Der straff durchstrukturierte Schulalltag liegt ihm sehr und kommt seiner Persönlichkeit, die viel äußere Struktur und einen festen vorhersehbaren Rhythmus braucht, entgegen. Alle an ihn gestellten Anforderungen konnte er erfüllen, ohne sich verbiegen oder besonders anstrengen zu müssen. Er ist kein Überflieger und es fehlt ihm oft an intrinsischer Motivation, sich selbst etwas beizubringen, aber er macht das, was verlangt wird, mit Freude und Leichtigkeit, ja, er ist dankbar darüber, wenn jemand ihm sagt, was er zu tun hat. Besonders freue ich mich darüber, dass er in seiner Klasse sehr beliebt ist und von seiner Lehrerin und Horterzieherin in seinem Wesen gesehen und wertgeschätzt wurde. Es ist sehr wichtig für seine Lernbereitschaft und Schulfreude, dass er sich wohlfühlt und in seinem vertrauten Umfeld ist.
Die Hausaufgaben erledigt er glücklicherweise täglich im Nachmittagshort, was mich sehr entlastet, weil ich Sorgen hatte, wie ich ihn dazu nach der Schule und mit der Kleinen an Bein motivieren sollte. Es macht bei ihm einen großen Unterschied, ob die Eltern oder Außenstehende etwas von ihm wollen. Zu den kleinen Leseübungen zuhause, die eigentlich nicht mehr als 5 Minuten kosten, kann ich ihn leider nur schwer überreden. Er windet sich und diskutiert herum, dabei wäre das so schnell erledigt. Er übt nicht selbstständig und hat auch nicht den Drang, noch mehr zu lernen als das, was gefordert ist, ja, er ist sogar oft genervt, wenn wir ihm etwas Neues beibringen wollen. Insofern bin ich dankbar, dass der Großteil der Arbeit noch in der Schule erledigt wird.
Er hat schnell Freunde gefunden und ist integriert in den Kreisen seiner Altersgenossen. Da seine Klasse jahrgangsübergreifend ist, hat er auch Kontakt zu den Zweitklässlern bekommen. Insgesamt ist er in diesem Jahr unglaublich offen und selbstbewusst geworden, es ist der Wahnsinn, wie schnell er jetzt auch mit fremden Kindern eine Beziehung aufbaut und wie angesehen er ist. Lange Zeit mussten sämtliche Kontaktaufnahmen über uns Eltern laufen, jetzt findet er auch im Urlaub und auf dem Spielplatz meist schnell Spielgefährten. Besonders rührend ist, wie er in der Kita empfangen wird, wenn wir die Kleine abholen kommen: er wird sofort ins Fußballspiel integriert und kaum wieder hergegeben.
Dass er jetzt schreiben kann und wie er diese neue Fähigkeit nutzt, darüber habe ich in meinem Text Kleine Botschaften geschrieben. Wahnsinnig faszinierend und bewegend für mich! Rechnen konnte er schon vorher ganz gut, lesen kann er mittlerweile langsam, aber recht sicher, macht das aber nur ungern. Laut seiner Aussage ist er der erst- oder zweitbeste Erstklässler seiner Klasse. Als Zeugnis erhielt er eine 4-seitige Einschätzung ohne Noten, aber mit Kreuzen bei "besonders aufgeprägt, "gut ausgeprägt" etc., sortiert nach Bereichen und Fähigkeiten. Leider gab es keine Beurteilung in Textform, es hätte mich interessiert, wie seine Lehrerin über ihn schreibt. Unser einmaliges Elterngespräch mit ihr verlief seinerzeit sehr positiv und wertschätzend.
Ich und die Schule
Und wie bin ich selbst im System Schule und im Alltag einer Schulkindmutter angekommen? Ich muss sagen, das Schreckgespenst Schule hat mittlerweile seinen Schrecken verloren und ich habe meinen Frieden damit geschlossen, dass nun meine Kinder eines nach dem anderen in diesem Kreislauf drin sein werden. Mit einigen Dingen hadere ich immer noch, z.B. mit dem Thema des frühen Förderunterrichts, das uns zum Glück nicht betraf, aber andere Erstklässler durchaus beeinträchtigte und demotivierte. Ich hadere mit dem späten Mittagessen und dem Essensangebot, ich war teilweise echt entsetzt, wie selten und kurz im Winter rausgegangen wurde, und die relativ kurzfristig angesetzten Schließtage wegen Weiterbildung stellen berufstätige Eltern auch immer wieder vor Herausforderungen. Ansonsten fühle ich mich mittlerweile heimisch in der Schulumgebung und auch im Schulalltag.
Ich bin froh, dass wir uns für die wohnortnahe Einzugsgrundschule entschieden haben. Es ist nicht nur eine logistische Erleichterung mit zwei Kindern in unterschiedlichen Einrichtungen, sondern auch für die Kinder sehr wichtig, ihre vertrauten Wege zu gehen, sich in der Umgebung auszukennen und überall bekannte Kinder zu treffen. Bauchschmerzen bereitet mir lediglich die verkehrsreiche Straße, die er noch nicht allein überqueren soll, und schade finde ich, dass sich trotz guter neuer Freundschaften bisher kein neues soziales Netz gefunden hat, mit einem regelmäßigen Kindertausch, so wie es vor dem Wegzug seines besten Freundes der Fall war.
Er ist in der Schule angekommen - ich bin in der Schule angekommen. Das erste Schuljahr ist geschafft, es ist sehr schnell vergangen, viel schneller als die Kitajahre. Er hat viel neues gelernt, nicht nur in schulischer, sondern auch in sozialer und emotionaler Hinsicht. Er hat sich in einer neuen Umgebung und komplett anderen Struktur zurechtgefunden und diese Veränderungen großartig gemeistert. Er ist in jeder Hinsicht gewachsen und sehr viel offener und aufgeschlossener geworden. Insgesamt ist das Schuljahr für uns alle deutlich positiver verlaufen als erwartet und darüber sind wir alle froh.
Doch nun stehen erstmal 6 Wochen Sommerferien an, von denen der Große 4 Wochen auch tatsächlich frei hat. Er besucht die Großeltern, dann fahren wir in den Urlaub und danach haben wir ihn in einem Fußballcamp angemeldet, was er gern wollte. Die letzten beiden Wochen geht er in den Ferienhort, und dann wird er schon ein Zweitklässler sein. Unfassbar!