Die verrückte Evolution der Buntbarsche
Hier soll auf einen jener Artikel aufmerksam gemacht werden, die derzeit besonders dicht an innovative Forschungen in der Biologie heranführen. Erschienen am 16. Dezember 2008. (1) (frei zugänglich --> pdf.) Er fragt nach den Ursachen der Artbildung bei den Buntbarschen.
Natürlich ist schon seit längerem bekannt, daß die Erforschung der ostafrikanischen Buntbarsche, die Erforschung von "Darwin's Traumsee", allerhand zu bieten hat: Schnelle Evolution von vielen Arten auf engem Raum von nur wenigen Ausgangsarten abstammend und gefähr in der gleichen Zeitspanne, in der die menschlichen Völker und Rassen evoluiert sind. Und merkwürdigerweise sogar eben dort, wo auch die Evolution des Jetztmenschen ihren Ausgang nahm: in Ostafrika. Was aber manchem noch entgangen sein könnte bislang, das sind die jüngsten, recht bedeutenden Fortschritte auf diesem Forschungsgebiet. Über diese kann man sich in dem genannten Review-Artikel des Konstanzer Buntbarsch-Spezialisten Axel Meyer und Koautor informieren. (Zu Axel Meyer allgemeiner, auf St.gen. --> hier.)
1. Kreuzungen zwischen Buntbarsch-Arten oft möglich
Hier soll kurz referiert werden, was man diesem Artikel an Neuem entnehmen kann, was bislang noch nicht so deutlich bekannt war. Das sind vor allem Fragen genetischer Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit. Da ist zum einen die Tatsache, daß viele Buntbarsch-Arten miteinander gekreuzt werden können, zumindest unter Laborbedingungen, daß also die Artgrenzen hier mitunter noch nicht so streng sein müssen wie zwischen vielen anderen Arten sonst im Organismen-Reich. Das wäre ein weiterer Hinweis darauf, daß wir hier der Evolution ziemlich gut "in die Karten" schauen können.
2. Buntbarsch-Arten sind sich genetisch ähnlicher als Menschen unterschiedlicher Ethnien
Was aber vor allem ganz neu ist, das sind die Ergebnisse von vergleichenden Genom-Studien zwischen verschiedenen Buntbarsch-Arten, vor allem von fünfen derselben durch eine Arbeitsgruppe, und die anschließenden Fragen und Forschungen, die sich daraus weiter ergeben. Und darüber schreiben Meyer und Koautor nun:
3. Wie funktionieren die "regulativen Elemente" des Genoms?
Wenn also die Ursachen für die Unterschiede zwischen den Buntbarsch-Arten gar nicht so arg leicht in unterschiedlichen Protein-kodierenden Genomsequenzen selbst zu finden sind - wo wohl dann? Nun, wir wissen spätestens seit Sean B. Carroll, daß es da noch mehr geben muß. Kein Wunder also auch, daß sich die Aufmerksamkeit der Buntbarsch-Forscher auf die "regulativen Elemente" des Genoms richtet. Meyer und Koautor schreiben:
Und dann werden sie noch konkreter in ihren Vermutungen, indem sie auf die Besonderheit der Zellen der Neuralleiste ("neural crest") zu sprechen kommen, einer bestimmten Zellschicht im Embryo von Wirbeltieren, auf deren unterschiedlicher weiterer Entwicklung offenbar besonders viele morphologische Unterschiede zwischen Buntbarsch-Arten zurückgeführt werden könnten:
Und dann behandeln Meyer und Koautor Fragen von konvergenter Evolution, Parallelevolution, ohne Simon Conway Morris überhaupt nur zu erwähnen. Und zwar dies unter der vielsagenden Kapitelüberschrift:
Literatur:
1. S KURAKU, A MEYER (2008). Genomic analysis of cichlid fish ‘natural mutants’ Current Opinion in Genetics & Development, 18 (6), 551-558 DOI: 10.1016/j.gde.2008.11.002
Hier soll auf einen jener Artikel aufmerksam gemacht werden, die derzeit besonders dicht an innovative Forschungen in der Biologie heranführen. Erschienen am 16. Dezember 2008. (1) (frei zugänglich --> pdf.) Er fragt nach den Ursachen der Artbildung bei den Buntbarschen.
