Der Euro war eine Fehlgeburt. In dieser Einschätzung sind sich die Beobachter hierzulande inzwischen relativ einig. Allerdings ist gerade in Deutschland die Zahl derer groß, die meinen, da müsse man nun durch – koste es, was es wolle. Viel Naivität ist hier im Spiel, vor allem bei der Politik. Auf europäischer Ebene ist das Handeln hingegen weniger von Naivität bestimmt, als vielmehr von Kalkül. Und alle – Schuldenmacher wie Schuldenfinanzierer – eint das Ziel, die eigene Bankenclique rauszupauken, so gut es geht. Da steht Deutschland Franzosen und Spaniern in nichts nach. Und so dreht sich seit drei Jahren unaufhaltsam die Abwärtsspirale angeblicher Euro-Rettungsmaßnahmen, an deren Ende die gewaltigste staatlich organisierte Vermögensvernichtung aller Zeiten stehen dürfte. Immer schneller, immer intransparenter und auf immer weniger demokratische Legitimierung gestützt, entscheiden nurmehr ein paar Politiker über dreistellige Milliardenbeträge im Euro-Glücksspiel. Einen weiteren Schritt hin zum Abgrund haben die Finanzminister der Eurozone am frühen Freitag Morgen gemacht. Sie haben in einer Nacht- und Nebelaktion handstreichartig die direkte Finanzierung notleidender Banken aus den Mitteln des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) beschlossen – und dies sogar rückwirkend. Dafür müsste man ihnen sehr viel mehr um den Hals binden als den „Klodeckel des Tages“, den aber jedenfalls so fest, wie es nur geht. Monatelang war es recht still geworden um die Rechtsbrüche der Europäischen Zentralbank, um die Umverteilung der Schulden von den Banken auf die Staaten und um die immer größere Gewissheit, dass die gegebenen Bürgschaften deutscher Steuerzahler zu tatsächlichen Milliardenverlusten führen werden. Erst die mündliche Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts vor zwei Wochen und die jüngsten Nachrichten aus den Krisenländern haben der Euro-Diskussion neues Leben eingehaucht. Immer mehr Menschen schwant, dass der beschrittene Irrweg die Lage nicht verbessert, sondern verschlimmert. Die Euro-Finanzminister schert das wenig. Diese nutzen die Gunst der Stunde, um mit dem ebenso allmächtigen wie antidemokratischen ESM ihr eigenes Staatswesen auf Kosten der Gemeinschaft zu sanieren. In diesem Bestreben sind sie mit dem jüngsten Beschluss ein gutes Stück vorangekommen: Der ESM darf künftig bis zu 60 Milliarden Euro an pleitegefährdete Banken verschenken, die derzeit bei ihren Staaten in der Kreide stehen. Er wird quasi zum Bankenrettungsfonds umgebaut, wodurch die Steuerzahler Europas ab sofort auch ganz offiziell für die Spekulationsverluste der Banken aufkommen. Da ohnehin längst jedes Vertrauen verspielt ist, sparen sich die „Euro-Fighter“ also fortan den bonitätsgefährdenden Umweg der Hilfen über die eigene Staatskasse. Die eher unverdächtige Bezeichnung der „direkten Bankenrekapitalisierung“ soll dabei die Ordnungsmäßigkeit der Fehlverwendung von Steuergeldern suggerieren. Es ist eine Schande, dass ein Kontinent voller Demokratien dies alles einfach geschehen lässt. Wir rühmen uns unserer entwickelter Staatswesen und rümpfen die Nase über korrupte oder autoritär geführte Länder östlich von uns. Doch wie viel besser kommen Europas Politiker in der Beurteilung der Frage weg, wie es um ihr eigenes Demokratieverständnis bestellt ist? Im Würgegriff der Banken setzen sie die Errungenschaften von sechs Jahrzehnten aufs Spiel und legen die Basis dafür, dass sich nach dem unvermeidlichen Euro-Zerfall radikale Kräfte der zerstörten Demokratien bemächtigen. Den „Euro-Rettern“ ist ihr Eintrag in die Geschichtsbücher damit heute schon sicher.
Lesen Sie dazu auch: “Finanzminister lehnen neue Zypern-Hilfe ab” (RP ONLINE, 21.06.2013)
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