Mitte April 2011 meldeten die Gazetten, dass die »Arbeitsagenturen so viel strafen wie nie«. Im Schnitt kürzen sie »um 123,72 Euro im Monat«. In knapp 500.000 Fällen ging es »um Meldeversäumnisse« und »mehr als 102.000 Mal« war eine »als zumutbar angesehene Arbeit«, die nicht ergriffen wurde, der entscheidende Grund.
Mitte April 2012 hieß es dann: »Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger nehmen zu«. Die Leistungen seien »um 115,99 Euro im Monat gekürzt worden«. Erst weiter unten stand man: »Betrugsfälle gehen zurück«.
Mitte April 2013 las man, dass »noch nie [...] so viele Sanktionen gegen Arbeitslose ausgesprochen [wurden] wie im letzten Jahr«. Durchschnittlich »110 Euro« habe man nicht ausgezahlt. In »697.000 Fällen« ging es um Meldeversäumnisse, 137.600 Strafen resultierten aus »der Weigerung, eine Arbeit aufzunehmen«.
Mitte März 2014 meldet jetzt die Bildzeitung in einem Vorbericht, dass die »Strafen gegen Empfänger auf Rekordniveau« lägen. Bis November des letzten Jahres hätten sich mehr als 94.000 geweigert, »bestimmte Jobs anzunehmen«. In mehr als 667.000 Fällen gab es Meldeversäumnisse.
Mehr dazu folgt dann sicher Mitte April, der traditionellen Zeit, um über Sanktionsrekorde zu berichten und natürlich für Sofortmaßnahmen gegen den Müßiggang mobil zu machen. Die Bildzeitung hat dann zu ihrem Vorabbericht auch gleich einen redaktionellen Kettenhund losgelassen, der einen Kommentar formulierte, in dem es irgendwie um Verschärfungen geht und um Jobcenter, die ihre »Kunden« per SMS einladen. Als ob das zulässig wäre. Und natürlich hätten sich Hartz-IV-Empfänger mal wieder im System eingerichtet. Ist schon klar, davon lebt man auch so gut und reichlich. Diese Typen schicken uns nicht am Ersten in den April, sondern seit Jahren erst zu Monatsmitte.
Denn die Rekorde sind nur selten welche, wenn man die Zahlen zerlegt und die einzelnen Positionen auflistet. Die Zahl, die die fehlende Motivation von Hartz-IV-Empfängern dokumentieren soll, ist hierfür exemplarisch, denn sie ging ja nicht konstant noch oben. Und dann muss man die Umstände berücksichtigen: Zu den Strafen aufgrund Ablehnung zumutbarer Arbeit gehören generell auch solche »Delikte«, die die Eingliederung in den Arbeitsmarkt vereiteln. Unter anderem ist damit auch die Verweigerung eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben gemeint. Die hält einseitig fest, dass der Arbeitslose bestimmte Dinge zu erfüllen und zu belegen hat. Eine bestimmte Anzahl Bewerbungen schreiben zum Beispiel. Mir sind Fälle bekannt, in der das Jobcenter 40 Bewerbungen im Monat forderte. Unterschreibt man diesen Wisch nicht, droht Sanktion. Das Sozialgericht hat mal beanstandet, dass diese Einseitigkeit nicht rechtens sei. Seither führen auch die Jobcenter ihre »Pflichten« auf, im Regelfall ein Standardsatz, der besagt, dass man die Daten des Arbeitslosen in die interne Stellenliste der Behörde einspeist, um so ab und an einen Stellenvorschlag zustellen zu können. Also folglich eine »Leistung«, die ohnehin erbracht werden sollte.
Sanktionen aufgrund von Meldeversäumnissen werden häufig wieder zurückgenommen, weil beispielsweise die Krankmeldung erst verspätet auf dem Tisch des Arbeitsvermittlers landete. Oder es kommen Einladungen gar nicht erst an, was sich dann nur schwer belegen lässt. Als ich noch Hartz IV bezog, bekam ich Einladungen grundsätzlich immer kurzfristig höchstens zwei Tage vor Termin. Manchmal auch erst am Vortag. Die Berliner Behörden haben eine Weile Einladungen so zustellen lassen, dass sie erst am Tag des Termins im Briefkasten lagen.
Kurz gesagt, dieses Aufwärmen statistischer Belege ist nichts wert. Es sagt nichts über die »Arbeitsmoral« von Leistungsbeziehern aus. Nur wenn man die Praxis der Behörden kennt, weiß man, welche Aussagekraft diese Zahlen wirklich haben. Nämlich die, dass hier aus Spargründen ordentlich betrogen und gelogen wird, um sanktionswürdiges Verhalten zu erzeugen. Statistiken erfassen das freilich nicht. Und die Rotte derer, die auf solche Rekorde nur warten, um wieder strengere Gesetze zu fordern und etwaige verantwortliche Minister zum Handeln zu bewegen, wollen von dieser Praxis natürlich nichts wissen. Sie wollen nur den Untergang des Abendlandes herausdeuten, um den Stammtisch, an dem sie abendlich den Frust über ihr verkorkstes Leben hinabsaufen, auch in die Kommentarspalten und auf die politische Agenda dieses Landes zu setzen.
Mitte April gibt es Zahlen und Wasserstandsmeldungen, die uns sagen, dass die Brühe schon wieder höher steht. Ende April ist dann die Zeit der Experten, Mahner und Bild-Serien, in denen es dann um das »wirkliche Leben von Hartz-IV-Beziehern« geht.
Das Wetter ist im April gar nicht so wechselhaft, wenn man Hartz IV bezieht. Es ist dann meist durchgehend frostig und man friert stark wegen des Einbruches sozialer Kälte. »April, April, der macht was er will«, sagte man früher mal. Für Langzeitarbeitslose heißt es schon lange: »April, April, die machen mit uns, was sie wollen.« Das reimt sich zwar nicht, stimmt aber trotzdem.
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