Natürlich ist schon seit längerem bekannt, daß die Erforschung der ostafrikanischen Buntbarsche, die Erforschung von "Darwin's Traumsee", allerhand zu bieten hat: Schnelle Evolution von vielen Arten auf engem Raum von nur wenigen Ausgangsarten abstammend und gefähr in der gleichen Zeitspanne, in der die menschlichen Völker und Rassen evoluiert sind. Und merkwürdigerweise sogar eben dort, wo auch die Evolution des Jetztmenschen ihren Ausgang nahm: in Ostafrika. Was aber manchem noch entgangen sein könnte bislang, das sind die jüngsten, recht bedeutenden Fortschritte auf diesem Forschungsgebiet. Über diese kann man sich in dem genannten Review-Artikel des Konstanzer Buntbarsch-Spezialisten Axel Meyer und Koautor informieren. (Zu Axel Meyer allgemeiner, auf St.gen. --> hier.)
1. Kreuzungen zwischen Buntbarsch-Arten oft möglich
Hier soll kurz referiert werden, was man diesem Artikel an Neuem entnehmen kann, was bislang noch nicht so deutlich bekannt war. Das sind vor allem Fragen genetischer Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit. Da ist zum einen die Tatsache, daß viele Buntbarsch-Arten miteinander gekreuzt werden können, zumindest unter Laborbedingungen, daß also die Artgrenzen hier mitunter noch nicht so streng sein müssen wie zwischen vielen anderen Arten sonst im Organismen-Reich. Das wäre ein weiterer Hinweis darauf, daß wir hier der Evolution ziemlich gut "in die Karten" schauen können.
2. Buntbarsch-Arten sind sich genetisch ähnlicher als Menschen unterschiedlicher Ethnien
Was aber vor allem ganz neu ist, das sind die Ergebnisse von vergleichenden Genom-Studien zwischen verschiedenen Buntbarsch-Arten, vor allem von fünfen derselben durch eine Arbeitsgruppe, und die anschließenden Fragen und Forschungen, die sich daraus weiter ergeben. Und darüber schreiben Meyer und Koautor nun:
These five species of Lake Malawi haplochromine cichlids were from as different lineages as can be found in this adaptive radiation and represented hugely different lifestyles and, yet, they were genetically more similar than humans of different ethnic groups or different laboratory strains of zebrafish. Because of the remarkable genetic homogeneity of cichlids, the large numbers of genetically extremely similar species of haplochromine cichlids have long been called natural experiments or ‘natural mutagenesis screens’.Das heißt also, die untersuchten fünf Buntbarsch-Arten, die unterschiedlicher nicht sein können von ihren Lebensweisen und Morphologien her gesehen, sind sich genetisch ähnlicher als Menschen unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Also: eine große genetische Ähnlichkeit trotz großer morphologischer und verhaltensmäßiger (phänotypischer) Unähnlichkeit. Und jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie die Evolution hier arbeitet, und ob die Evolution nicht immer und überall schon so gearbeitet hat, allerdings selten so gut beobachtbar wie hier, in "Darwins Traumsee(n)".
3. Wie funktionieren die "regulativen Elemente" des Genoms?
Wenn also die Ursachen für die Unterschiede zwischen den Buntbarsch-Arten gar nicht so arg leicht in unterschiedlichen Protein-kodierenden Genomsequenzen selbst zu finden sind - wo wohl dann? Nun, wir wissen spätestens seit Sean B. Carroll, daß es da noch mehr geben muß. Kein Wunder also auch, daß sich die Aufmerksamkeit der Buntbarsch-Forscher auf die "regulativen Elemente" des Genoms richtet. Meyer und Koautor schreiben:
The evolution of regulatory elements is believed to be a particularly fast and effective means of very rapid phenotypic diversification.Und an dieser Stelle zitieren sie einen Aufsatz von Sean B. Carroll in "Cell", auch von 2008, den man sich noch einmal genauer wird anschauen dürfen. (Sie schreiben dazu: "The author develops verbal models of the genetic basis of phenotypic diversification." - Soll wohl im Klartext heißen: "verbal models" und sonst leider noch nicht sehr viel mehr.) (frei: pdf.) - Dann weiter:
Larger, more representative data sets on regulatory elements and their evolution in cichlid genomes are still lacking, so it is not clear at this point as to whether there is anything special happening in the genomes of cichlids in regard to regulatory evolution. The limited information on this that has been collected so far would appear to suggest that the presence/absence of putative regulatory elements and even micro-RNA is variable and that those regulatory mechanisms are possibly rather quickly evolving, particularly in terms of neo-functionalization and the complementary fixation of regulatory elements in duplicated genes.4. Wo und wie ist genetisch und epigenetisch die Entwicklung der Neuralleiste verschaltet?
