Reichstagsgebäude
… und des Verstoßes gegen das Grundrecht jeden Kindes auf körperliche Unversehrtheit:
Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung
von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.
Berlin, den 19. Juli 2012
Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion
Begründung:
Das Landgericht Köln hat mit seinem Urteil vom 7. Mai 2012 die Beschneidung minderjähriger Jungen aus religiösen Gründen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet. Dies hat zu einer breiten öffentlichen Diskussion zur Zulässigkeit von Beschneidungen geführt.
Zwar entfaltet die Entscheidung über den konkreten Fall hinaus keine rechtliche Bindungswirkung. Sie hat aber für große Verunsicherung vor allem bei jüdischen und muslimischen Gläubigen gesorgt, weil sie befürchten, dass Beschneidungen von Jungen in Deutschland generell nicht mehr erlaubt seien.
Auch Ärzte sind verunsichert, ob sie strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie künftig Beschneidungen vornehmen.
Jüdisches und muslimisches religiöses Leben muss weiterhin in Deutschland möglich sein. Die Beschneidung von Jungen hat für Juden und Muslime eine zentrale religiöse Bedeutung. Sie zählt zu den konstitutiven Elementen im jüdischen Glauben. Auch im Islam gilt die Beschneidung gemeinhin als unverzichtbar.
Auf der anderen Seite stellt die Beschneidung einen irreversiblen Eingriff in die körperliche Integrität des Kindes dar. Zudem kann es insbesondere bei nicht fachgerecht durchgeführten Eingriffen zu Komplikationen kommen.
Eine Straffreiheit der Beschneidung würde sich aus dem Einverständnis der Betroffenen mit der Beschneidung ergeben. Bei Beschneidungen von Minderjährigen dürfen Eltern an Stelle ihrer Kinder diese Einwilligung erteilen, soweit diese demWohl des Kindes dient. Der Inhalt des Kindeswohls wird im Regelfall von den Eltern bestimmt, die dabei ihrerseits die Grenzen der staatlichen Rechtsordnung zu beachten haben.
Die rechtliche Einordnung der Beschneidung muss so schnell und so gründlich wie möglich geklärt werden. Der Deutsche Bundestag hält eine gesetzliche Klarstellung für geboten, die insbesondere unseren jüdischen und muslimischen
Mitbürgerinnen und Mitbürgern ermöglicht, ihren Glauben frei auszuüben. Eine Präjudizwirkung für andere körperliche Eingriffe aus religiösen Gründen darf sich hieraus nicht ergeben.
Zudem hält der Deutsche Bundestag die Beschneidung männlicher Kinder, die weltweit sozial akzeptiert wird, für nicht vergleichbar mit nachhaltig schädlichen und sittenwidrigen Eingriffen in die körperliche Integrität von Kindern und Jugendlichen wie etwa die weibliche Genitalverstümmlung, die der Deutsche Bundestag verurteilt.
Quelle: Deutscher Bundestag (pdf)
Dazu ein Kommentar von Walter Otte:
“Unnötige Schmerzen” – so ist doch sonst immer hinsichtlich von Tieren argumentiert worden. Werden jetzt bestimmte Kinder (diejenigen muslimischer oder jüdischer Eltern) auf den Status von Tieren “herabgestuft” ?
“Unnötige Schmerzen” bedeutet im Klartext, dass die Kinder auf jeden Fall Schmerzen erdulden müssen und zwar die mit der
Beschneidung regelmäßig einhergehenden üblichen Schmerzen – alles soll offenbar so bleiben, wie es bisher gehandhabt wurde, allenfalls mit ein paar kosmetischen Korrekturen (bspw. Zertifizierung der Beschneider u.ä.). Nicht einmal an Narkose ist offenbar gedacht – weil dann der jüdische Ritus berührt würde.
Der Verweis auf die verschiedenen Grundrechte stellt eine reine Augenwischerei dar und ist eine Verhöhnung der Bevölkerung.
Kinder nichtmuslimischer und nichtjüdischer Eltern haben – nach einer entsprechenden gesetzlichen Regelung – dann nur einen minderen Grundrechtsschutz auf körperliche Unversehrtheit als alle anderen Kinder.
Nur zur Kenntnisnahme: auf § 5 des Tierschutzgesetzes wird hingewiesen. § 5 Abs. 1 Satz 1 lautet: “An einem Wirbeltier darf ohne Betäubung ein mit Schmerzen verbundener Eingriff nicht vorgenommen werden.”
Nic