Das Elend im Land der Sieger

Von Lesenblog

Eduard Kotschergin “Sechs Jahre sind die Ewigkeit”, 235 Seiten, 19,99 €, Aufbau, ISBN: 978-3351035266;

Flüchtlingsschicksale sind in Deutschland ja kein neues Literaturthema, in Russland schon. Autor Eduard Kotschergin schildert hier die Odyssee eines Kindes. Als Dreijähriger, 1940, verliert der Junge seine Eltern. Der Vater ermordet im stalinistischen Terror, die Mutter, gebürtige Polin, wird als angebliche Spionin ins Lager gesperrt. Bis Kriegsende muss der Junge im sibirischen Waisenhaus ausharren. Dann sucht er seine Mutter.

Über tausende Kilometer ist das Kind unterwegs, durch ein Land, das militärisch zwar Sieger des Zweiten Weltkriegs war, aber völlig zerschunden und verarmt am Boden liegt. Kotschergin beschriebt ein zerstörtes Land, in dem Auge um Auge der einzige moralische Maßstab des Handelns ist.

„Als wir uns endlich wiedergefunden hatten, befanden wir uns in der gleichen Situation. Sie kam aus einem sehr strengen Frauenlager, und ich hatte schlechte Erfarung im Kinderknast gemacht. Wir haben einander verstanden und geholfen. Die Liebe hat uns Kraft gegeben, ins Leben zurückzukehren“, schreibt Eduard Kotschergin.

Dass der Autor hier seine eigene Geschichte schildert, macht dieser Kindheitserinnerungen besonders dramatisch.