Das Coronavirus und dessen Folgen sind eine enorme Herausforderung für die Gesellschaft und Wirtschaft. Für viele Menschen sind die Einschränkungen sowie die persönlichen und ökonomischen Folgen sehr eingreifend. Die Medienberichte sind manchmal erschütternd und wir wissen nicht, was alles noch auf uns zukommt. Wo wird das alles hinführen? Kann die Corona-Krise auch eine echte, nachhaltige Chance sein für die Umwelt, für das Klima und für die Gesellschaft nach der Krise?
Eine Erholungszeit für den Planeten
Was die weltweiten Fridays-For-Future-Demonstrationen noch nicht erreicht haben, schafft jetzt ein Virus: Der Auto- und vor allem der Flugverkehr werden reduziert, die Menschen bleiben zuhause. Ein globaler Hausarrest, damit wir uns endlich mal auf unseren Lebensstil auf diesem Planeten besinnen können.
Bilder: Voyage on the Planet von Chui Chih
In China soll das Coronavirus schon zu einer großen Reduzierung der Luftverschmutzung geführt haben. Jetzt, wo in vielen Länder Bewegungsbeschränkungen und Ausgangssperren verhängt werden, wird auch auf globaler Ebene der Effekt sichtbar werden. Es gibt sogar Wissenschaftler, die vorhersagen, dass es durch die Reduzierung der Schadstoffe dazu führen kann, dass es insgesamt weniger Tote gibt (The Guardian). Eine steile, aber nicht ganz grundlose These, die aber auf jeden Fall klarmacht, was wir uns mit der ständigen und gesellschaftlich akzeptierten Luftverschmutzung eigentlich zumuten.
Werden die Klima-Effekte des Coronavirus anhalten?
Ob die Klima-Effekte des Coronavirus nur kurzzeitig sind, ist noch nicht vorherzusehen. Auf jeden Fall ist die Verschnaufpause für die Umwelt, die jetzt verursacht wird, ein echtes Durchatmen (Reset.to: „Wie wird aus der Corona-Krise eine Chance für Veränderungen?„). Auch für die kommenden Jahre wird bereits mit einem Rückfall des Tourismus gerechtet. Für viele kleine Reiseunternehmen und schöne, nachhaltige Reise-Unterkünfte eine Katastrophe, für den Planeten bestimmt gar nicht so schlecht (The Ecologist: a Chance to right historical wrongs“).
Die globale Ökonomie als Ganzes könnte erst mal schrumpfen . Manche sehen darin eine Chance, dass wir uns durch die Krise gezwungenermaßen vom Wachstumsdenken befreien und mehr auf geplanten „Degrowth“ setzen, wie der auf Ökologie spezialisierte Ökonom Jon Erickson im Interview mit der Deutschen Welle vorschlägt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze warnt allerdings dafür die falschen Schlüsse aus der Corona-Krise zu ziehen (Tagesschau): Die Emissionen von Treibhausgasen gehen zwar zurück, doch sei dies nicht nachhaltig und wird beim Klimaschutz nicht helfen.
#Staythefuckhome: Home-Office als globale Chance
Wo auch immer es geht, wird jetzt auf Home-Office und Skype-Meetings und Video-Konferenzen gesetzt. Selbst die Bundeskanzlerin macht jetzt Home-Office. Viele Unternehmen, Organisationen und gar Ministerien schalten auf das Arbeiten von zuhause um. Manche Mitarbeiter werden merken: gar nicht so schlecht! Die Folge könnte sein, dass auch nach der Corona-Krise das Arbeiten im Home-Office viel normaler wird, und für Besprechungen auch weniger oft das Auto oder Flugzeug genommen wird. Eine enorme Chance, nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Mitarbeiter. Weniger unterwegs zu sein bedeutet für sie: mehr Zeit übrig haben!
