Was, wenn der Staat jedem Bürger genügend Geld zum Leben zahlte? Die Gesellschaft würde davon profitieren, sagen ein Arbeitspsychologe und ein Philosoph im Interview.
ZEIT ONLINE: Herr Wehner, Herr Liebermann, die Piraten-Partei und Teile der Linkspartei werben für das Bedingungslose Grundeinkommen. Bürgerliche Parteien tun die Idee jedoch als Utopie ab.
Theo Wehner: Ich würde sagen, dass Vollbeschäftigung eine utopischere Vorstellung ist als die eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die Gesellschaft wird nicht auf technische und soziale Innovationen verzichten, und sollte es auch nicht. Das bedeutet zwangsläufig auch Rationalisierung. Gleichzeitig gelingt es den entwickelten Arbeitsgesellschaften nicht, Rationalisierungsgewinne gerecht beziehungsweise zum Nutzen aller zu verteilen. Das Ergebnis sind Resttätigkeiten, Dequalifizierung und Arbeitslosigkeit für die Einen und Arbeitsverdichtung, Selbstausbeutung und Erschöpfung für die Anderen.
ZEIT ONLINE: Auch die FDP wirbt seit 2005 für ein “liberales Bürgergeld”. Anders als bei den Piraten sieht dieses Konzept aber obligatorische Arbeit als Gegenleistung für das Grundeinkommen vor. Ist das nicht das bessere Konzept?
Wehner: Jedes Konzept passt grundsätzlich zum Menschenbild derer, die es entwerfen. Das “liberale Bürgergeld” ist ein Misstrauenskonzept. Es traut dem Bürger nicht zu, dass er zur Selbstrelativierung fähig ist, also zur sozialen Rücksichtnahme im Interesse der eigenen Selbstachtung.
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-12/bedingungsloses-grundeinkommen-interview