Das Debut der Kälte. Und was sie kann.

Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn die eingeatmete Luft die Nasenhaare gefrieren lässt. Ein wenig klebrig fühlt es sich an. Und frostig.

Ich erlebe derzeit die Anfänge des echten sibirischen Winters. Nachts rutscht das Thermometer nun häufig unter die -20-Grad-Marke und auch tags denkt man mit Wehmut an einstellige Minuswerte zurück. Ungeachtet dessen verläuft der Alltag hier in gewohnten Bahnen: es wird spaziert, gejoggt, jegliche Ware auf der Straße feilgeboten und geduldig auf Busse und marschrutki gewartet. Es wird gebaut, geschaufelt und Eis gegessen. Alles, was sich geändert hat, ist die Bekleidung. Miniröcke sind – bis auf wenige respekteinflößende  Ausnahmen abgesehen – Pelzmänteln gewichen, Mützen in allen erdenklichen Formen und Farben, aus Pelz oder gestrickt, prägen das Bild und das gewohnte hochhackige Schuhwerk der Damen wurde mit Pelz und hohem Schaft wintertauglich gemacht.

Es dampft aus Gullys, Fernwärmerohren, Auspuffen und Mundöffnungen. Alles gefriert. Außer die Angara. Der breite Strom, der das Zentrum Irkutsks in einem weiten Bogen umfließt, lässt seine Dampfwolken meterhoch in den Himmel aufsteigen und bedeckt ufernahe Pflanzen und Gebäude mit einer Schicht Raureif. Es hat etwas dämonisch-schönes, wenn man am Ufer der „krasawiza Angara“ (Angara die Schöne) steht und die wabernden Nebelschwaden beobachtet. Es ist ein träger Höllensud, der seine Umgebung zusammen mit der fahlen Sonne in diesiges Licht taucht und unwirklich erscheinen lässt. Der Grund dafür ist jedoch völlig irdischer Natur: bedingt durch den Staudamm gleich an der südlichen Stadtgrenze, der die Angara bis zum Baikalsee aufstaut, wird relativ warmes Tiefenwasser (in der Regel vier Grad plus) in den eigentlichen Fluss abgelassen. Auf seinem Weg durch Rohre und über Turbinen wird es noch weiter aufgeheizt. Diese überschüssige Energie gibt die Angara seit nun fast 60 Jahren Winter für Winter an die Umgebung ab. Dampfen ist schließlich das bessere Frieren.

Davon war ich bei meinem heutigen dreistündigen Streifzug durch das gefrostete Irkutsk weit entfernt. Meine Skiunterwäsche erwies mir aber einen guten Dienst. Überhaupt fühlte es sich nicht nach Stadt, sondern eher nach Skipiste im tiefsten Winter an. Was fehlte, waren lediglich betrunkene Touristen und Après-Ski. Und Skipisten an sich, natürlich. Dieses verdammte Wunschdenken.

Das vergangene Wochenende kam allerdings ziemlich nahe an den Genuss eines langgezogenen Tiefschneeschwungs heran. Es war, so meine ich, das beste Wochenende seit meiner Ankunft in Sibirien. Ich durfte eine in jeglicher Hinsicht außergewöhnliche Hin- und Rückfahrt und grenzenlose Gastfreundschaft erleben, sowie unvergesslich-verwegene Stunden in der Taiga verbringen. Aber der Reihe nach – im nächsten Eintrag.

 



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