Darum lieben wir «Stromberg»
Den Start der fünften Staffel von Stromberg vor einer Woche hatten nach zwei Jahren Pause nicht nur Kritiker, sondern vor allem die Fans mit Spannung erwartet. Teaservideos auf myspass.de wurden fleißig geklickt und im Internet – sei es via Twitter, Facebook oder in Fanforen – rührten Strombergianer die Werbetrommel für ihren Serienliebling. Mit Erfolg: Insgeamt 2,06 Millionen Zuschauer verfolgten die erste Folge Malik. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen wurde ein Marktanteil von 16 Prozent erreicht. So viel Zuspruch hatte Stromberg vor allem angesichts der Sendezeit am späten Abend selten zuvor erhalten.
Dass der Horrorchef, der seine Mitarbeiter schon seit 2004 auf Pro7 tyrannisiert, das Zeug zur Kultfigur hat, war schon früh klar. Die Fachpresse lobte das Format und dessen derben Witz von Anfang an. Es hagelte Auszeichnungen wie den Adolf-Grimme-Preis in der Kategorie Fiktion und Unterhaltung, mehrere Deutsche Comedy-Preise und schließlich zwei Deutsche Fernsehpreise als beste Sitcom und für das beste Buch. Doch erfahrungsgemäß verspricht ein Kritikererfolg nicht automatisch auch ein Publikumserfolg zu werden.
Die Quoten der ersten beiden Stromberg-Staffeln konnten Pro7 jedenfalls nicht zufriedenstellen. Die Marktanteile in der relevanten Zielgruppe blieben unter dem Senderschnitt von 13 bis 14 Prozent. Doch der Sender hielt – auch dank zahlreicher Faninitiativen – an dem Format fest. Warum Stromberg so beliebt ist? Diesen fünf Erfolgsfaktoren hat die Serie ihren Kultstatus zu verdanken:
1. Mockumentary: Stromberg ist keine gewöhnliche Comedy-Serie, sondern eine Mockumentary, die das im deutschen Fernsehen recht inflationär gebrauchte Format der Doku-Soap parodiert. Die Kamera und das Kamerateam werden bewusst in die Handlung integriert. Gelegentlich treten sie als heimliche Beobachter auf, mit denen die Figuren interagieren, sobald sie sich ertappt fühlen. Auch in der fünften Staffel wird das als Stilmittel verwendet: Weil eine Kollegin nicht ins Fernsehen will, wird sie einfach verpixelt.
So konsequent Stromberg bei den Figuren und deren Inszenierung übertreibt, so realistisch ist der in der Serie dargestellte Büroalltag. Bernd Stromberg als Antiheld ist nicht nur Hassobjekt, sondern auch ein armer Kerl, in dessen Komik so viel Tragik liegt, dass es manchmal wehtut. Statt Verachtung stellt sich – das beweisen seine Fans – daher nicht selten Bewunderung dafür ein, dass er ausspricht, was sich andere – der Zuschauer inklusive – nicht trauen. In jedem noch so fiesen Spruch und jeder noch so skurrilen Situation erkennt man sich oder sein Umfeld wieder, ob man will oder nicht.
2. Christoph Maria Herbst: Ohne ihn wäre Stromberg undenkbar. Wer seinen Namen hört, denkt an das Büroekel von Pro7. Im Spiegel-Interview verriet Herbst: «Tatsächlich, ich habe das alte Arschloch lieb. Eigentlich möchte man ihn doch die ganze Zeit in den Arm nehmen und ihm parallel in den Hintern treten.» Seinen Fans dürfte er damit aus der Seele sprechen. Wenn man jemandem die Rolle eines politisch-inkorrekten, ignoranten und doch allzu menschlichen Charakters abnimmt, dann ihm.
Drei Monate frotzelte Herbst als sein Alter Ego für die fünfte Staffel. Keine Rolle für die Ewigkeit, wie der Schauspieler schon einmal durchblicken ließ. Bleibt zu hoffen, dass es Stromberg nicht irgendwann wie dem amerikanischen Vorbild The Office ergeht, das künftig ohne seinen Star Steve Carell auskommen muss.
3. Fremdscham: Immer wenn jemand eine Norm oder die Regeln des guten Geschmacks verletzt, schämen sich Menschen mehr oder weniger stark fremd. Bei Stromberg ist das quasi nonstop der Fall. Wer ihm zusieht, wie er von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt, sich vor lauter Größenwahnsinn wieder bis auf die Knochen blamiert oder sich in einem der vielen Interviews nach allen Regeln der Kunst selbst belügt, schwankt zwischen Scham, Mitleid und Schadenfreude. Eine wichtige Ventilfunktion, wie Herbst gegenüber dem Spiegel erklärte: «Andere leiden für einen und leben diese ganzen menschlichen Affekte aus, damit man selbst geläutert und gefasst in sein Leben treten kann.»
4. Marketing: Pro7 ist nicht auf den Kopf gefallen und vermarktet die Comedy-Serie im Voraus jeder neuen Staffel in einer groß angelegten Kinotour. So wurden die ersten vier Folgen der aktuellen Staffel in ausgewählten Kinos bundesweit vor ihrer Ausstrahlung gezeigt. Hauptdarsteller Herbst und Produzent Ralf Husmann gaben Hintergründe und Anekdoten vom Set preis. So schafft man Fannähe und macht Lust auf mehr. Das gilt auch für Seiten wie myspass.de oder Websites zur fiktiven Capitol Versicherung AG oder zum fiktiven Finsdorf, die Fans neben der offiziellen Serienhomepage bei Laune halten sollen und das Format der Mockumentary bis ins Internet fortsetzen.
Stromberg für Zuhause gibt es dieses Mal schon kurz nach Staffelstart. Seit 11. November ist die DVD-Edition zur fünften Staffel erhältlich, wieder in einem besonderen Design, nämlich als Pappaufsteller im Schreibtischlook. Wer sich jetzt noch nicht selbst als Bürohengst fühlt, kann seine Sprachkenntnisse mit dem 2007 erschienenen Wörterbuch Chef-Deutsch/Deutsch-Chef: Klartext am Arbeitsplatz aus der Feder von Bernd Stromberg aufpeppen. Ein Rundumsorglospaket für Fans.
5. Fangemeinde: Die Strombergianer sind eine eingeschworene Community. Nach zwei Staffeln kämpften sie auf welovestromberg.de für das Weiterleben ihrer Lieblingsserie und sammelten mit einer Onlinepetition über 22.000 Unterschriften. Auf Facebook gefällt der Bürotyrann mehr als 460.000 Usern. Und diese sind voll des Lobes: Von «genial» über «megageil» bis hin zu «die beste Staffel von allen» lauten die aktuellen Kommentare. Die Sterne für einen weiteren Quotenerfolg stehen also nicht schlecht. Und vielleicht auch für eine sechste Staffel. Eine Facebook-Fanseite dazu gibt es jedenfalls schon.
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Stromberg, dienstags, 22.10 Uhr, Pro7
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Bürowahnsinn im TV – Darum lieben wir «Stromberg»
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