Das erste Mal in der Oper – Le Comte Ory von Rossini

Gerade erst im Klassische Musik für Einsteiger Vortrag gewesen, ZACK geht es schon in die erste Oper! Christoph Müller-Girod, der als Online Producer und Social Media Experte für das WDR Funkhausorchester am Start ist, las den Artikel und lud mich kurzerhand zur Opernvorstellung nach Dortmund ein.

Eins kann ich Euch sagen: In einer Oper zu sitzen und quasi per Auftrag twittern zu dürfen ist schon eine bizarre aber entspannte Angelegenheit. Jedenfalls bis zur Pause - dann machen plötzlich alle zighundert Besucher ihre Telefone wieder an und das Netz ist schlagartig mit dem letzten Ton der Musik überlastet und weg.

Hammerbesetzung mit einem der besten Tenöre der Welt

Das WDR Funkorchester ist manchen vielleicht noch durch den Star Wars Flashmob von 2012 ein Begriff. Damals stellten sich die Musiker inkognito in die Kölner Fußgängerzone und spielten vor den verdutzten Passanten auf einmal den Star Wars Main Theme. DaDaDa Daa Daa Di Da Da Daa Daa :) Hier das Making-of von damals.

Die Aktion zeigt sehr schön die Berufung des Orchesters: Die 50 Musiker_innen spielen Unterhaltungsmusik in einer Bandbreite, die europaweit einzigartig ist.

Mit dabei war auch der WDR Rundfunkchohr für die feine aber gleichzeitig druckvolle Gesangsunterstützung der Solisten. Wenn man noch nie einen Chor live gehört und dann auch noch mit einem solch erstklassigen Orchester gehört hat, dann zieht es einem erstmal die Schuhe aus.

Das Dortmunder Klangvokal Festival hatte zum Auftakt noch eine Schippe drauf gelegt und u.a. den als bester Sänger des Jahres ausgezeichneten Tenor Lawrence Brownlee aus den USA und die Sopranistin Jessica Pratt aus Australien auf die Bühne geholt.

Lässig: Während der einen Woche, die geprobt wurde, haben Dirigent Giacomo Sagripanti ( übrigens 2016 als bester Nachwuchsdirigent ausgezeichnet) und Tenor Lawrence Brownlee erstmal mal ne Runde Tennis gespielt:

Le Comte Ory - eine Spaßoper :)

Vorweg: Das ist so ein Stück, das einem mit tierisch viel Geschichte zwischen den Zeilen, die Ehrfurcht um die Ohren haut: Die Musik schrub Rossini zur Krönung König Karl X. für das Stück "Die Reise nach Reims". Das wurde aber nur 3 Mal aufgeführt, dann von Rossini zurück gezogen und er machte "Der Graf Ory" draus. In der Konzerteinführung wurde gesagt, Le Comte Ory sei der Höhepunkt von Rossinis Schaffen gewesen.

Das Opernhaus Zürich hier erklärt das Stück in 12 Minuten sehr schön:

Was mir so durch den Kopf ging war, wie krass das vor 190 Jahren gewesen sein muss: Wenn man wusste, ich kann dieses Stück JETZT UND HIER EINMAL hören und danach vermutlich nie wieder. Selbst wer ein Grammophon zu Hause stehen hatte, konnte sich ja nicht jedes Stück ins Regal stellen. Geschweige denn vervielfältigen. So sehr die ganzen digitalen Entwicklungen von der CD zu MP3 und zum Streaming der Musikindustrie Kopfzerbrechen machen: Ohne das hätte ich den Zugang zu klassischer Musik vermutlich heute noch nicht gefunden.

Die Inhaltsangabe liest sich wie eine typische Verwechslungskomödie und Eis am Stiel im Mittelalter der Kreuzzüge. Graf Ory muss scheinbar nicht in den Krieg ziehen und kann seine adelige Zeit statt dessen damit verbringen, hinter den (Stroh)-Witwen her zu sein.

So versucht er sich an die vermeintliche Witwe Adèle ranzuschmeißen. Erst als Eremit verkleidet, dann schleicht er sich mit seinen Ritter-Kumpels als Frauen verkleidet in Adeles Burg. Ziemlich plötzlich kommen dann die Kreuzritter doch innerhalb eines Tages wieder nach Hause. Orys Buddies haben den Weinkeller leer getrunken (gegen 20 Weinländer gleichzeitig gekämpft g), Ory gesteht der falschen Person seine Liebe (die eine Hosenrolle ist: Eine Frau in Männerkostüm) und dann hauen alle durch einen Geheimgang ab.

