Das Ding mit dem Schrebergarten

Irgendwann vor ein paar Jahren standen wir inmitten einem verwilderten Garten im Landkreis Leipzig inklusive zugemüllter Laube.
Kind war noch klein, Mann hellauf begeistert und ich in einem Vakuum von absolutem Unverständnis und Entgeisterung.
Schrebergarten, echt jetzt?
Ich starrte ihn hilflos an und schüttelte dann den Kopf.
No, Schatz, no!!!
Niemals werde ich das mitmachen!
Jetzt sitze ich frühmorgens auf unserer Terrasse, trinke meinen Kaffee inmitten Vogelgezwitscher, Igelgeschnarche und bellendem Hund.
Dem sind diese laufenden, schnaufenden Stachelkugeln unterm Gartentisch völlig suspekt.
Im Beet warten Kartoffeln, Kohlrabi, Möhren und Tomaten darauf, geerntet zu werden.
An den üppigen Beerensträuchern hängen Brombeeren, Jockelbeeren und Aroniabeeren, während die Johannisbeeren noch groß werden wollen.
Und im Hochbeet gedeihen gerade jede Menge Kürbisse und Zucchini.
Unser Kind wurde auf den 400 Quadratmetern heile Schrebergartenwelt im Schnelldurchlauf groß - so schnell, dass ich es gar nicht begreifen kann.
Sie hat vor Kurzem noch in der von ihrem 'Paps' selbstgebauten Matschküche herumgematscht, aus Sand und Gras wundervolle Gerichte gekocht und am Holztischchen mit uns Vesper abgehalten.
Am Schönsten war ihre helle Freude am Erdbeeren ernten und 'Radieseln' ziehen.
Hey, Luxus pur!
Die Ruhe hier in den frühen Morgenstunden ist unbeschreiblich schön und während andere an ihrem Eigenheim bauen und werkeln, leben wir recht sorglos ohne Ängste.
Die Jahrespacht mit Strom und allerlei Nebenkosten liegt bei rund 200 Euro, was will man mehr?
Die Laube beherbergt nunmehr eine ganz bequeme Schlafcouch und nen nostalgischen Stubentisch aus längst vergangenener Zeit.
Das ist auch so ein Faktor.
Abwaschen per Hand ist angesagt, fließendes Wasser aus dem Wasserhahn hinter dem Gartenhäuschen.
Mein Mann ist da recht spartanisch, aber er sah die Dinge noch nie kompliziert.
Für ihn zählt nicht der Kommerz-Schnickschnack und ich muss sagen, seine Art tut mir gut.
Ich, die Pingelige mit Luxusattitüde, habe in diesem Garten viel mehr gelernt als nur das Gärtnern.
Es hat mein Weltbild verändert und es bringt mich auf den Boden zurück.
Und so laufe ich in den heißen Sommermonaten barfuß mit heruntergeschlunster Gartenhose durch unser Kleingartenparadies, nasche Erdbeeren und koche Kirschen ein.
Die dreckigen Füße werden abends unter einer kalten Gartendusche abgewaschen und die Zähne unter freiem Himmel geputzt.
Leute, das ist etwas, was ich nur hier finde und worauf ich einfach nicht mehr verzichten will.
Öko? Vielleicht. Ich halte nichts von solchen Schubladen.
Wir sind, wie wir sind und ein bisschen ist es wie zu Omas Zeiten.
Ich erinnere mich daran, dass sie mich als Kind auch mit in den Garten nahm.
Das war immer umgeben mit einem Gefühl von Geborgenheit.
Jetzt früh hocke ich im Beet und jäte Unkraut.
In letzter Zeit ist viel liegengeblieben, denn durch die berufliche Arbeit und Schule sind wir einfach zu engmaschig getaktet.
Hier im Garten aber fällt aller Stress von uns ab.
Da gibt es keine Uhr, außer die des Körpers und der Natur.
Manchmal sieht es hier aus wie Kraut und Rüben.
Es ist der pure Wahnsinn, wieviel Arbeit so ein Gärtchen machen kann.
Aber 'mal schnell' gibt es hier eben nicht.
Entschleunigung pur.
Für die Mühen werden wir jedoch von der Natur mit der üppigen Ernte belohnt.
Nur Handynetz, dass gibts nicht.
Gerade mal ein Fleckchen im Garten lässt das Eintauchen in die digitale Welt zu - 4 G am Gartentor.
Ihr glaubt gar nicht, was das mit uns als Familie macht.
Das sich wieder besinnen, sich aufeinander einstimmen und miteinander reden.
Ich empfinde es als Luxus pur.
Links und rechts neben uns stehen die Gärten leer.
Alles das, was ich hier zu schätzen gelernt habe, wollen andere nicht haben.
So, genug der Plänkelei.
Ihr entschuldigt, aber ich muss die gefäßigen Engerlinge aus den Beeten graben.
Ihr wisst schon, die Larven der Junikäfer.
Noch ist es angenehm kühl, bevor die Sonne wieder brennend am Zenit steht und wir uns in den Schatten trollen.
Ferienkind schläft noch tief und fest, dass macht sie auch nur hier so lange.
Kein Wunder bei der frischen Luft...

Das Ding mit dem Schrebergarten

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