Darf’s a bisserl mehr sein: Ärztliches Körberlgeld am Pranger

Darf’s a bisserl mehr sein: Ärztliches Körberlgeld am Pranger

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GTL | 8.10.2014 | Kommentare (0)

 

Darf’s a bisserl mehr sein: Ärztliches Körberlgeld am Pranger

Dass das Gesundheitswesen einen Wirtschaftsfaktor darstellt, sollte uns nicht neu sein und dass das ärztliche Einkommen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auf Mehrleistungen beruht, auch nicht.
Was liegt da näher, als Einkommensverluste durch sinkende (= u.a. nicht inflationsbereinigte) Kassentarife durch das Angebot von "Extraleistungen" (die Deutschen nennen das IGEL (=Individuellen Gesundheitsleistungen) aufzufangen. Zufällig stolperte ich über diese deutsche Anweisung zur Privatliquidation aus dem Jahre 2002, wo explizit geraten wurde den Patienten ein Schilddrüsen-Screening anzubieten, auch wenn dies von den Pflichtversicherungen nicht abgedeckt wird:

Tipp: Machen Sie Ihren Patienten bei der IGEL-Aufklärung deutlich, dass ihr finanzielles Risiko durch die mögliche Weiterbehandlung auf Kassenkosten relativ gering ist. So können Sie die Inanspruchnahme der Leistung erheblich ankurbeln. 
http://www.iww.de/aaa/archiv/privatliquidation-schilddruesen-screening-nutzen-sie-die-akzeptanz-in-der-bevoelkerung-fuer-diese-vorsorgeleistung-f39090
Im Klartext: Der Patient zahlt für die scheinbare Sicherheit, dass ohnehin alles in Ordnung ist, wenn also die Untersuchungen unnötig waren, diese aus eigener tasche. Stellt sich heraus, dass man doch irgendetwas abnormes findet, übernehmen die Krankenkassen die Kosten. 

Die Empfehlungen, die in Abrechnung aktuell - Ausgabe 11/2002, Seite 9 erschien, muss man sich auf der Retina zergehen lassen;

In diesem Minimalfall errechnet sich zum Beispiel mit dem Ansatz des 1,43fachen Faktors zur Nr. 417 ein Endpreis von 45 Euro. Der Preis läge damit deutlich unterhalb der psychologischen Schwelle von 50 Euro. Dies steigert die Akzeptanz der Selbstzahlerleistung erheblich, ist aber selbstverständlich nicht bindend. Selbst ein Preis von 55 Euro (Schwellenwert) wird gut akzeptiert. Letztlich müssen Sie selbst abwägen, wo in Ihrer Praxis der betriebswirtschaftlich optimale Punkt zwischen Preis und Nachfrage liegt.

Sie können auch den Preis für den Standardfall einschließlich der abschließenden Beratung (GOÄ-Nr. 1) darstellen und dem Patienten erklären, dass sich der Preis bei einem sich ergebenden krankhaften Befund entsprechend mindert. Beachten Sie: Es ist besser, den gesetzten Preis nicht nachträglich zu verteuern. Das würde die Vertrauenswürdigkeit Ihres Angebotes untergraben.

Als Alternative bleibt noch, die mögliche Preisspanne (mit oder ohne Blutentnahme und Anschlussberatung) darzustellen. Da erbrachte Leistungen auch berechnet werden müssen, ist dies rechtlich sogar der korrekte Weg, aber häufig schwerer vermittelbar. Leichter wird dies, wenn Sie mit Ihrem Laborarzt und einer Abrechnungsstelle zusammen eine Gesamtdarstellung Ihres Angebotes erarbeiten.

Nun scheint in Deutschland das System zurückzuschlagen:

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat das Portal „igel-aerger.de“ gestartet, auf dem Patienten ihren Ärger über die Art, wie ihnen individuellen Gesundheitsleistungen angeboten wurden, loswerden können.

Anlass zur Gründung des Portal sei eine Online-Umfrage von 15 Verbraucherzentralen unter 1.734 Teilnehmern aus dem Jahr 2012 gewesen, so die Projektleiterin Christiane Lange von der Verbraucherzentale NRW auf Anfrage (http://praxis.medscapemedizin.de/artikel/4900050).

Um welche Summen es hier geht wird klar, wenn man liest, dass die Seite deer Verbraucherzentrale 689.900 Euro für 2,5 jahre wert war und die Aktion auch vom deutschen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz unterstützt wird.

Auch wenn es den Jüngern des Marktes nicht passen wird, es spricht meines Erachtens sehr viel dafür, das solidarisch finanzierte (öffentliche) Gesundheitswesen nicht dadurch querfinanzieren zu lassen, dass es den Teilnehmern stillschweigend freigestellt wird, daneben noch einen Bauchladen von Sonderangeboten anzubieten.
Wenn diese Angebote medizinisch sinnvoll sind, dann haben sie
entweder durch die Pflichtversicherung abgedeckt zu werden (unwahrscheinlich bei einigen sehr teuren Therapien),
oder man macht den Versicherten transparent,
dass wir alle uns das nicht leisten können und zugeben,
dass hier die Zwei-Klassen-Medizin beginnt.

Die aktuelle Mischform des "Darf’s a bisserl mehr sein" bzw.
"meinen MR zahle ich mir halt selbst, um das solidarische Gesundheitssystem damit zu zwingen mir eine Knieprothese zu zahlen"
führt zu den oben dargestellten Absurditäten. 
Nur eine ärztliche Anordnung, die zu keinen ökonomischen Konsequenzen für den Arzt selbst führt, kann eine objektive sein.
 



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