Ich habe schon oft in meinem Leben nicht so wirklich gewusst, ob ich mich “zurecht” belästigt gefühlt habe oder nicht.
Jedes das eine Mal.
Und nun wieder. Sagt Ihr’s mir doch.
Am Freitag bin ich mal wieder Critical Mass gefahren. Ich trug eine rote, blinkende LED-Schleife. So bin ich auch in der jetzt immer früher einsetzenden Dunkelheit gut zu sehen, insbesondere für die Freunde, mit denen ich fahre.
Ausserdem, ja, sieht sie süß aus. Ich seh gern süß aus. Ich male gerne Menschen ein Lächeln ins Gesicht mit rosa Haaren und einem lächeln und verdammten Schleifen auf dem Kopf.
Das macht mir nämlich auch gute Laune.
So fuhren wir also, die Jungs und ich mit meiner blinkenden Schleife, und ein paar Mal gab es positives Feedback von anderen Mitfahrenden. “Coole Schleife!” rief mir jemand lachend im vorbeifahren zu. Voll nett. Ein kleiner Junge, im Kasten eines Lastenrades, war völlig fasziniert und aufgeregt. Süß. Herzerwärmend.
Da war aber auch der andere. Erst fuhr er nah an mir vorbei und rief “oh guck mal, ein Häschen!” – und als ich ihn irritiert ansah und brüllte “das ist nur ne Schleife, keine Ohren!” rief er dann “Oh, ein Geschenk also!”
Ich grummelte nur “ja, an die Menschheit.” und fuhr weiter, er setzte seine Fahrt weiter in der Masse fort.
Viele Kilometer später näherte er sich plötzlich wieder überholend von hinten und rief “oh, mein Geschenk!” und ich rief verärgert “Nein!” – daraufhin zeigte er auf seinen Fahrradkorb und rief “Willst Du Kuchen?!”
Ich fand mich ziemlich schlagfertig, als ich mit den Worten “Nee, meine Mama hat mir gesagt ich soll nichts von Fremden annehmen” ablehnte.
“Naja, ich bin *Namehabichschonverdrängt* – jetzt bin ich ja kein Fremder mehr.” rief er.
Den Rest habe ich, zusammen mit seinem Namen, verdrängt.
Creppy hoch 10 in meinem Bauchgefühl.
Ich lebe in einer Welt, in der ich in Bezug auf diese Situation verschiedene Dinge tat, die ich nicht tun sollte.
- Ich vergewisserte mich, dass mir ja nichts passieren konnte, da mein Freund ja direkt neben mir fuhr.
- Ich überlegte mir, wie ich ihn das nächste Mal effektiver abschmettern könnte, falls er es noch einmal versucht.
- Ich erzähle jedem, auch mir selbst, dass die CM wieder so viel Spaß gemacht hat. Aber das was mir wirklich hängengeblieben ist, ist dieses wirklich unangenehme Erlebnis.
- Ich bezeichne mich selbst als übersensibel und freue mich über meine Verdrängungsfähigkeit.
- Ich fordere mich selbst in meinem Kopf auf, mich nicht so anzustellen, immerhin hat er nicht noch ein drittes Mal versucht, mich anzugraben.
- Ich sage mir, immerhin hat er mich nicht angegrabscht, das hätte ja alles noch schlimmer sein können.
- Ich denke bis heute, also 4 Tage später, noch darüber nach, ob ich mich zu Recht bedrängt gefühlt habe.