Greider (Sam Riley) gibt sich erst einmal als harmloser Fotograf aus.
Darf man schlecht von einem Film sprechen, der von aller Welt geliebt wird? So oder so ähnlich kreisen die Gedanken um Das finstere Tal von Regisseur Andreas Prochaska, der dieser Tage von umjubelten Rezensionen gefeiert wird: „Es ist ein todernstes Spiel. Die Kulisse ist gewaltig, Menschen verlieren sich darin, müssen mit Gewalt in die Großaufnahme gezogen werden. Der Rhythmus ist fein. Keine Tümelei geduldet“ heißt es bei Elmar Krekeler in Die Welt. Bei Spiegel Online schreibt Thomas Andre, dass „deutschsprachiges Genrekino [selten] so gut ausgesehen [hat]. Und so gewaltig“. Aber vielleicht liegt hier auch der Clue verborgen. Bei all den romantischen Firlefanz, den Schweiger und Schweighöfer abliefern auf der einen Seite und den schweren Gefühlsdramen von Dresen, Akin, Glasner und vielen mehr auf der anderen Seite, ist jede Abweichung von der deutschen Kinofilm-Norm eine scheinbar positiv aufzunehmende Überraschung. Da sei auch Tim Fehlbaums Hell angesprochen, der 2011 den Endzeit-Horrorfilm in die deutschen Landen brachte. Und Das finstere Tal? Das wirkt tatsächlich wie ein deutscher Versuch amerikanisches Kino zu machen. Es bleibt aber beim Versuch.
Zuallererst ist da Sam Riley, der britische Lone Wolf in Das finstere Tal, der prädestiniert für eine deutsche Rolle scheint, lebt er doch seit 2009 mit der deutschen Schauspielerin Alexandra Maria Lara liiert in Berlin. Zuhause wird sicher Deutsch gesprochen, so beinahe perfekt kommt es ihm jedenfalls über die Lippen. Und auch wenn er schon mit eben genannten Schweighöfer in RubbeldieKatz arbeitete, sieht man das wirkliche Talent Rileys doch eher in Filmen wie Control und zuletzt On the Road. Das soll aber gar nicht so sehr abwertend klingen, denn gerade Riley und sein filmischer Bösewicht-Gegenpart Tobias Moretti liefern sich ein klassisches Auge in Auge Duell als Täter und Opfer – ersterer auf einem Rachefeldzug, letzterer als skrupellos brutaler Schleimbolzen, als hätte er gar nie mit Kommissar Rex auf der guten Seite des Gesetzes gestanden.
Tobias Moretti (rechts) ist der fiese Brenner
Der erste Satz der Filmzusammenfassung liest sich wie eine jede Einführung in den klassischen Western: „Ein düsteres Geheimnis, ein entlegenes Hochtal und ein schweigsamer Fremder“, das ist dann Sam Riley als Greider, der irgendwo in den Alpen in ein kleines Dorf einreitet, wo ihn niemand willkommen heißen mag. Hier herrscht das scharfe Auge des Bauern Hans Brenner (Moretti), der über die Leben seiner Dorfbewohner entscheidet. Nur eine wohl gemeinte Menge an Goldmünzen überzeugt Brenner, den Fremden nicht sofort wieder fortzujagen. Doch das hätte er vielleicht besser getan. Die Goldgier wird ihm zum Verhängnis, denn Greider hat eine alte Rechnung mit der Brenner-Familie zu begleichen.
Hier kommen dann einige brutale Sequenzen ins Spiel, in denen der Brenner-Clan minimiert wird. Es wirkt trotz scheinbarer Tarantino-Hommage seltsam deplatziert, wenn diese Brutalität hier Einzug hält. Es wird gänzlich ohne die für Tarantino typische comichafte Überästhetisierung gearbeitet, während der Film selbst sich hinter der verschneiten Weite der Landschaft und Ruhe der Inszenierung versteckt. Das Gezeigte müsste nicht gezeigt werden, hier läge die Kunst der Abstraktion, mit der in diesem winterlichen Stillleben die Vorstellungskraft des Zuschauers weitaus mehr hätte angeregt werden können.
Sam Riley in Das finstere Tal
Ein schöner Schnitt, bei dem einer der Brenner Brüder von einer Klippe stürzt und der näher kommende Erdboden im nächsten Moment durch ein paar Hände durchbrochen wird, die sich in einer mit einer Eisschicht überzogenen Schüssel voll Wasser den Schmutz von der Haut waschen wollen, erzeugt ein markerschütterndes Klirren von Knochen, eigentlich Eis. Solcherlei filmästhetische Spielereien kommen viel zu kurz, obwohl der Regisseur dieser wohl mächtig gewesen wäre. Manches Mal wird Sam Riley glorifizierend in Szene gesetzt, in Zeitlupe darf er seine Waffen auf die fiesen Bösewichte abfeuern oder er wird von stilbrechender Musik begleitet, die mal eben die gesamte Western-Atmosphäre zu Nichte macht.
Das finstere Tal hätte ebenso im öffentlich rechtlichen Abendprogramm laufen können wie Die Pilgerin, Die Hebamme und Konsorten. Dann hätte man es allerdings wohl eher lobend erwähnen müssen, dass es endlich einen deutschen Fernsehfilm gibt, der sich einiger weniger stilistischer Kinomittel bedient. Man muss sich sicherlich erst sortieren, wenn man das Kino verlässt, aber es bleibt doch dabei: Trotz der offensichtlichen Orientierung am US-Film (was nicht nötig gewesen wäre), verbleibt man in einer absonderlichen Form des deutschen Films, vermischt grundsätzlich verschiedene Atmosphären und hat damit ein Werk für „irgendwie zwischendrin und nichts von beiden so wirklich richtig“ geschaffen.
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: A / D, 2013
Länge: ca. 114 Minuten
Regie: Andreas Prochaska
Darsteller: Sam Riley, Tobias Moretti, Paula Beer, Thomas Schubert
Kinostart: 13. Februar 2014
Im Netz: dasfinsteretal.x-verleih.de