11. Juni. Endlich ist der Tag gekommen! Mein erster Dienst beginnt um 10 Uhr. Ich fahre um 8 Uhr von Wien weg, das Navi sagt, dass ich in 54 Minuten dort bin. Bin ich auch. Nur, der Parkplatz ist 1 km vom Eingang entfernt, der Shuttlebus vom Parkplatz zum Eingang fährt etwa alle 10 Minuten. Der Parkplatz ist eine riesengroße Wiese, ich parke ganz hinten, ziehe meine Golfschuhe an (wurde so gewünscht von der Organisation) und latsche zum Bus. Am Eingang such ich erst mal das Volunteerszelt, denn dort gibt’s bis 9:30 Uhr Frühstück, welches ich um 9:25 Uhr schnell runterschlinge. Vor dem Zelt stehen riesige LKWs mit dem Logo der European Tour und einem ziemlich hohen hydraulischen kranähnlichen Ding, auf dem ganz oben eine Plattform mit Antennen angebracht ist. Davor eine riesige Sat-Schüssel. Ich bin beeindruckt von der Maschinerie, die bei diesem Event so dranhängt und von der man im Fernsehen nichts mitbekommt. Seitlich hinter dem Eingang befindet sich auch die Player’s Lounge, wo die Spieler ihre Mahlzeiten einnehmen, gleich nebenan stehen zwei große Schiffscontainer, in denen sich einige Tourbags befinden. Gegenüber stehen gut 20 schnittige BMW Limousinen mit dem Aufdruck „BMW Players‘ Shuttle Lyoness Open 2015“. Wow! Unglaublich, was da hinter den Kulissen so abgeht! Ich bin überwältigt.
Nach meinem „Blitzfrühstück“ mache ich mich auf die Suche nach „meinem“ Loch 8. Gar nicht so leicht zu finden, wenn man den Platz nicht kennt. Ich frage mich durch. Endlich finde ich das Grün der Bahn 8, gehe den Weg daneben entlang. Kurz vorm Abschlag versperrt mir der diensthabende Volunteer beim Crossing den Weg. Ich muss warten, bis die Spieler abgeschlagen haben. Endlich erreiche ich 5 Minuten vor meinem Dienstbeginn den Abschlag. Ich lasse mich kurz von meinem Vorgänger einschulen und übernehme stolz die Schilder. Bei den ersten Malen komm ich mir etwas komisch vor, die „quiet please“ und „no cameras“ Schilder hochzuhalten, obwohl gar keine Zuschauer da sind, aber ich erinnere mich daran, dass man auch von weitem schon gut vorgewarnt ist, besser stehen zu bleiben, wenn man die hochgehaltenen Schilder sieht und außerdem muss ich dem Ballspotter anzeigen, in welche Richtung der Abschlag ging, indem ich die Schilder nach links oder rechts schwenke, falls er den Ball nicht gesehen hat. Meist deuten aber eh schon die Spieler selbst oder ihre Caddies.
Von meinem Platz am Abschlag auf Bahn 8 habe ich einen guten Rundblick auf den großen See in der Mitte und die angrenzenden Grüns und Fairways/Abschläge mehrerer anderer Bahnen. Die Sonne brennt runter und ich bin so richtig zufrieden und glücklich, hier diese Schilder hochhalten zu dürfen anstatt im Büro meine doofen Gutachten zu schreiben.