Eine Chance für eine nachhaltigere Wirtschaft
Im Moment gibt es, grob gesagt, zwei Strömungen (Taz: „Hoffen auf die grüne Bazooka“): Die einen setzen auf eine Reduzierung der Klima-Maßnahmen, um die Wirtschaft möglichst schnell anzukurbeln und die Corona-Krise als Chance zu nutzen, zurück in die Vergangenheit zu finden, Klimaregeln zu lockern oder gar die Corona-Krise, wie Naomi Klein (Democracy Now) warnt, als „Shock-Doktrin“ zu benutzen, um eine noch härtere Form des Raubtier-Kapitalismus einzuführen. Die Krise kann aber auch als Chance gesehen werden, um die notwendigen Veränderungen zu beschleunigen, und während und nach der Corona-Krise zu einer nachhaltigeren und sozialeren Wirtschaft zu finden.
Das Coronavirus als Spiegel des globalen Bewusstseins
Die einflussreiche niederländische Trend Forecasterin Li Edelkoort sieht das Virus als große Chance für die Menschheit, zu entschleunigen und unsere Gewohnheiten zu verändern. Zu Business of Fashion sagte sie: „Das Virus kann als Repräsentation unseres Bewusstseins angesehen werden … es bringt ans Licht, was mit der Gesellschaft so schrecklich falsch ist und was jeden Tag klarer wird.“ Sie sagt voraus (Dezeen), dass die „Quarantäne des Konsums“, wie Edelkoort es bezeichnet, die Art und Weise, wie wir produzieren, uns anziehen und konsumieren, komplett transformieren wird.
Eine Besinnungszeit für die Menschheit
Nicht nur der Verkehr, auch der Konsum wird großenteils ausgesetzt. Wir gehen nicht mehr ins Restaurant, shoppen, auf Konzerte, Messen, zu Sportveranstaltungen: Das öffentliche Leben liegt größtenteils flach und wir haben die Chance, jetzt zu sehen, wie ein Leben ohne so viel Wirbel aussieht: eine Zeit, die zur Besinnung auf unser Konsumverhalten führen kann, eine Zeit der Entschleunigung und Kontemplation (Sueddeutsche Zeitung: „Coronavirus kann zu Besinnungspause führen“). Das Zeitalter des Corona Consciousness: Wir werden uns gezwungenermaßen den Begrenzungen unseres Handelns bewusst. Was wir daraus machen, wird unterschiedlich sein, aber die Möglichkeit, daraus bewusster zu werden, wird auf jeden Fall aktiviert.
DIY – Renaissance des Selbermachens
Was schon länger Trend ist, findet jetzt noch mal so richtig Aufschwung: Wir haben endlich mal Zeit fürs Selbermachen! Ob gärtnern, Kuchen backen, basteln, nähen, renovieren, das Zuhause verschönern – die Corona-Krise führt zum Boom des Selbermachens. Im Netz kursieren schon zahlreiche Anleitungen zum Selber machen von Schutzmasken oder sogar Klopapier.
Eine wunderbare Gelegenheit, endlich mal Permakultur zu lernen (Biorama) und zu praktizieren, Selbstversorger zu werden (Ecowoman) und den Zero-Waste-Lebensstil (Zero Waste Rebel) noch mal so richtig voranzutreiben. „Preppen statt Hamstern“, wie Onlinemagazine „Viertel Vor“ die Entscheidungsmöglichkeit zwischen „Ich-Ich-Ich“ und „Do-It-Yourself“ kraftvoll zusammenfasst.
Globales Bewusstsein – die Menschheit wird eins in der Krise
Auch wenn es große Unterschiede gibt, gilt letztendlich: Die ganze Menschheit ist potentiell betroffen. Milliarden Menschen müssen sich bereits an eine Ausgangssperre halten. Auch wenn Grenzen geschlossen werden: Die Menschheit ist eins in der Corona-Krise. Zuhause bleiben wir nicht nur für uns selbst, sondern für alle. Die Gemeinschaft steht in Zeiten von Krise im Vordergrund. Wir werden uns unserer Abhängigkeit und Verletzbarkeit bewusst und lernen, die Arbeit von Ärzten, Helfern und Pflegekräften noch mal ganz anders wertzuschätzen.
