Neulich eine Erinnerung aus längst vergangenen Tagen: Es war einer dieser endlosen Dienstage. Dienstage waren bei uns immer endlos, denn dann traf sich „Meiners“ Lehrerkollegium zu nicht immer produktiven Sitzungen. Als unsere Kinder noch klein waren, hasste ich diese Dienstage wie die Pest, denn man konnte nie wissen, wann und in welcher Stimmung „Meiner“ nach Hause kommen würde. Einziger Lichtblick waren die Abende, an denen er mir von besonders wichtigen Sitzungstraktanden berichten konnte. Also zum Beispiel von der Episode, als zwei reich verheiratete, kinderlose Lehrerkolleginnen über die Frage debattieren wollten, ob sie auch verpflichtet seien, den vollen Jahresbeitrag von 25 Franken an die Kaffeekasse zu leisten, wo sie doch ihren Kaffee stets schwarz und ohne Zucker tränken.
Aber kommen wir zurück zu diesem elenden Dienstag, den ich neulich auf einmal wieder so lebhaft in Erinnerung hatte. Karlsson war damals noch klein, Luise sehr klein und der FeuerwehrRitterRömerPirat winzig. Mitten in diese ohnehin schon anstrengende Situation platzte die Magen-Darm-Seuche, die mich mit heftigen Magenkrämpfen und Schwindelanfällen buchstäblich in die Knie zwang. Ich konnte ja meine Kinder keinen Augenblick aus den Augen lassen und so kniete ich jammernd und stöhnend auf dem Fussboden, versuchte die Knöpfe im Griff zu behalten und sehnte den Moment herbei, in dem „Meiner“ endlich auf dem weissen Pferd durch die Tür geritten käme, um mich zu erlösen. (Ich hab’s ja gewöhnlich nicht so mit schwächelnden Prinzessinnen und heldenhaften Prinzen, aber in diesem Fall konnte ich nicht anders.) Nun, irgendwann war er endlich da, ich überliess ihm die Kinder und gab mich ganz den Käfern hin, bis ich am nächsten Morgen wieder mit rebellierendem Magen und weichen Knien zum Dienst antrat.
So handgestrickt ging das damals bei uns noch zu und her. Heute handhabe ich so eine Magen-Darm-Geschichte natürlich viel professioneller. Selbstverständlich lasse ich mich schon längst nicht mehr überraschen von so etwas, denn heutzutage schleppen mir die Kinder – die ja immer unbedingt haben müssen, was alle andern auch haben – die Käfer ins Haus. Nach zwei oder drei Patienten weiss ich ziemlich genau, mit wie vielen Krankheitstagen zu rechnen ist und wie lange der Käfer braucht, um vom einen zum anderen zu wandern. So kann ich ziemlich präzise abschätzen, wann und wie lange es mich erwischen wird. Ausserdem habe ich heute natürlich viel mehr Zeit, auch nur beim kleinsten Bauchgrimmen in mich hinein zu hören, um zu spüren, was die Ursache für mein Unwohlsein sein könnte. Ein Luxus, den ich mir früher nicht erlauben konnte.
Auf diese Weise vorgewarnt muss ich nur noch auf das erste Schwindelgefühl warten, das mir sagt, dass mir maximal 12 Stunden bleiben, ehe mich der Käfer ins Bett zwingt. Dies ist der Moment, in dem ich a) umgehend die Nahrungszufuhr einstelle, um mir selber zu ersparen, was den Kindern so zugesetzt hat und b) alles, was gerade ansteht, erledige. Also zum Beispiel die fast überreifen Aprikosen zu Confiture verarbeiten, die Einmachgurken einkochen, den Sauerteig für Montag bereitstellen, die Küche aufräumen und im Garten das Allernötigste erledigen. Dann bleibt mir gerade noch genug Zeit, den Blogtext, der mir während der Arbeit im Kopf herum geschwirrt ist, in die Tasten zu hauen, ehe ich ausser Gefecht gesetzt bin.
Weil „Meiner“ inzwischen ähnlich professionell ist im Umgang mit den Käfern, stimmt er seine Seuchentage perfekt auf meine ab, so dass er bereits wieder halbwegs im Strumpf ist, wenn ich mich gezwungen sehe, das Bett aufzusuchen.
Selbstverständlich legen wir solche Episoden inzwischen auch stets in die Nähe des Wochenendes. Den Anfängerfehler, die Magen-Darm-Seuche an einem Dienstag an uns heranzulassen, begehen wir schon längst nicht mehr. Dienstag ist nämlich noch immer der Tag der Lehrersitzungen. (Da aber diese Sitzungen heutzutage von kompetenten Menschen geleitet werden, sind sie nicht mehr ganz so endlos, dass ich sehnsüchtig darauf warten müsste, bis „Meiner“ auf dem weissen Pferd über die Schwelle geritten kommt. Und inzwischen wäre sogar das eine oder andere Kind in der Lage, mich zu vertreten, bis er da ist, um den Laden zu übernehmen.)