Darum bekam Snowden den Friedenpreis 2013 verliehen

Friedenspreis oder Friedensnobelpreis? Letzterer verbietet sich inzwischen wegen fehlender ethischer Hygiene. Ersterer hingegen hat hoffentlich eine große Zukunft vor sich, da er noch unbefleckt ist

SnowdenGing der Friedensnobelpreis in früheren Jahren an wirkliche Größen der Menschheitsgeschichte wie Bertha von Suttner oder Albert Schweitzer, so ist er heute ein Sammelbecken für Preisträger wie Al Gore, Barack Obama und die Europäische Union. Somit ist der Friedenspreis der ‘International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms’ (IALANA) heute die bessere Alternative für Edward Snowden. Die deutsche Sektion der Vereinigung, die ‘Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen’, hat im Schulterschluss mit der ‘Vereinigung deutscher Wissenschaftler’ (VDW) eine ausführliche Darstellung der Gründe für die Preisvergabe an Snowden ins Netz gestellt.

Eine ausführliche und vollständige Aufzählung der Gründe für die Preisvergabe an Snowden von jenen, die ihm diesen Preis verliehen

IALANA
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Berlin, 25. Juli 2013

Begründung der Jury zur Vergabe des Whistleblower- Preises 2013 an den Whistleblower Edward J. Snowden

I. Feststellung und Enthüllung eines Missstandes als Insider (»revealing wrongdoing«)

Edward J. Snowden arbeitete bis zu seiner Flucht nach Hongkong im Frühjahr 2013 für einen Subunternehmer des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes NSA, hatte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die höchste Geheimhaltungsstufe und damit Zugang zu streng geheimen Informationen über die Überwachungspraktiken der NSA sowie anderer westlicher Geheimdienste.

Die Enthüllungen von Edward J. Snowden machen es nach Ansicht der Jury möglich und unausweichlich, die Fakten- und Beweislage durch Regierung, Parlament, Gerichte und die kritische Öffentlichkeit intensiv zu klären und auf gesicherter Tatsachengrundlage dann zu prüfen, ob und in welcher Hinsicht das durch Snowden aufgedeckte Verhalten und Vorgehen in- und ausländischer geheimdienstlicher Stellen geltendes Recht verletzt haben.

Selbst wenn sich dann herausstellen sollte, dass sich die nachrichtendienstlichen Ausspähaktionen teilweise oder überwiegend auf geltendes Recht stützen können, hätte Snowdens Whistleblowing jedenfalls solch bedrohlichen Zustände aufdecken helfen, die in einem demokratischen Gemeinwesen nicht hingenommen werden können.

1. Bisher bekannte Faktenlage

Durch den Whistleblower Snowden sind vor allem folgende Missstände oder jedenfalls der dringende Verdacht ihrer Existenz bekannt geworden:

a) Der US-Militärgeheimdienst NSA überwacht u.a. mit seinem Ausspähprogramm PRISM weltweit, aber auch insbesondere in Deutschland offenbar verdachtsunabhängig allumfassend die Mobilfunkkommunikation, den Internetverkehr, PCs und Telefondaten, u.a. durch erzwungene Kooperation u.a. mit den IT-Unternehmen Google, Apple, Facebook, Microsoft, u.U. auch außerhalb der USA durch Anzapfen von Unterwasser-Glasfaserkabeln und/oder durch unbefugtes Eindringen in IT-Schnittstellen. Ungeklärt ist bislang, welche Art von Daten (»Meta-Daten« oder auch »Dateninhalte«) jeweils erfasst, gespeichert und ausgewertet wurden und werden.

b) James R. Clapper, Nationaler Geheimdienstdirektor (Director of National Intelligence) der USA seit 2010, ist mit seiner in einem Hearing des US-Kongresses am 12.3.2013 gemachten Aussage, es gebe keine Vorratsspeicherung von Daten amerikanischer BürgerInnen durch die NSA, aufgrund des Whistleblowing Edward Snowdens der Lüge überführt worden.

c) Der brit. Geheimdienst GCHQ (Government Communication Headquarter) zapft offenbar ebenfalls anlasslos und verdachtsunabhängig Schnittstellen von im Vereinigten Königreich anlandenden Unterwasser-Glasfaserkabeln an, um damit den gesamten Telefon- und Internetverkehr (Meta-Daten und Kommunikationsinhalte) zu speichern und mit hochleistungsfähigen Programmen auszuwerten.