Nicht gerade die vielschichtigste Story, aber tatsächlich mit witzigen Stellen.

Allerdings habe ich irgendwann aufgehört, die deutsche Übersetzung mitzulesen, die per Beamer über die Bühne projiziert wurde und habe stattdessen einfach die Musik und die Akteure unten auf der Bühne genossen.

Bemerkenswert was für ein Tonhöhe und Lautstärke so Weltklasse Sopranistinnen und Tenöre erreichen können, ohne dass es einem unangenehm wird. Ganz im Gegenteil. Oper ist glaube ich wirklich etwas, das live nochmal viel emotionaler wirkt, als digital. Aber die schiere Lautstärke mit der die so einen RIESENSAAL mit Stimme füllen ist beeindruckend und das dann auch noch schön, virtuos und exakt hin zu bekommen, eine Hammerleistung.

Das Panorama kann nur andeuten, wie groß diese Halle ist!

Das erste Mal in der Oper – Le Comte Ory von Rossini

Hier könnt ihr mal kurz in die Proben reinschauen und Lawrence und Jessica hören.

Meine Beobachtungen in der Oper

  • Die Menschen waren ziemlich sommerlich und entspannt gewandet. Keinen einzigen Frack gesehen
  • Die Smartphone- und Tablet-Dichte im Publikum war erstaunlich hoch
  • In der Pause: Pausenticket holen und dahin gehen, wo das Verhältnis von Gästen zu Bedienung 5:1 statt 250:1 ist
  • Opernsänger haben sichtlich Spaß an ihrer Arbeit
  • Vor einem Konzert gibt es einen Einführungsvortrag, in dem Komponist, Stück und Mitwirkende vorgestellt werden
  • Konzerteinführer gab mir den Newbie-Tipp: Einfach auf sich wirken lassen

Aber wer ist denn eigentlich Rossini?

Ich hatte schonmal von den Opern Der Barbier von Sevilla und Othello gehört. Sonst brachte ich den Namen Rossini eher mit einem der besten Italiener hier in Bielefeld in Verbindung. Insgesamt hat Gioachino Rossini alleine 42 Opern geschrieben! Und seinen 225. Geburtstag hätte er dieses Jahr am 29.(!) Februar auch feiern können. Außerdem konnte er zu Lebenszeiten feiern, dass seine Mama ihn davor bewahrt hat, zum Gesangskastraten gemacht zu werden.

Neben seiner großen Produktivität ist mir vor allem eines aufgefallen: Sein Humor.

Kein Wunder, er schrob eine Menge komischer Opern. Aber viel witziger fand ich noch die Stücke, die er als "Alterssünden" bezeichnet hat bzw. vielmehr deren Titel:

Bemerkenswert aber auch, dass er offenbar zu Lebzeiten einen solchen Eindruck hinterließ, dass Giuseppe Verdi persönlich die 12 bedeutendsten Komponisten Italiens zusammen trommelte um mit ihnen ein Requiem - die Messe per Rossini zu schreiben. Die aus merkwürdigen Gründen erst 1988 das erste Mal aufgeführt wurde und sich so anhört:

1000 Euro für ein Buch mit Noten?!

Natürlich hab ich mich vorher ein bisschen informiert, was es mit Rossini so auf sich hat. Dabei stieß ich auch auf ein Buch mit Noten zum Stück, das vom britischen Barenreiter Verlag raus gegeben wurde. Als ich den Preis sah, dachte ich erstmal an ein Komma, das 2 Stellen zu weit nach links gewandert war.

Über 1000 Euro für ein Buch mit Noten klingt nach - naja sagen wir mal VIEL!

Ein bisschen Licht ins Dunkel brachte eine Mitlesende auf Twitter, die mein gemostetes Bild der Originalnoten von 1828 kommentierte und mich auf einen Artikel der New York Times hinwies. Dort hab ich dann gelernt, dass fast 180 Jahre lang nicht die Original-Noten der Uraufführung im Umlauf gewesen sind, sondern eine vereinfachte Version für Provinztheater.

Die Originalversion wurde aufwändig restauriert und re-engineered. Und der Batzen Arbeit, der da drin steckt, spiegelt sich eben in einem 1.000 Euro Buch wieder. Wieder was dazu gelernt.

