„In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist". Diesen Satz beten die Kirche im Abendgebet, der Komplet, ach der Lesung. Bei diesen Worten muß ich an Simeons Weissagung, „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.“ (Lk 2, 29), und an die letzte Worte Jesu, „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist", (Lk 23, 46) denken.
Auf den ersten Blick passen beide Begebenheiten aus dem Leben Jesu nicht zusammen. Die eine steht am Anfang und die andere am Ende seines Lebens. Und doch gibt es eine Verbindung. Sowohl die Aussage Simeons als auch die von Jesus sind kurz vor deren Tod ausgesprochen. Simeon spricht sie als betagter alter Mann, der jeden Tag mit seinem Tod rechnet. Jesus haucht seine letzten Worte kurz vor seinem Sterben vom Kreuz herab.
Simeon ist ein alter Mann, der auf ein Leben zurückblickt, das mit der Sehnsucht nach dem Erlöser einherging. Endlich die erlösende Antwort, daß es Erlösung gibt. Die Sehnsucht, sein Leben mit all seinen Mühen nicht in die Leere Fallen zu sehen. Die Sehnsucht, daß Gott seine Hand in die sichtbare Welt ausstreckt, um uns aus dem Jammertal zu retten; die Tür zum Himmel zu öffnen.
Geht uns nicht manchmal am Abend ähnlich? Die Arbeit ist getan, wir fühlen uns ausgelaugt und erhoffen uns einen erholsamen Abend. Wir schauen auf das getane Tageswerk zurück und können mit einer Zufriedenheit sprechen: „Vater, jetzt kann ich alles in deine Hände legen, denn ich habe dein Wirken den Tag über in meinem Leben erfahren, gespürt. Ich ahne, daß du alles zu einem guten Ende führst. Ich bin dir dankbar!
Jesus dagegen ist auf dem Höhepunkt des menschlichen Lebens. 3 Jahre hat er in der Öffentlichkeit gewirkt und das Reich Gottes verkündet. Nun hängt er am Kreuz. Alle seine Mühen und seine Liebe scheint vergebens zu sein.
Eine Situation, die uns vertraut sein kann; die wir vielleicht schon einmal erfahren haben. Da mühen wir uns den Tag über ab und am Abend beschleicht uns das dumpfe Gefühl: Alles ist vergebens!
Jesus legt in diesem Moment alles in die Hände seines Vaters. Eine Einladung an uns, es ihm gleich zu tun. Scheinen die Mühen des Tages vergebens zu sein, dürfen wir alles vertrauensvoll in die Hände Gottes übergeben. Das, was für uns bruchstückhaft wirkt, wird in den Händen Gottes doch seinen Wert haben. Er wird es zur Vollendung führen, unserer Auferstehung entgegen.
„In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist". Dieser Satz aus der Komplet begleitet mich seit meinem Freisemester. Für mich ist er ein Ausdruck des Vertrauens in Gott, daß ich mein gelungenes wie mißlungenes Tagewerk in seine Hände legen kann.
Jeder neuer Tag, den wir erleben, ist ein Geschenk Gottes. Ein Geschenk, an dem uns Gott neu die Möglichkeit schenkt, sein Reich neu aufstrahlen zu lassen. Eine neue Möglichkeit, aus einer vertrauensvollen Beziehung zum ihm heraus das Leben zu gestalten.
„In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist". Amen.