d) Zwischen den Auslandsgeheimdiensten NSA (USA), GCHQ (U.K.) sowie von Diensten Kanadas, Australiens und Neuseelands werden die mit Ausspähungsprogrammen gewonnenen Daten über in- und ausländische Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit wechselseitig ausgetauscht; damit werden für den jeweiligen Auslandsgeheimdienst bestehende Verbote der Inlandsspionage de facto umgangen und missachtet.

e) Büros der Europäischen Union in Washington, New York und Brüssel sollen durch die NSA und/oder GCHQ »verwanzt« worden sein, um insbesondere politische Entscheidungsträger aus den EU-Staaten auszuspionieren. Gleiches geschah bei einem der G20-Gipfel 2009, als die NSA oder GCHQ hochrangige Politiker und ihr Umfeld unter Verletzung geltenden Völkerrechts ausspähten.

f) Zu klären wird sein, ob, wie Snowden öffentlich behauptet hat, Stellen deutscher Geheimdienste bei der enthüllten Abhörpraxis mit der NSA »unter einer Decke« stecken. Inwieweit sind Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz etwa durch die Anwendung des Auswertungsprogramms XKeyscore an der Sammlung, der Auswertung und dem Austausch von geschützten Daten beteiligt? Die Öffentlichkeit hat auch ein Anrecht darauf zu erfahren, welche Rolle das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik BSI bei den Vorgängen spielt. Die Behörde in Frankfurt soll ein Schlüsselpartner der NSA in Deutschland sein. Ein anderer US-Whistleblower, der frühere NSA-Angestellte Thomas Drake, hat Snowdens Diagnose dieser Tage bestätigt: »Deutschland wird als Drittland betrachtet. Aber die NSA hat langjährige geheime Abkommen mit dem BND. Und der BND hat seine eigenen Abkommen mit verschiedenen Telekomunikationskonzernen« (TAZ vom 18.7.2013).

2. Beweislage

a) Die weltweite intensive US-Fahndung nach dem Whistleblower Snowden als einem »hochkriminellen Landesverräter« mit all ihren Begleiterscheinungen (massive Warnungen an potenzielle Asyl- und Aufnahmeländer; Auslieferungsbegehren; Druck auf Staaten zur Verweigerung von Überflugrechten; dadurch erzwungene Notlandung des bolivianischen Präsidenten Morales) und die dies rechtfertigenden Erklärungen von US-Präsident Obama können nur so verstanden werden, dass Snowden offenkundig empfindliche und für die US-Regierung peinliche Wahrheiten enthüllt hat.

b) NSA-Direktor Keith Alexander hat zwischenzeitlich zur Diskussion über die Zusammenarbeit mit deutschen Diensten eingeräumt: »Wir sagen ihnen nicht alles, was wir machen oder wie wir es machen. … Aber jetzt wissen sie es eben« (FAZ v. 20.7.2013).

c) Soweit die Bundesregierung und die zuständigen deutschen Behörden Zweifel an der Fakten-oder Beweislage haben sollten, ist nicht ersichtlich, warum sie nicht alles Erforderliche tun, um Edward J. Snowden durch deutsche Staatsanwälte als Zeugen zur Klärung bestehender Zweifel vernehmen zu lassen. Warum sind sie nicht bereit, ihn im Inland in ein Zeugenschutzprogramm (wie vor einiger Zeit einen Übergeber von Daten Schweizer Bankkonten deutscher Steuerkrimineller) aufzunehmen, ihm einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland (z.B. nach § 22 AufenthaltG) sowie hinreichenden Schutz vor Auslieferung zu gewähren, damit er hier als Zeuge für die erforderliche Aufklärung zur Verfügung steht?

II. Alarmierung der Öffentlichkeit durch den Whistleblower (»going outside«)

»Es gibt Zeiten, in denen klar wird, wie die Welt wirklich tickt, was ihre wahren inneren Gesetze sind. Dann fallen Schleier, die Welt sieht plötzlich anders aus. Es sind jetzt solche Zeiten.«, schreibt der Spiegel am 8. Juni 2013.

Der Mann, der solche Schleier zerriss, ist Edward J. Snowden. Er hat ab Anfang Juni 2013 ausgewählte Informationen dem britischen Guardian, dann auch der Washington Post und dem Spiegel und damit der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Diese berichten seitdem hierüber mit großer öffentlicher Resonanz. Außerdem hat er dem Guardian ein vielbeachtetes Interview gegeben und weitere Enthüllungen angekündigt. Darin unterscheidet sich sein auf Herstellung von Transparenz gerichtetes Verhalten gerade von Landesverrätern oder Agenten, die mit ausländischen Geheimdiensten kooperieren und ihr Verhalten vor der Öffentlichkeit bewusst verbergen.

