Das Europa der abgehängten Regionen

Die Politik in den Ländern der Europäischen Union führt wie in vielen Artikeln und an zahlreichen Beispielen aufgezeigt, zum sozialen Kahlschlag. Die empörten Portugiesen, Spanier, Italiener, Bulgaren und Griechen machen auf den Demonstrationen lautstark darauf aufmerksam, was die Ergebnisse sind:  Enteignung der Lebensleistungen ganzer Generationen, Ausverkauf des Staatseigentums, soziale Demontage bei hoher Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen, berufliche Perspektivlosigkeit und Abwanderung der jungen Menschen bei immer weiterem Voranschreiten der Unterwanderung noch vorhandener demokratischer Elemente.  (1)

Gauck beschwört Europa – doch schon auf kommunaler Ebene geht bald nichts mehr

Das Europa der abgehängten Regionen

Für Gauck sind EU-Kritiker Populisten

Der deutsche Präsident Joachim Gauck sagte in seiner Europa-Rede gestern: “Europa braucht jetzt nicht Bedenkenträger, sondern Bannerträger, nicht Zauderer, sondern Zupacker, nicht Getriebene, sondern Gestalter.” (7) Doch welche Gestaltungsspielräume bieten diese EU-weiten Strukturen überhaupt? Welche demokratischen Mitspracherechte haben die Bürger noch?

Vor Ort in den kommunalen Parlamenten, an den Wohnorten der Bürger Europas wird bald aus Geldmangel überhaupt nichts mehr entschieden werden, sondern nur noch ausgeführt. Die Deutschen gehen nicht auf die Straßen. Solange “der Kühlschrank noch voll ist” und die Sportschau gesendet wird, die Not hauptsächlich “die anderen” betrifft, scheint in Deutschland die unausgesprochene Parole zu lauten “Augen-zu-und-durch”.

Ein Europa mit Regionen, die am Krückstock gehen

Im Süden Europas wird bereits kaputtgespart, was das Zeug hält. Die Entwicklungen in den südlichen Ländern Europas nehmen vorweg, was z.B. mit den “Schuldenbremsen” in Deutschland eine Entsprechung finden wird. Mancher wird sich in den kommenden Jahren noch verwundert die Augen reiben, wenn deutsche Kommunen nicht einmal mehr für das Nötigste Geld haben und von Land und Bund wie von einem Insolvenzverwalter regiert werden. Das Ende der “kommunalen Selbstverwaltung” ist faktisch längst beschlossen. Wen die Bevölkerung in ihre kommunalen Parlamente wählt, ist schon bald noch bedeutungsloser als bisher. Die Person oder eine Parteizugehörigkeit des Bürgermeisters, Stadt- und Landrats ist nicht mehr von größerer Bedeutung, wenn es keine Spielräume mehr gibt. Für kulturelle und soziale Errungenschaften, die sogenannten “Freiwilligen Leistungen” wird kaum noch öffentliches Geld vorhanden sein. Gleichzeitig leisten sich die Parlemente eher mehr als weniger Abgeordnete, die über Entscheidungen debattieren werden, für die es in den seltensten Fällen eine wirkliche Wahl gibt. Das Regionale wird zunehmend bedeutungsloser, über die Finanzen in Sachzwängen gefangen gehalten und damit letztenendes zentral gesteuert.  Die wirklich Zuständigen und Entscheidungsträger sind weit entfernt in Berlin, Brüssel und Straßburg und nicht greifbar. Petitionen der Bürger verpuffen wirkungslos.