Und dann werden sie noch konkreter in ihren Vermutungen, indem sie auf die Besonderheit der Zellen der Neuralleiste ("neural crest") zu sprechen kommen, einer bestimmten Zellschicht im Embryo von Wirbeltieren, auf deren unterschiedlicher weiterer Entwicklung offenbar besonders viele morphologische Unterschiede zwischen Buntbarsch-Arten zurückgeführt werden könnten:
Many of the above-mentioned phenotypic features that are unique to cichlid fishes, namely, morphologies of craniofacial structures (e.g. lips, jaw-shapes, and toothshapes) and body color variation, can be attributed to the patterns of differentiation of neural crest cells. In vertebrate embryos, neural crest cells, that delaminate from dorsal neural fold, migrate to programmed sites, where they differentiate into cephalic skeletal element (e.g. jaws), color pigments such as melanocytes and so on. In general, neural crest cells strongly contribute to the species-specific morphology of craniofacial regions of vertebrates.Also viele der unterschiedlichen morphologischen Merkmale der Buntbarsch-Arten scheinen zurückgeführt werden zu können auf unterschiedliche Entwicklungswege, die schon in der embryonalen Phase eingeschlagen werden besonders in der genannten Neuralleiste (Wiki, Wiki engl.)
However, although the molecular regulatory factors for migration and differentiation of neural crest cells are relatively well studied, this aspect of cichlid biology has not been explored sufficiently. The first developmental studies about jaw and teeth development in cichlids through QTL analyses pointed toward a strong contribution of bone morphogenetic protein 4 (bmp4). These types of experimental approaches that use QTL or association analyses with genetic maps or entire genomic sequences promise in the near future to increase our understanding of molecular genetic basis of the rapid adaptive radiation of this fascinating group of organisms.
Zur Abbildung: Konvergente Evolution von Buntbarschen im Tanganijka- und Malawi-See. - Das Spannende: Genetisch ähnelt jede Art den anderen Arten in ihrem eigenen See, morphologisch jedoch einer konvergeten Art in dem anderen See. - Darwin, das hättest Du nicht gedacht, oder? - Wahnsinn. (Doch, wer weiß, Darwin war Lamarckist ...)5. Und dann noch - - - konvergente Evolution in der "Hexenküche" Darwin's (oder Lamarcks?)
Und dann behandeln Meyer und Koautor Fragen von konvergenter Evolution, Parallelevolution, ohne Simon Conway Morris überhaupt nur zu erwähnen. Und zwar dies unter der vielsagenden Kapitelüberschrift:
Empty morpho-space and massive parallel evolution through re-awakening of developmental programs?Das sind die gleichen Fragen, die sich auch Conway Morris in seinem Buch gestellt hat (ein Buch, das Meyer für seine Kolumne "Quantensprung" allerdings nicht genau genug gelesen zu haben scheint). Und sie schreiben dann:
Did evolution reuse the same developmental pathways to come up independently with similar developmental outcomes or did it find alternative ways to respond to similar ecological challenges? Our bet would be that evolution reawakened developmental pathways independently.Jedenfalls haben sie sicherlich vollkommen recht, wenn sie schreiben:
The recognition that cichlid species flocks also provide a textbook example of parallel evolution or convergence opens up very interesting future research directions that can be addressed only through comparative developmental and genomic approaches.Viele der in diesem Review-Artikel zitierten Arbeiten dürften ebenso spannend sein, wie der Review-Artikel selbst, vor allem die diversen genetischen. Und wir kommen, wenn möglich, auf den einen oder anderen von ihnen noch einmal zurück.
Literatur:
1. S KURAKU, A MEYER (2008). Genomic analysis of cichlid fish ‘natural mutants’ Current Opinion in Genetics & Development, 18 (6), 551-558 DOI: 10.1016/j.gde.2008.11.002