Mein erster Dienst dauert 1 Stunde, dann werde ich abgelöst und habe 1 weitere Stunde Pause. In dieser Zeit wollte ich ein bisschen herumgehen zu den anderen Grüns, aber weiter als bis zum Grün von Loch 7 komme ich nicht. Am Weg dorthin kommt mir plötzlich ein ehemaliger Pro von meinem Heimatclub entgegen, der für Thomas Levet den Caddie macht. Wie cool ist das denn?! Gegen 12:15 Uhr kommt dann der publikumsstarke Flight mit Bernd Wiesberger bei „meinem“ Abschlag an. Jetzt macht das Schilder hochhalten auch richtig Sinn. Mit Wiesberger ist auch Gary Stal im Flight, der ja einen sehr rückenunfreundlichen Schwung hat. Auf den war ich schon gespannt, diesen Schwung mal aus der Nähe zu sehen. Aber entweder ging mir das zu schnell, oder er hat seinen Schwung umgestellt. Ich bin fast enttäuscht, keine derartige Attraktion geboten zu bekommen ;)Nach meiner 2. Stunde am Abschlag habe ich 2 Stunden Pause. Ich mache mich auf zum Volunteerszelt vorm Eingang, wo ein reichhaltiges Mittagessen auf mich wartet. Es gibt Fleisch in Sauce, Kartoffelknödel und Rotkraut, etwas das nach Lasagne schmeckt, Suppe, die ich bei der Hitze aber verweigere, und Salatbar. Ich stopfe mich schnell voll, denn ich will meine Pause nützen und auf der Driving Range vorbei schauen. Leider ist keiner der Profis dort zu sehen, aber am Chipping Grün kann ich ein paar von ihnen beobachten. So ein Blick „hinter die Kulissen“ hat schon was.
Am Weg zurück zum Loch treffe ich einen Kollegen und wir probieren bei einem der vielen Aussteller am Gelände Segway fahren aus, wo es eine Art Wettbewerb gibt. Man muss auf Zeit Schlangenlinien zwischen Markierungshütchen fahren, am anderen Ende sind 5 Bälle bereit und ein Wedge, mit dem man die Bälle in Taschen, die an einer aufblasbaren Wand hängen, einchippen muss, und dann wieder die Schlangenlinien mit dem Segway zurück. Das macht Spaß! Ich chippe 2 Bälle ein, komme aber damit nicht auf die Bestenliste.
Nach meiner Pause habe ich erstmals Dienst am Fairway. Hier bin ich sozusagen der zweite Ballspotter. Der Ballspotter steht auf der vom Abschlag aus gesehenen rechten Seite des Fairways ca. 300m vom Abschlag entfernt (unser Loch ist ein Par 4 mit 428 m, das zwischen Abschlag und Fairway eine kleine S-Kurve macht) und sieht direkt zu den Spielern am Abschlag hin. Ich stehe an der linken Seite des Fairways und hab einen Hügel im Blickfeld, sehe also die Abschläge nicht. Der Spotter zeigt an, ob der Ball nach links, rechts oder Mitte Fairway geht. Wenn er zu mir rüber zeigt, muss ich das Gebiet rund um den Hügel mit Adleraugen absuchen, um zu sehen, wo der Ball landet, denn die Spieler sehen das auch nicht. Wenn der Ball viel zu weit links geht, landet er möglicherweise im seitlichen Wasser. Dann muss ich genau schauen, wo er die Wasserhindernisgrenze überwunden hat und es dem Spieler sagen, damit er korrekt droppen kann. Das Rough ist zwar nicht besonders hoch, aber sehr dicht und die Spieler sehen den Ball, wenn er im Rough zu liegen kommt, nicht, wenn sie vom Abschlag kommen. Ich muss mir also die Position von drei Bällen – im Falle, dass alle drei auf meiner Seite landen – genau merken und den Spielern die Lage des Balls zeigen. Diese Position gefällt mir fast noch besser als der Abschlag. Man sieht zwar nicht alle Spieler hautnah (nur wenn der Ball links landet), aber es ist abwechslungsreich und einige Male landet auch ein Ball im Wasser. Da sich zwischen Wasser (das eigentlich zur angrenzenden Bahn gehört) und meiner Seite des Fairways ein Cartweg befindet, muss auch ab und zu der Referee in seinem Cart, auf dem groß „Rules“ steht, zu uns düsen, weil sich die Spieler oft nicht sicher sind, ob sie zusätzlich zum droppen innerhalb zweier Schlägerlängen auch noch Erleichterung in Anspruch nehmen dürfen, wenn der Ball auf dem Cartweg gedroppt wird. Als der Engländer Richard Finch seinen Abschlag ins Rough knapp neben den Cartweg setzt, nimmt er seinen Stand ein und ruft seinen Flightpartnern zu: „My heal’s gonna be on the path, I take a free drop!“ und tut wie angekündigt. Ganz ohne den Herrn „Rules“.