Das Europa der abgehängten Regionen

Demokratie-Defizit: Die EU-Bürger und ihre Anliegen

Landflucht und Kollaps der Ballungsräume

Längst schon müssen sich die gut ausgebildeten junge Menschen in die städtischen Ballungszentren orientieren, wenn sie berufliche Karriere machen wollen. Diese Abwanderung führt innerhalb Deutschlands für die Benachteiligung des ländlichen Raums. Gut ausgebildete Arbeitskräfte verlassen die Regionen, die ländliche Infrastruktur hat längst Risse bekommen, nicht nur im Asphalt. Die Entwicklung hin zum Kollaps der Zentren nimmt seit Jahre seinen Lauf – nicht zuletzt dank der Zuwanderung aus den verarmten, kaputtgesparten europäischen Regionen. Nicht jeder Zugewanderte ist jung und kann mit passgenauer Ausbildung und Sprachkenntnissen punkten. “Gestrandet in Hamburg” heisst ein Artikel der Hamburger Morgenpost, der ein Thema aufgreift, das uns zukünftig noch stärker beschäftigen muss, politisch und gesellschaftlich: Sozialer Absturz in Europa. Kein Wort davon in der Gaucks Europa-Rede.

In ganz Portugal wird demonstriert

In Portugal jedenfalls, wurde am letzten Samstag in 24 Städten demonstriert. Wie üblich wird dies -wenn überhaupt- bei den großen Sendern in Deutschland kaum erwähnt, egal ob öffentlich rechtlich oder privat. Die Wirtschaft des ärmsten Landes Westeuropas ist im Jahr 2012 noch viel stärker eingebrochen als befürchtet. Jetzt spitzt sich die Lage nicht nur dort immer stärker zu.

Unter dem Motto “Gegen die Verarmung und gegen die Ausbeutung” demonstrierten die Unzufriedenen am Samstag in 24 Städten. CGTP, die größte Gewerkschaft des Landes, hatte zu den Kundgebungen aufgerufen. Viele Portugiesen sind wütend: “Wir haben keine Regierung. Wir werden ausgeraubt und deswegen bin ich hier, um zu zeigen, dass ich genug habe. Es reicht! So kann es nicht weiter gehen.” (2)

Das Europa der abgehängten Regionen

“So kann es nicht weiter gehen” – Demonstrationen in ganz Portugal, Euronews

Italiens Süden: Schon lange abgehängt

Schon seit einiger Zeit ist die Wirtschaft in Süditalien schwach. Haupteinnahmequelle ist die Landwirtschaft: Orangen- und Gemüseanbau, Erdbeeren und etwas Tabak.  Das große Geld wird dort nicht verdient und in Zeiten des globalisierten Handels ist der Druck auf die Bauern hoch. Ohne Schwarzarbeit geht schon lange gar nichts, 20Euro ist die karge Tagesentlohnung für die harte Schwarzarbeit auf den Feldern Süditaliens, wobei ein nicht unerheblicher Teil des erwirtschafteten Geldes in die Taschen mafiöser Strukuren läuft, was ein weiteres bis heute ungelöstes Problem darstellt.
Tausende vor allem junge Süditaliener ziehen jedes Jahr in den Norden Italiens und ins europäische Ausland auf der Suche nach Arbeit. Doch die Lage wird immer angespannter:

Jahrelang bewegte sich die Jugendarbeitslosigkeit in Italien zwischen 20 und 25 Prozent. Doch mittlerweile ist sie in kürzester Zeit auf 37 Prozent gestiegen – parallel dazu explodiert die Schwarzarbeit: das bedeutet keine Sozialleistungen, keine Altersvorsorge, keinen Rechtsschutz – und die Möglichkeit, von einer Stunde auf die andere umstandslos gefeuert zu werden. (2)

Eine Botschaft aus Spanien

“Die privaten Schulden der Banken wurden in öffentliche Schulden umgewandelt. Die Bänker und Politiker haben die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert. Unsere Rechte, der öffentliche Dienst, ja, und die Demokratie selbst, sind in grosser Gefahr.”  (5)

.
Das abgehängte Bulgarien ist das ärmste Land der EU

Bulgarien ist das ärmste Land der EU. Die Strompreise haben sich dank eines “Europa der Banken und Konzerne” in kürzester Zeit vervielfacht. Die meisten Bulgaren heizen mit Strom und wer seine Rechnungen nicht bezahlen kann, der friert in diesem kalten Winter. Die Regierung trat zurück, die “Gestaltungsspielräume” der konservativen Regierung waren wohl zu gering. Denn auch die Regierung dieses Landes ist in seinen Abhängigkeiten so gefangen, dass mancher Bürger Bulgariens auf den Demonstrationen sich die korrupte Zeit des “Sozialismus” vor der Wende zurückwünscht.