III. Primär am Gemeinwohl orientiertes Whistleblowing (»serving the public interest«)
a) Nach seinen eigenen Angaben hat Whistleblower Snowden nicht zu seinem persönlichen Vorteil, sondern im öffentlichen Interesse gehandelt. Er habe die Informationen über die Überwachungsprogramme veröffentlicht, weil er der festen Überzeugung sei, dass so weit gehende Eingriffe in die Privatspäre der BürgerInnen von diesen unmittelbar gebilligt werden müssten. Im Interview mit dem Guardian sagte er: »This is something that›s not our place to decide, the public needs to decide whether these programs and policies are right or wrong. And I‹m willing to go on the record to defend the authenticity of them and say, ›I didn‹t change these, I didn›t modify the story. This is the truth; this is what‹s happening. You should decide whether we need to be doing this.›«

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er mit seinem Whistleblowing persönliche Vorteile erstrebte, liegen nicht vor. Auch seine Gegner haben ihm Gegenteiliges nicht nachweisen können. Ob er aufgrund jahrelanger Erfahrungen als Angestellter im Geheimdienstbereich schon mit dem Ziel, Missstände bei der NSA aufzudecken, beim NSA-Subcontractor Booz Allen angeheuert hat, wie er in einem Interview gesagt haben soll, ist in diesem Zusammenhang belanglos. Es mindert nicht die Bedeutung der Enthüllungen oder die Honorigkeit des Whistleblowers, wenn er sich – ähnlich wie seinerzeit etwa Günter Wallraff – aktiv in der ihm geeignet erscheinenden Weise um die Aufklärung von gravierenden Missständen bemüht, ohne vorher sein Vorhaben zu offenbaren.

b) Öffentliches Interesse an Snowdens Whistleblowing
Die Enthüllung von verdachtsunabhängigen Überwachungs- und Spionageprogrammen in einem bis dahin – trotz Echolon-Erfahrungen – politisch und auch technisch kaum für möglich gehaltenen Umfang löste vor allem in Deutschland und in der EU wichtige politische und gesellschaftliche Debatten über die Aktivitäten der NSA und anderer Geheimdienste aus.

(1) Zu Recht wird jetzt endlich nach den Rechtsgrundlagen und den politischen Verantwortlichkeiten für diese offenbar flächendeckenden Totalüberwachungen gefragt. Dabei ist deutlich geworden, dass in Deutschland nach dem Ende der Besatzungszeit an die Stelle früherer alliierter Vorbehaltsrechte völkerrechtliche Verträge (z.B. Art 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut) und offenbar auch geheime Verwaltungs- und Behördenabkommen getreten sind, die den US-Streitkräften und ihren nachrichtendienstlichen Aktivitäten in Deutschland zu weite Handlungsspielräume eröffnen.

(2) Es rücken jetzt auch die Fragen in das öffentliche Blickfeld, ob diese nachrichtendienstliche Ausspähpraxis der »Freunde« in Deutschland an den parlamentarischen Kontrollgremien vorbeigelaufen ist und ob das Ausführungsgesetz zu Art. 10 GG (»G10-Gesetz«) diese Ausspähaktivitäten der NSA – unter Umständen im Zusammenwirken mit deutschen und anderen Geheimdienststellen – ermöglicht oder gar gefördert hat. Hinzu kommt: Geheimdienste, die nach nahezu jeder – vermeintlichen oder realen – neuen Bedrohungslage mehr und mehr Befugnisse erhalten und empirisch feststellbar personell mehr und mehr aufgestockt werden, erweisen sich zunehmend strukturell als durch demokratische Instanzen kaum noch kontrollierbar.

(3) Das Whistleblowing Snowdens macht auch die Frage virulent, ob die deutschen Strafgesetze ausreichen, um Betriebe und Unternehmen gegen die Verletzung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor nachrichtendienstlicher Agententätigkeit (»Industriespionage«) hinreichend zu schützen. Erkennbar zweifelhaft geworden ist, ob die geltenden deutschen Strafgesetze (u.a. § 201 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, § 202 StGB Verletzung des Briefgeheimnisses, § 203a StGB Ausspähen von Daten, § 202b StGB Abfangen von Daten und § 202c StGB Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten) wirksam genug sind, um die Bürgerinnen und Bürger vor schweren Verletzungen ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zu bewahren.

