Das berühmte Loslassen

Von Erikaflickinger

Sehr oft liest man ja von dem berühmten Loslassen von unerwiderten Liebesgefühlen.

Diese vielen Worte die über das Loslassen geschrieben werden, klingen zwar oft sehr klug und stimmig… aber mal ehrlich, wer will loslassen was er so sehr liebt? Und vor allen Dingen, wer kann es? Und eine noch wichtigere Frage Warum eigentlich loslassen???

Was Du liebst kannst Du nicht loslassen…denn, wenn Du liebst, dann liebst Du einfach, Du fühlst so tief wie nie zuvor, bist gedanklich so sehr ausgefüllt mit dieser Liebe, wie willst Du da loslassen können…und wohin loslassen… ja und noch einmal die Frage…Warum?

Sorry…ich kann nicht loslassen was ich liebe…

kann nicht loslassen was mir in dem Moment gerade Hoffnung gibt…

kann nicht loslassen was mein Herz so sehr erfüllt…

kann nicht loslassen was meine Seele leuchten und singen lässt…NEIN…wozu auch?

Es hat doch einen Sinn wieso diese Gefühle bei mir sind.

Was ich aber tun  kann ist, nicht festhalten…nicht klammern…nicht hinterher laufen was mich nicht will…ABER ich kann nicht einfach meine Gefühle loslassen.

Es sind meine Gefühle, sie leben in mir…bei mir…mit mir…und auch ein Stück weit mit dem Gegenüber.

Sie sind in mir um gelebt und gefühlt, und Ja auch um geliebt  zu werden, nicht um verzweifelt versuchen sie loszulassen…und damit einen aussichtslosen Kampf zu führen.

Gefühle die im Moment bei mir sind wollen gefühlt werden, sie wollen angeschaut und angenommen werden.

Loslassen derselben würde für mich persönlich bedeuten, zu verdrängen, dass es da etwas tief in mir gibt, was unbedingt gefühlt werden will, würde für mich bedeuten wegzuschieben, zu ignorieren, zu verdrängen. Ich würde mich in diesem Moment auch ein Stück weit selbst verleugnen, da ich mich ja von “meinen” Gefühlen befreien möchte, indem ich loslasse, obwohl sie noch bei mir und in mir gefühlt werden wollen.

Ich kann nur für mich persönlich sprechen, aber diese vielzitierte Art des Loslassen würde mir auf Dauer meinen Seelenfrieden rauben. Es würde mich viel Energie kosten, die ich in die Pflege meiner Seele investieren könnte.  Es würde mich an allen Ecken und in allen Tiefen meiner Seele zwicken und stupsen, und auf jede erdenkliche Art und Weise auf sich aufmerksam machen wollen. Weil man Gefühle eben nicht loslassen kann.

Sehr wahrscheinlich würde sich dieses Losgelassene auf den leeren Platz setzen, den nach viel Mühe und Liebe meinerseits, mein trotziges inneres Kind, oder eine andere Lebensaufgabe die ich voller Stolz gemeistert hatte,  gerade erst geräumt hat.

Das “losgelassene” würde mich dann von dort aus konstant aufmerksam machen, dass ich einfach nur verdränge und nicht “loslasse”…dass ich hier etwas in meine dunklen Abgründe verschiebe was mich krank machen kann, anstatt ans Licht zu lassen, was gesehen und gefühlt werden will, um dort so oder so gelebt zu werden und Heilung zu erfahren.

Ich will nicht loslassen, ich will ausleben, erleben, fühlen, erfühlen, und wenn nötig eben auch weinen und toben, trauern und wieder weinen, aber nicht etwas loslassen was zu mir gehört.

Ich persönlich will durch all diese Emotionen hindurch laufen, ganz bewusst, um so, wenn es denn sein soll Abschied zu nehmen, von etwas dass mein Sein eine Weile ausfüllen durfte.

Und wenn ich all diese Emotionen durchlebt, angeschaut und verarbeitet habe, dann kann ich langsam beginnen mich von diesen Gefühlen zu trennen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass genau dieses was ich loslassen wollte, was ich also für mich persönlich verdrängte, auf einer anderen Ebene in einem neuen Gewandt wieder in mein Leben trat, solange bis ich mich den Gefühlen “auslieferte”, sie fühlte, ansah und akzeptierte, und schaute was meine Seele hier erfahren sollte.

Dann ließen diese Emotionen, tiefen Gefühle usw., auf “wundersame” Weise selbst von mir los…oder sie entwickelten überraschenderweise sich zu dem was sie schon immer werden wollten.

Ich lasse nicht los, ich lasse mich von meinen Gefühlen führen, wenn es sein muss eben auch durch den Schmerz, solange bis sie mich verlassen. Ich war im Nachhinein immer Dankbar dafür…denn nirgends lernte ich mehr über mich selbst, als bei mit und durch meine durchlebten Gefühlen.

© Erika Flickinger

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