Viele der Spieler bedanken sich sehr freundlich, wenn ich ihnen ihren Ball im Rough zeige, der Spanier Pedro Oriol sagt sogar auf Deutsch deutlich „Danke“ und grinst. Ein Spieler, dessen Namen ich in der Aufregung vergessen habe, witzelt, als ich ihm seinen Ball im Rough zeige „oh, you took it out oft the water? Thank you!“ und lacht, weil er schon befürchtet hatte, sein Ball war zu weit links und im Wasserhindernis. Aber er hatte Glück, am Weg Richtung Wasser hatte der Ball sich zu seinen Gunsten versprungen. Er ruft auch seinem Caddie zu „We were lucky, this nice young Lady took it out of the water“. Ich muss innerlich grinsen – young Lady… ich bin vermutlich älter als er.
Beim Schweden Kristoffer Broberg erlebe ich zum ersten Mal, wie penibelst die Regeln angewendet werden. Sein Ball landet im seitlichen Wasserhindernis. Er misst mit dem Driver erst eine Schlägerlänge, markiert das Ende mit einem Tee, dann die zweite Schlägerlänge und markiert wieder das Ende. Dann lässt er den Ball korrekt fallen, welcher am Cartweg landet. Und zwar näher zur Fahne. Er droppt nochmal, der Ball hüpft wieder auf dem Cartweg näher zur Fahne, woraufhin er den Ball jetzt dort hinlegt, wo er beim zweiten Drop zum ersten Mal den Boden berührte. Von dort darf er Erleichterung in Anspruch nehmen, nimmt seinen Stand an der Stelle neben dem Cartweg ein, wo er nicht mehr behindert wird, steckt ein Tee ins Gras, wo der Schlägerkopf aufliegt, misst von dort wieder eine Schlägerlänge (diesmal natürlich mit dem Wedge, mit dem er den nächsten Schlag macht) und droppt den Ball. In einer Privatrunde, möglicherweise auch im Amateurturnier, hätten wohl die meisten den Drop aufgrund der Wasserregel ausgelassen und gleich neben dem Weg gedroppt. Ich bin erstaunt und beeindruckt, wie korrekt das hier abläuft. Diese Prozedur darf ich im Verlauf der vier Tage noch öfter beobachten.
Jürgen Maurer, einer der österreichischen Profis neben Bernd Wiesberger, dessen Heimatplatz der Diamond Country Club ist, auf dem die Lyoness Open ausgetragen werden, erhofft sich ebenfalls einen free-drop, als sein Ball im Rough liegt und er bei der Einnahme seines Standes auf der kleinen Böschung stehen muss, die vom Cartweg abfällt. Er fragt den Referee, ob die Böschung zum Cartweg gehört, aber der Referee meint „no free drop, the slope was not built for the path“. Wäre die Böschung Bestandteil des Cartweges gewesen, hätte er straflos Erleichterung von diesem Stand nehmen dürfen.
An diesem Tag hab ich nach 2 Stunden Dienst am Fairway eigentlich Feierabend, aber 2 Leute aus unserem Team sind ausgefallen, also kommt keine Ablöse für mich. Der Ballspotter meint zwar, ich könne trotzdem gehen, aber ich bleibe, denn erstens ist es interessant hier und zweitens habe ich die Befürchtung, dass er von der anderen Seite des Fairways die an diesem Tag doch vielen nach links gehenden Bälle nicht sehen würde. Die letzten Flights haben etwas Verzögerung, darum dehnt sich mein Dienst am Fairway auf insgesamt 4 Stunden aus. Meine Füße sind langsam platt und ich freue mich dann doch, als der letzte Flight bei unserem Loch durch ist.
Müde von der Hitze, dem langen Stehen und den vielen Eindrücken begebe ich mich zu meinem Auto und bin nach einer guten Autostunde endlich zu Hause in Wien. Dusche und Bett, Füße hochlagern, hab ich mir redlich verdient.
Danke Dany für den 2. Teil – Dany als Volunteer beim European Tour Event (hier geht es zum Teil 1). Es geht schon bald weiter ….
Euer Stephan