fixieren, ob Dinge existieren oder nicht existieren, löst sich vollständig auf. Diese vollständige Bedeutung lässt sogar die Zunge der Siegreichen schwach werden. Ohne Anfang, Mitte oder Ende ist es eine große Weite tiefer Klarheit. Mögen alle diese Große Vollkommenheit erkennen, die wahre Natur des Grundes! Seine Essenz ist unberührt, ungeboren und ursprüngliche rein.
Was immer sich manifestiert, ist der Ausdruck dieser nichtbedingten, spontanen Präsenz. Ohne dies als anderes wahrzunehmen, indem man die große Einheit von Präsenz und Offenheit erkennt, wird das eigene Verständnis des Grundes den Gipfel erreichen. Möge es keine Abweichungen und Fehler hinsichtlich dieses entscheidenden Punktes auf dem Pfad geben!
Rein von Anbeginn, existiert nicht einmal der Begriff „Sicht“. Gewahr des ursprünglichen Zustandes fällt die Hülle der Meditation ab. Es gibt kein Festhalten an Konzepten, deshalb ist es auch nicht nötig, das eigene Verhalten aufzugeben. In der spontan präsenten Natur ist dieser Zustand nackte Einfachheit. Möge es keine Abweichungen und Fehler hinsichtlich dieses entscheidenden Punktes auf dem Pfad geben. Ohne in die Parteilichkeit hinsichtlich guter oder schlechter Gedanken zu fallen und ohne zügellos in einen Zustand indifferenter Neutralität zu verfallen, sind Erscheinen und Befreien eine Weite uneingeschränkter, unbändiger und spontaner Freiheit und man versteht, dass die Natur an sich frei von annehmen und zurückweisen ist. Möge es keine Abweichungen und Fehler hinsichtlich dieses entscheidenden Punktes auf dem Pfad geben. Genauso wie der Raum ist das Gewahrsein der universelle Grund und der Ausgangspunkt. Der manifeste Grund ist spontan präsent, aber löst sich wie die Wolken am Himmel auf.
Der Geist strahlt aus, projiziert nach draußen und kehrt nach innen zurück zum inneren Raum des jugendlichen Vasenkörpers, ausgestattet mit den sechs einzigartigen Merkmalen. Mögen alle den Thron dieser majestätischen Verwirklichung ergreifen. Seit allem Anbeginn ist Gewahrsein Samantabhadra selbst. Darin löst sich alles Hoffen auf Errungenschaften in den Raum auf, das wahre Merkmal der Großen Vollkommenheit, jenseits von allem absichtlichen Bemühen.
Der Bereich von Wirklichkeit und Gewahrsein, der innere Raum von Samantabhadri – mögen alle den Thron dieser majestätischen Verwirklichung erlangen. Gänzlich ohne Verweilen ist der Große Mittlere Pfad (Madhyamaka). Alles umfassend und spontan groß ist der Zustand des Großen Siegels (Mahamudra). Frei von Begrenzungen und offene Weite ist der entscheidende Punkt der Großen Vollkommenheit (Mahaati). Die Verwirklichung der Stufen und Pfade ist in der grundlegenden Natur vollkommen spontan präsent. Mögen alle den Thron dieser majestätischen Verwirklichung ergreifen!
Dieses tiefgründige Gebet, das eine Zusammenfassung des Siegels der Quintessenz der großen Weite ist, wurde auf Geheiß des Beschützers der Lehren, dem Rishi Rahula, der die Gestalt eines Mönchs annahm, niedergeschrieben. Um die Verbreitung der tiefgründigen Realität bedeutsam zu machen und dieses Gebet des wechselseitigen Bestehens zur Vollendung zu bringen, öffnete ich dem verrückten Yogi von Kongpo das tiefgründige Siegel und vertraute es diesem geheimen Meister des Gewahrseins an, der selbst von Akashagarbha gesegnet worden war. Möge sein Nutzen für die Wesen gleich dem Raum sein!