Bulgariens Bevölkerung erlebte in einer rasanten Phase, wie plötzlich aus alten sozialistischen Kadern eine Schicht von Turbokapitalisten entstand, während sie selber kaum das Nötigste zum Leben aufzubringen im Stande waren. (9)

Diese vielen Fehlentwicklungen innerhalb der Länder Europas, von den ehemaligen Blockstaaten bis zu den strukturellen Problemen in den südeuropäischen Ländern, können nicht durch die vielen “Gemeinplätze” wie sie unser Bundespräsident Gauck in seiner Rede aussprach gelöst werden. Die vorschnelle wirtschaftliche Vereinigung von Ländern hat die dortigen internen Probleme durch eine gemeinsame Währung und ein gemeinsames Parlament nicht beseitigt, es hat sie verändert, sogar verschärft und strukturelle demokratische und soziale Defizite aufgebaut. Die Schere zwischen Arm und Reich, armen und reichen Ländern klafft immer weiter auseinander.

Es ist kaum anzunehmen, dass die finanziellen Anstrengungen der Bevölkerungen, die Steuermilliarden, der Fleiss, die Arbeit, das Sparen und Bescheidenheit oder Eurobonds, diese europäischen Defizite jemals beseitigen kann und den Prozess des Auseinanderdriftens stoppen wird.

Ein “Bannerträger” für ein Europa der Bürger, wie des die Spanier in ihrem emptionalen Aufruf fordern, das wäre eine lohnenswerte Sache. Es erinnert an Forderungen des Bundschuh und der französichen Revolution.
Gaucks bürgerfernes, visionsloses Europa der Konzerne, der Parteien, der Defizite und der abgehängten Regionen verweigern sich immer mehr Menschen.

.

Leser-Telefon:
Sagen Sie Ihre Meinung! Ihr Leser-Telefon:


Quellen – weiterführende Links

(1) Katastroika – Privatisierung von Staatseigentum – Ein Angriff auf die Demokratie und auf Europa
(2) Zum Beitrag: “Neue Massenproteste gegen Sparpolitik in Portugal”, Euronews
(3) SRF, Hörpunkt http://drs.srf.ch/www/de/drs1/sendungen/hoerpunkt-150-jahre-italien/240750.bt10166851.html
(4) Video: Italien Youtube.com, uplaoder Euronews.de
(5) Politropolis.de: Eine Botschaft der Spanier
Foto: Gauck - The copyright holder of this file, http://www.dts-nachrichtenagentur.de, allows anyone to use it for any purpose, provided that the copyright holder is properly attributed. Redistribution, derivative work, commercial use, and all other use is permitted. Quelle: http://www.dts-nachrichtenagentur.de
(6) Satire: Der EU-Petitions-Schredder (c) politropolis.de
(7) Spiegel-Online, Gauck Zitat – Europarede
(8) Hamburger Morgenpost: “Gestrandet in Hamburg”
(9) Bulgarianders: Bulgarien nach der Wende
(10) Video “Bulgarische Regierung tritt zurück”, von euronewsde auf deren Youtube-Channel


wallpaper-1019588
1500 Kalorien am Tag – Ihr Plan fürs Abnehmen!
wallpaper-1019588
1500 Kalorien am Tag – Ihr Plan fürs Abnehmen!
wallpaper-1019588
Wenn das Neue lockt: Shiny New Object Syndrome im Online-Business
wallpaper-1019588
KiVVON: Der Game-Changer für Content-Creators