Dabei geraten u.a. Regelungen im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut in die Kritik, die die US-Streitkräfte und ihr ziviles Gefolge in wichtigen Bereichen der deutschen Strafgerichtsbarkeit entziehen. Für in Deutschland von einem Mitglied der US-Truppen oder ihres zivilen Gefolges begangene »Straftaten in Ausübung des Dienstes« ist nach Art. 18 dieses Zusatzabkommens das Recht der USA »maßgebend«. Außerdem ist in Art. 17 ZA-NTS eine Sonderregelung dahingehend getroffen worden, dass die Entscheidung, ob bei einer von Angehörigen der Truppe eines Entsendestaates oder ihres zivilen Gefolges begangenen Straftat die deutsche oder die US-Gerichtsbarkeit zuständig ist, die zuständige US-Behörde berechtigt ist, auf Anforderung der deutschen Staatsanwaltschaft »mitzuteilen«, ob die Handlung nach dem Recht der USA strafbar ist oder nicht.

(4) Immer klarer ist auch geworden: Das Grundrecht der Post- und Fernmeldefreiheit (Art. 10 GG) steht heute in Deutschland de facto offenbar nur noch auf dem Papier. Rechtsverletzungen kann nur sehr unvollkommen begegnet werden. Das ist ganz wesentlich u.a. darauf zurückzuführen, dass mit der 1968 im Rahmen der Notstandsgesetzgebung erfolgten Änderung des Art. 10 GG eine Kontrolle von Grundrechtseingriffen durch unabhängige Gerichte weitgehend abgeschafft worden ist. Und dies in einer Situation, in der auf den nationalstaatlichen Raum begrenzte Kontrollinstanzen ohnehin nur rudimentär den Herausforderungen gerecht werden können, die sich aus der Globalisierung der heutigen Kommunikations-, Speicherungs- und Überwachungsmöglichkeiten ergeben.

(5) Durch das Whistleblowing Snowdens ist einer größeren Öffentlichkeit ferner besonders deutlich geworden, dass es nicht nur im Inland, sondern europaweit und global an wirksamen völkerrechtlichen Regelungen und Verfahren zum Schutz der Internet- und Mobilfunkkommunikation und der Persönlichkeitsrechte der BürgerInnen insbesondere auch vor nachrichtendienstlichen Ausspähungen fehlt. Nationales und internationales Recht müssen deshalb im Hinblick auf die neuen technologischen und politischen Entwicklungen des IT-Zeitalters im Lichte der Menschenrechte reformiert werden.

Es muss erreicht werden, dass alle BürgerInnen gegen geheimdienstliche Eingriffe z.B. der NSA oder des BND vor unabhängigen Gerichten sowohl in den USA als auch in den EU-Mitgliedsstaaten wirksamen Rechtsschutz erhalten. Alle Staaten müssen sich zudem vorbehaltlos der Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshof in Den Haag unterwerfen (Art. 36 des IGH-Statuts), damit Staaten, die geltendes Völkerrecht verletzen, dafür vor diesem Hauptrechtsprechungsorgan der UNO zur Rechenschaft gezogen werden können. Auch Deutschland hat eine solche vorbehaltlose Erklärung bislang nicht abgegeben.

(6) In dieser Situation Bürgerinnen und Bürger darauf zu verweisen, sie selbst seien für ihren Schutz vor digitalen Ausspähungen und anderen Gefahren verantwortlich, ist zynisch. Wem es »nur« um das »Recht auf Privatheit« geht, der kann sich möglicherweise durch Verschlüsselung und digitale Abstinenz vom gesellschaftlichen Diskurs abmelden. Wer aber an Partizipation und Mitbestimmung in prinzipiell allen gesellschaftlichen Angelegenheiten interessiert ist, muss gerade daran arbeiten, dass seine »Stimme« gehört wird und Niederschlag in den Kommunikationsbeziehungen findet. Wer seine »Stimme« für sich behält, wird zum Nichtwähler der digitalen Demokratie. Demokratie erfordert, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht unsichtbar werden. Von zentraler Bedeutung ist vielmehr, dass sie für die von ihnen, dem demokratischen Souverän, zu kontrollierenden Machtinstanzen »undurchschaubar bleiben«.

(7) Deutlich geworden ist durch die Enthüllungen Snowdens schließlich: Für den Fortbestand der Demokratie sind zivilgesellschaftliche Wachsamkeit und eine effektive Kontrolle der Nachrichtendienste und anderer Institutionen staatlicher Machtausübung unerlässlich. Dafür sind Whistleblower von zentraler Bedeutung. Deshalb ist ein wirksamer rechtlicher Schutz von Whistleblowern sowie die Entwicklung und Pflege einer gesellschaftlichen »Kultur des Whistleblowing« unverzichtbar, gerade auch in Deutschland, das hier besondere Defizite aufweist.

