Die Schildkröte führt etwas im Schild. Sie will nämlich ihren Namen abändern lassen. Sie hat gehört, dass es eigens dafür eine Behörde gäbe, und dort kann man einfach einen neuen Namen beantragen. Die betreffenden Beamten haben ihr Büro an der Amtsschimmel-Strasse, und so fragt sich unsere Schildkröte Stück für Stück durch. Die Sandsteinbauten waren hoch, die Stadt unheimlich und es roch nach Motoren.
„Es ist nicht weit von hier“, bekam sie wieder mal eine freundliche Auskunft, „gehen Sie einfach die nächste Strasse rechts, und sie werden das Amt schon sehen.“ Unsere Schildkröte kam zur betreffenden Ecke, und in der Querstraße sah sie nun über ein duzend Tiere vor einem mächtigen Tor anstehen. Am Ende der Schlange stand ein Schwein, und die Schildkröte fragt höflich: „Bitte sehr, Vetter Schwein, wo ist hier das Amt, wo man einen neuen Namen bekommt?“ „Da bist du genau richtig“, antwortete es mit seinem rosa Schnörrchen, „wir stehen alle an.“
Es ging sehr langsam vorwärts, sodass die Schildkröte schnell mit den anderen Tieren ins Gespräch kam. Vor dem Schwein stand ein Wurm, dann ein Schmetterling und davor ein Seehund, im Weitern war da ein Meerschwein, ein Esel, eine Gans, ein Walfisch und ein paar weitere Kandidaten. „Wie willst Du denn neu heißen, Schildkröte?“ Fragte der Wurm. „Ich dachte an Schild-Schmetterling, denn ich bin nun definitiv keine Kröte, sondern eher wie ein wunderschöner Schmetterling.“ Erwiderte diese. „An welche Namen habt ihr denn gedacht, Schaf und Wurm?“ Das Schaf antwortete „Mein Name ist zu einem Schimpfwort verhunzt, daher will ich lieber auch Schmetterling heißen.“ Und der Wurm stimmte dem bei: „Vor mir ekeln sich die Leute, daher will ich mich ab morgen auch Schmetterling nennen.“
Der Schmetterling, der etwas weiter vorne stand, hörte dauernd seinen Namen, und so warf er etwas gereizt in die Runde: „Ich weiß, ich bin ein wunderschönes Tier und habe nichts mit Schmettern zu tun, daher will ich ab heute Himmelsgaukler genannt werden. Wenn ihr alle meinen Namen haben wollt, na schön.“
Die Schildkröte fand das komisch. Sie bat das Schweinchen, es möge doch ihren Platz in der Reihe reservieren, und zottelte nach vorne, um die anderen Tiere zu befragen. Der Seehund wollte zukünftig See-Schmetterling heißen, denn von Hunden hielt er nichts. Das Meerschweinchen sagte: „Ich habe Angst vor dem Meer und bin eher ein Hase als ein Schwein, daher dachte ich an Schmetterling.“ Die Schildkröte forschte weiter: Esel und Gans wollten beide keinen Schimpfnamen mehr und hofften auf den neuen Namen Schmetterling. Und der Walfisch behauptete, er sei kein Fisch, und wollte daher lieber Wal-Schmetterling heißen und fügte noch hinzu: „Etwas luftiges, leichtes und elegantes, dachte ich mir.“
Nun, und so kam es, das nach und nach alle Tiere Schmetterling hießen, mit Ausnahme vom Schmetterling natürlich, denn dieser bekam seinen Traumnamen Himmelsgaukler, und der Schildkröte, die beschloss, sich weiterhin Schildkröte zu nennen.
Diesseits / 55cm x 44cm / Acryl auf Aquarellpapier / 2005, Nr.05-012