Die Ökologie eines kranken Planeten
Wo kam das Coronavirus Covid-19 eigentlich her? Vermutlich durch die Übertragung von Wildtieren! Die meisten Viren und Infektionskrankheiten werden von Tieren auf Menschen übertragen (WWF). Das Coronavirus und dessen gravierende Folgen könnten einen anderen, mehr holistisch-wissenschaftlichen Blick auf die entstehenden Krankheiten bewirken oder auch das Bewusstsein stärken, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Natur untrennbar miteinander verbunden ist (New York Times: „The ecology of disease“).
Das Problem ist der Fleischhunger in der sich ausweitenden Gesellschaft.
Auch wenn viele Länder im Moment nicht gerade durch gute Zusammenarbeit auffallen, könnte das große Lernen aus der Krise sein, dass eben gerade so eine globale Zusammenarbeit über Grenzen hinaus der einzige Weg ist, als Menschheit in globaler Solidarität aus der Krise zu finden. Wie Yuval Noah Harari in der Financial Times schreibt: Auch dieser Sturm wird vorbeigehen, die Krise wird aber die Menschheit als solches verändern. Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek (Das Erste) plädiert dafür, dass die Corona-Krise zu mehr Kooperation über Grenzen hinweg führen muss, weil es nach der Corona-Krise die noch viel gravierendere Klimakrise geben wird, die auch nur durch weitreichende globale Zusammenarbeit zu bewältigen ist.
Die Epidemie der Empathie: Helfen statt Wüten
Einerseits sind wir immer mehr auf uns gestellt, und laut Sascha Lobo (Spiegel) führt das zu Wut: Wir können nicht mehr machen was wir wollen, und suchen dafür am liebsten Sündenböcke außerhalb von uns. Andererseits ist die Situation eine Chance für eine „Epidemie der Empathie“: Wir erkennen uns in den anderen und vernetzen uns mit Unbekannten in Helfernetzwerken. Eine Vielzahl an Helfer-Initiativen ist bereits innerhalb von Wochen zustande gekommen. Das Magazin Cicero spricht sogar von einer „Renaissance der Menschlichkeit“. Jetzt wird es konkret: Peppermynta beantwortet die Frage: wo gibt es Hilfe und kann ich helfen?
Unterstützt kleine, nachhaltige Unternehmen und Shops!
Auch die Wirtschaftshilfen können eine Chance sein für ein solidarischeres Miteinander: Kleine Selbständige bekommen Unterstützung, manche wollen jetzt sogar ein Basiseinkommen auf Kommunalebene testen. Für viele kleine, nachhaltige Shops, Marken und Unternehmen ist die Corona-Krise allerdings eine Bedrohung: Sie haben nicht die Ressourcen, lange durchzuhalten, die Margen sind klein und einige werden zumachen müssen. Auch wir im Lilli Green Shop sind uns darüber bewusst, dass diese Lage für unsere Produzenten und letztendlich auch für uns auch ein großes Risiko ist. Gleichzeitig wachsen die Profite der Versandriesen, die oft nicht mal richtig Steuer absetzen. Deshalb unser Credo: Unterstützen Sie die Firmen, die es brauchen! Kaufen Sie bei kleinen, unabhängigen und nachhaltigen Unternehmen und Shops ein!
Kunst mit Gesichtsmasken „Voyage on the planet“ von Chiu Chih
Der Überlebenskit für den sich ständig verändernden Planeten des chinesischen Designers Chiu Chih macht auf den Zustand von Mutter Erde aufmerksam. Ursprünglich war „Voyage on the Planet“ ein Schulprojekt für die Wuhan-Universität, die Stadt, die zum Epizentrum der Corona-Pandemie wurde. Die Sauerstoffmaske reagiert auf die sich verschlechternde Luftqualität in überfüllten Wohnumgebungen und das sich verändernde Gesicht der gebauten Landschaft. – Bilder mit Erlaubnis von Chiu Chih