IV. Inkaufnahme erheblicher Risiken durch den Whistleblower (»risking retaliation«)

Das FBI hat am 14. Juni 2013 Strafanzeige gegen Snowden erstattet. Ihm wird – bisher – Diebstahl von Regierungseigentum, widerrechtliche Weitergabe geheimer Informationen sowie Spionage vorgeworfen. Damit droht ihm eine Gefängnisstrafe von 30 Jahren. Die USA haben seine Auslieferung zunächst bei der chinesischen und dann bei der russischen Regierung beantragt. Er ist auf der Flucht. Seine Freiheit und seine bürgerliche Existenz sind dauerhaft bedroht.

Wer könnte berufener sein, dem bedrängten US-Bürger Asyl vor staatlicher politischer Verfolgung durch sein Heimatland, zumindest einen sicheren Aufenthaltsort anzubieten als Deutschland, das von den NSA-Ausspähaktionen offenbar besonders betroffen ist! Aber auch die EU insgesamt ist gefordert.
Der US-Bürger Edward Snowden hat mit seinem Whistleblowing Deutschland und den anderen EU-Mitgliedsstaaten einen großen Dienst erwiesen. Deshalb sollten EU-Staaten wie Deutschland und andere darum wetteifern, ihn aufzunehmen und zu schützen: Aus Überzeugung, aber auch aus Dankbarkeit.
Der Jury von VDW und IALANA zur Vergabe des Whistleblowerpreises gehören an:

Dr. Peter Becker
Dr. Dieter Deiseroth
Dipl.-Pol. Annegret Falter
Prof. Dr. Hartmut Grassl
RA Otto Jäckel

Mit dem Erhalt dieses Preises steht Edward J. Snowden in einer Reihe mit Persönlichkeiten wie

1999: Alexander Nikitin – ehemaliger sowjetischer Marinekapitän, der auf unsichere Atommülllager und gefährliche Praktiken der russischen Nordmeerflotte aufmerksam machte;

2001: Margrit Herbst – deutsche Tierärztin, die 1994 die Öffentlichkeit über die Vertuschung der ersten BSE-Fälle informierte;

2003: Daniel Ellsberg – hochrangiger Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums, der 1971 die Pentagon-Papiere an die Presse weitergab;

2005: Theodore A. Postol – Physiker am MIT, der das US-Raketenabwehrprogramm GMD kritisierte und dabei dem Lincoln Laboratory des MIT Wissenschaftsbetrug sowie dem MIT selbst Vertuschung vorwarf;

2005: Árpád Pusztai – Biochemiker am Rowett Institute in Aberdeen, der bei Ratten-Fütterungsversuchen mit Gen-Kartoffeln Schäden am Immunsystem und Wachstumsstörungen von Organen feststellte und dies veröffentlichte;

2007: Liv Bode – deutsche Ärztin, die den Verdacht der Kontamination von Plasmaspenden mit infektiösen Bestandteilen von Bornavirus im Bereich der Infektionsforschung am Robert-Koch-Institut zu klären versuchte;

2007: Brigitte Heinisch – Altenpflegerin in einer Berliner Einrichtung, die die dortige unzureichende Pflege und Betreuung alter und hilfebedürftiger Menschen öffentlich machte.

2009: Rudolf Schmenger und Frank Wehrheim – für die Aufdeckung von Steuerhinterziehung der Commerzbank und Deutsche Bank von 500 Mio. Euro und ihren Einsatz für den Erhalt effektiver Arbeitsmethoden bei der Steuerfahndung Frankfurt im Kampf gegen Steuerhinterziehung – auch gegen den Widerstand der Finanzverwaltung.

2011  Dr.  Rainer Moormann einen kritischen Kernenergiespezialisten am Forschungszentrum Jülich, der aufdeckte, dass der dortige 1988 stillgelegte Versuchsreaktor im Normalbetrieb jahrelang unzureichend gegen überhöhte Betriebstemperaturen im Reaktorkern gesichert war und dass es sich dabei um eine generelles Risiko dieses Reaktortyps handelt.
2011 an die Persönlichkeit, die das Video “Collateral Murder” über Wikileaks publik gemacht hat, wobei das Preisgeld zwischenzeitlich zur Unterstützung des US-Gefreiten Bradley Manning verwendet wurde, der wegen dieses Sachverhalts in den USA in Haft ist und angeklagt wird.

2013 an Edward Snowden, für die Offenlegung der flächendeckenden Überwachung durch amerikanische und britische Geheimdienste. Dieser Preis wird erstmals unter Beteiligung von Transparency International Deutschland vergeben – geplanter Termin für die Preisvergabe ist der 30.08.2013).

Quellen:



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