DAREDEVIL auf Netflix

Erstellt am 3. April 2015 von Denis Sasse @filmtogo

In den ersten fünf Episoden der neuen Netflix/ Marvel-Serie Daredevil bekommen wir noch nicht den uns bekannten Helden im Rot-Teuflischen-Outfit zu Gesicht. Matt Murdock, Anwalt am Tage, Vigilant bei Nacht - gespielt von Charlie Cox - läuft in einem schwarzen, improvisiert-selbst geschneiderten Outfit herum. Trotzdem kommt dieses Daredevil-Feeling auf, sogar weitaus eher als in der gleichnamigen Filmversion mit Ben Affleck in der Hauptrolle - die wir dank Netflix nun vergessen dürfen.

Die Origin-Story oder viel mehr die Einflüsse, die Murdock dazu gebracht haben zum Held der Straße im New Yorker Hell's Kitchen zu werden, bekommen wir in Flashbacks zu sehen, während die Serie selbst direkt in die Action einsteigt. „I can't see" wird uns als notwendige Information mit auf den Weg gegeben ( Daredevil/ Matt Murdock ist blind), dann aber finden wir uns bereits nach den ersten fünf Minuten der Pilotfolge mitten im stylisch choreographierten Kampfgeschehen wieder.

Dabei darf man Daredevil nicht mit den großen Brüdern verwechseln. Bei den Avengers aus dem Marvel Cinematic Universe geht alles überbordend einher. Blockbuster pur. Dort wird ein Hammer der Götter geschwungen, ein Supersoldat wirbelt mit seinem Schild umher, mechanische Rüstungen fliegen im Superspeed durch die Lüfte... Daredevil ist dark & gritty, holt das Marvel-Universum auf den Boden der Tatsachen zurück. Die geschmeidigen Choreographien treffen auf harte, Wut erfüllte Faustschläge, die man tatsächlich zu spüren scheint. Und diese werden in eine Atmosphäre von Blut, Schatten und Regen getaucht, als würde man sich in einer Noir-Welt bewegen.

Diese Noir-Welt zeigt sich schon im Vorspann, in dem die Welt Daredevils in sein Rot getaucht wird. Justizia als Sinnbild für sein blindes Heldentum, die Hochhäuser, Brücken, selbst eine Kathedrale ist nicht sicher vor der Färbung durch den Vigilanten. „The thing about red: You can't tell how much you're bleeding" erzählt ihm sein Vater in einer Rückblende und teased uns damit darauf hin, dass wird Daredevil auf jeden Fall noch in seinem uns bekannten Dress zu sehen bekommen werden. Andere Momente sind spärlich gesät, der geneigte Fan wird jedoch hellhörig werden: „You really need some kind of body armor...or something" wird Matt Murdock erzählt, nachdem er schon fast verblutend vom letzten Kampf zurückkehrt. Ein zum Krüppel geschlagener Gauner weiß auf die Frage „Who did this" nur „The devil" zu sagen.

Im Verlauf der nächsten Monate bis ins Jahr 2016 hinein folgen ihm die Netflix/ Marvel-Helden Jessica Jones, Luke Cage und Iron Fist in die Hell's Kitchen. Vermutlich wird Daredevil ihre Hilfe nötig haben. Denn dieser Held braucht eine Verschnaufpause. Das sind diese kleinen Details, die die Serie hervorstehen lassen. Wo anderorts die Helden prügeln und kloppen und keinen Deut von Erschöpfung vorweisen, nimmt sich Matt Murdock selbst während seiner Kämpfe kurze Pausen, lehnt an der Wand oder bleibt auf den Knien sitzen, weil er erst einmal durchatmen muss, nachdem er mit einer Abfolge von Schlägen und Tritten seine Gegner zu Boden befördert hat. Das trägt enorm zur Vermenschlichung Daredevils bei. Wir sehen diesen Mann mehr blutig am Boden liegen als in heldenhafter Pose über den Dächern der Stadt stehen.

Ebenso auf der anderen Seite. Wilson Fisk, der Großkriminelle der später als Kingpin bekannt sein wird, wird von Vincent D'Onofrio gespielt, der in den ersten Folgen nur namentlich genannt wird, später mehr mit der Problematik des Kennenlernen einer Frau zu tun hat. Die Dates gestalten sich als äußerst schwierig, da Fisk in diverse Machenschaften verwickelt ist, die für unnötige Peinlichkeiten sorgen. Aber diese Einführung bringt uns den Menschen näher, seine Beweggründe und Vorlieben (ein Kunstliebhaber). Am Ende haben wir einen rabiaten Daredevil, der die Stadt auf seine Art und Weise säubert, als auch einen Wilson Fisk, der dasselbe Vorhaben mit anderen Mitteln bestreitet. Gut und Böse kann man hier nur daran ausmachen, dass wir wissen wie wir Daredevil und Kingpin zu nehmen haben.

Damit hat das Marvel Television Universe begonnen: „We can't have a masked man running around like this. Maybe if he had a Iron Glove or a Magic Hammer it would be an explanation why you got your ass kicked, but this guy..." ist ebenso hartnäckig wie seine großen Brüder in der Avengers-Initiative. Freuen wir uns auf die Defenders in der Hell's Kitchen. Daredevil ist ein gelungener Anfang.