Seit jeher sind Menschen fasziniert davon, dass man Schall mithilfe von Draht übertragen kann. Es ist dokumentiert, dass dies bereits im 17. Jahrhundert über eine weite Entfernung und sogar über mehrere Ecken gelang. Später kam dann das Schnurtelefon auf, das aber weniger von Kindern, so wie wir es heute kennen, sondern vielmehr von Erwachsenen genutzt wurde und dem damaligen häufigen Zweck entsprechend auch den romantischen Namen Lover’s Phone trug, also Telefon der Liebenden.
Auch unsere Jungs – das Familienoberhaupt eingeschlossen – sind begeistert von geheimnisvollem Getuschel über mehrere Zimmer und Etagen oder Gebüsche und Mauern hinweg, das aber längst nicht mehr über diese ach, so kindischen Dosen-Schnur-Gehängsel, sondern über richtige Walkie Talkies stattfindet. Ein Traumspielzeug, das ich mir übrigens als Kind selber auch so gewünscht, aber aus finanziellen Gründen nie erhalten hatte.
Nun haben die drei Männer unserer Familie sogar ein Sonntagmorgen-Funken institutionalisiert: Samstagabends übergeben die Jungs dem Familienoberhaupt eines der beiden Handfunkgeräte, das dieses an seiner Bettseite auf den Boden legt. Sonntagmorgen dann um Punkt halb neun funken die Jungs abenteuerhungrig das Familienoberhaupt direkt in unser Schlafzimmer an! Sobald sie von ihm via Funk das Okay erhalten, schleichen sie sich dann siegesfreudig in unser Bett.
„Oh, wie cool!“, mögt Ihr jetzt denken. Bestimmt, wenn auch weit weg vom urprünglichen Lover‘s Phone-Gedanke. Denn nun ist es so, dass ich Sonntagmorgen keine Chance mehr habe, von romantischem Liebesgesäusel des Familienoberhaupts geweckt zu werden. Stattdessen ertönt es unromantisch-spitzbübisch neben mir: „Papi an alle! Bahn frei! Fertig!“ – „Verstanden! Platz machen! Fertig!“
Ja, klar. Capito. Mache Platz. Ihr könnt auch noch diese letzte Bastion einer klitzekleinen Privatsphäre stürmen. Fertig.
immer mittwochs im Tagblatt der Stadt Zürich