Das Drama um den entzauberten Zauberer Jérôme

Ladies & Gentlemen,
gestern wurde im TV in der Sendung "Wer wird Millionär" die Tragödie eines entzauberten Zauberers aufgeführt.  
Jérôme, der Kandidat, der es auf den heißen Stuhl von Günther Jauch geschafft hatte, ist von Beruf Magier, Illusionist und Mediator, der die Gedanken der Zuschauer lenken und interpretieren kann. In früheren Jahren hätte man schlicht gesagt: Ein Zauberer.
Jérôme gab sich souverän. Auch war er sehr eloquent. Dass er über eine solide Allgemeinbildung verfügte, wurde schon nach den ersten Fragen deutlich. Davon war allerdings auszugehen, denn ein professioneller Illusionist kann nur erfolgreich arbeiten, wenn er stets in intelligenter Weise auf die Reaktion seiner Zuschauer einzugehen vermag. Und er muss selbstverständlich schlagfertig sein. Über all diese Tugenden verfügte unser Zauberheld Jérôme in hohem Maß. Deshalb lief es auch für ihn in der Quiz-Show anfangs optimal. Es lief sogar so gut, dass er es sich entspannt leisten konnte, im Rahmen der Sendung einen verblüffenden Kartentrick vor laufender Kamera zu präsentieren. Er war ein wirklich magischer Kandidat, dem man den Gewinn der Million unbedingt zugetraut hätte. 
Nachdem also der Kandidat bereits locker 64.000 Euro gewonnen hatte, folgte die 125.000-Euro-Frage. Sie lautete: 
"Wer auf der "Tribüne" Platz nimmt, tut dies der Wortherkunft zufolge eigentlich, um ...?"
A: gekrönt zu werdenB: Recht zu sprechenC: Orgien zu feiernD: Almosen zu verteilen 
Der Magier war sich nicht sicher. Er neigte zu Punkt B. Entschieden schloss er die Punkte A und C aus. Um nun in dieser Situation keinen Fehler zu machen, wählte er den Telefon-Joker. Seinem ehemaligen Deutschlehrer traute er zu, dass dieser die Frage richtig beantworten könne. Der Lehrer meinte, dass wohl B richtig sein müsse, aber zuverlässig sicher sei er auch nicht. Weil der Zaubermeister noch den wertvollen Einzel-Publikums-Joker in seinem Köcher hatte, wollte er auch von dieser Option Gebrauch machen. Es meldeten sich etwa ein Dutzend Personen, die dem Kandidaten gerne zu 125.000 Euro verhelfen wollten.  
Nun ließen den Magier leider sowohl seine magischen Fähigkeiten als auch die Menschenkenntnis völlig im Stich. Er wählte aus dem Publikum eine zauberhafte 19-jährige Jurastudentin. Und so nahm das Unheil seinen Lauf. Das hübsche Mädchen schloss mit großem Nachdruck die Antwort B aus und sagte, dass eindeutig D "Almosen verteilen" richtig wäre. 
Jérôme wählte die Antwort D. Leider erwies sich dies als falsch, denn die Antwort B wäre richtig gewesen. (Ich hätte mit "Tribüne" den Begriff "Tribun" und "Tribunal" verbunden. Zum Beispiel muss sich möglicherweise Hoeneß demnächst vor einem Tribunal - bei dem natürlich Recht gesprochen wird - verantworten)
Der bedauernswerte Magier fiel auf 500 Euro zurück. Ende der Zaubervorstellung. Fassungslosigkeit. Jérômes Gesicht drohte zu entgleisen. Des Zauberers Selbstsicherheit sprang ab wie spröder Lack. - 
Meine Meinung: Wäre dieses Missgeschick einem Mann passiert, dessen Beruf z. B. Koch ist, dann wäre das zwar ebenfalls bedauerlich gewesen, aber seinem Beruf als Koch hätte dieser Mann selbstverständlich weiter problemlos nachgehen können. Wenn aber ein Magier, der davon lebt, angeblich die Gedanken von Menschen lesen zu können, nicht einmal in der Lage ist, die Gedanken seiner im Publikum sitzenden Freundin zu erraten, dann hat er wahrscheinlich seinen Beruf verfehlt. - Oder würden Sie morgen Eintritt bezahlen wollen für den Hokuspokus eines Magiers, der sich in aller Öffentlichkeit bis auf die Knochen blamiert hat? - Ich auch nicht!  --- Peter Broell 

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