Für sowas liebe ich ja das Internet

Auf Twitter bin ich ja hemmungslos und hatte schon 2 Tage vor dem Konzert angefangen mit den Sängern und dem Dirigenten zu twittern, die sogar fleissig antworteten oder retweeteten :)

Außerdem: Hinter dem Konzerthaus Dortmund befindet sich die Polizei-Wache CITY. In dem Gebäude war früher eine Musikschule und dementsprechend haben die damals ihre Hauswand angemalt:

Mit den Noten eines Liedes.

Neugierig wie ich nunmal bin, wollte ich wissen, welches Stück das ist. Die Dortmunder Philharmoniker gaben den ersten Hinweis, dass es sich auf Grund des Notenschlüssels um ein Cello-Stück handeln muss. Die Musik und Kunstschule Bielefeld konnte dann auflösen:

Es ist das Cello-Konzert in C-Dr von Haydn

Und das Logo-Tier des Konzerthaus Dortmund ist deswegen ein Nashorn, weil die Rhinos extrem gut hören können. Und Musik verleiht natürlich Flügel:

Das erste Mal in der Oper – Le Comte Ory von Rossini

Doof geguckt, weil ich konzertant nicht kannte :)

Konzertant bedeutet eine nicht-szenische Aufführung.

Heißt: Keine Kostüme, kein Schauspiel, kein Bühnenbild.

Musik pur. Eigentlich geil. Nur guckt man erstmal doof aus der Wäsche wenn man die Orchesterbühne sieht und sich fragt: Ja aber wo spielen die denn gleich? :-D

Das erste Mal in der Oper – Le Comte Ory von Rossini

Die Sänger konnten sich ein bisschen Schauspielern aber dennoch nicht verkneifen. Manchmal torkelten und rannten zwei Nebenrollen vor der Bühne her, dass ich dachte "Na? Zu spät aus der Pause gekommen und jetzt die Plätze nicht wieder finden?" und dann schäkerten sich Brownlee und die Damen auf der Bühne heftigst an, dass ich die Story doch irgendwie miterleben konnte.

Dank DFB-Pokal mit Hindernissen

Die Planung zur Anfahrt vorab war etwa schwierig. Dortmund hat Samstag den DFB-Pott in den Pott geholt. Das hieß auch: Sonntag ist Autocorso mit der Mannschaft durch die Innenstadt. Bei Kaiserwetter. Sowohl die Klangvokal Webseite als auch die Seite der Stadt Dortmund warnten vor Verkehrs- und vor allem Parkplatz Chaos.

Das erste Mal in der Oper – Le Comte Ory von Rossini

Ich bin dann einfach mal losgefahren, habe eine Ausfahrt verpasst, wurde von hinten durch die kalte Küche über den Hafen nach Dortmund rein navigiert und landete direkt vorm Parkhaus des Konzerthaus Dortmund. Eigentlich perfekt, aber: Das Parkhaus macht erst 2 Stunden vor Beginn der Aufführung auf. Einerseits gut - so konnten die 200.000 oder mehr BVB Fans die Kulturparkplätze nicht besetzen ;) aber ich stand dann etwas über ne Stunde vor verschlossenem Tor und habe gewartet.

Aber:

Während des Wartens durfte ich bereits 5 Musiker des Orchesters kennen lernen, die in heller Aufregung nach Parkplätzen suchten, um pünktlich zur Probe zu kommen :) War auch nett. Als die Schranke dann endlich aufging hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben freie Platzwahl im Parkhaus. Immerhin. Im Konzerthaus waren die Plätze natürlich zugewiesen :)

Immerhin habe ich mir auch noch ein Steinway and Sons BVB-Andenken mit Autogrammen der Borussia-Spieler mitgenommen:

Das erste Mal in der Oper – Le Comte Ory von Rossini

Ganz lieben Dank für das tolle erste Opern-Erlebnis!

Vorneweg Christoph für die Einladung.

Aber natürlich auch das WDR Funkhausorchester, das Klangvokal Festival, den WDR, das Konzerthaus Dortmund, Lawrence, Jessica, Giacomo, alle anderen Mitwirkenden und den BVB, dass das Chaos in der Stadt doch nicht so riesig war wie angekündigt :)

Das erste Mal in der Oper – Le Comte Ory von Rossini

Ach so und wenn Ihr Euch die gesamte Oper mal geben möchtet: Bei YouTube gibt's ja alles. Auch mir Kostümen:


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