Damals und heute

Ich war aufgeregt, wie bei einem ersten Date. Dabei war es unser hundertstes.
Mir war ausgesprochen kalt, als ich schon 10 Minuten zu früh am vereinbarten Treffpunkt auf sie wartete. Was würde sie sagen, was würde ich sagen? Bei all meiner Redegewandtheit viel mir hier partout nichts ein. Wie gesagt – es war wie bei einem ersten Date.
Irgendwann kam sie dann an. Der Schnee glitzerte in der klirrend kalten Luft; der Wind hatte ihr die Haare ins Gesicht gewuschelt. Doch sie sah toll aus. Ich sah sie seit vier Monaten, seit sie meine Wohnung morgens verlassen hatee und kurz darauf wegzog, das erste Mal wieder.
Dem Drang, sie lang und fest zu umarmen unterdrückte ich nur mit Mühe. Ein kurzes Hallo. Dann gingen wir Seite an Seite los. Wir redeten über dies und das. Über Belangloses, wie Wichtiges.
Ich war ihr seit 4 Monaten wieder nahe. Mein Herz raste. Mein mund war trocken.
Wir waren Kaffee trinken. Waren etwas essen. Unsere Burger. Wir redeten über Bücher, Filme, Schule, Ausbildung, Studium, unsere Familien. Wir gingen durchs Einkaufszentrum. Schauten gemeinsam in verschiedene Bücher, teilten ein gemeinsames Trinken. Wie früher.
Wir unterhielten uns über die wunderbare Weihnachtsdeko im Center, die aus tausenden Lichtern besteht, schwelgten in alten Erinnerungen. Und neuen. Wir lachten zusammen. Versanden uns so gut wie früher und irgendwie war ein Team wieder vollständig. Wie früher.
Und mehrfach widerstand ich der Ambition, meinen Arm um sie zu legen und sie an mich zu ziehen. Sie zu umarmen, zu küssen, zu riechen, zu schmecken, sie bei mir zu wissen. Wie früher…

Unsere Wege trennten sich an derselben Stelle, an der wir uns zuvor trafen.
Grüße an die Familien wurden ausgerichtet. Eine kurze Umarmung zum Abschied. Seit vier Monaten die erste Berührung, die größte Nähe, die ich zu ihr hatte. Eine Umarmung, die eventuell eine zehntel Sekunde länger anhielt, als bei normalen Freunden.
Und damals? Da war es ein Kuss. Ein Kuss, wie man ihn nie für selbstverständlich hinnehmen sollte. Nie.
Und es doch viel zu oft tut.
Sie ging davon. Drehte sich nicht um. Bekam so nicht mit, wie ich ihr hinterher schaute. Tränen in den Augen, Reue im Herzen, Sehnsucht in der Seele.
Ich wollte ihr hinterherlaufen. Sie fest an mich drücken. Sie nie mehr loslassen. So, wie ich es ihr vor über sechseinhalb Jahren schon versprochen hatte.
Ich schaute ihr nach, bis ich sie nicht mehr sah. Dann ging ich mit hängenden Schultern nach Hause.

Schon vor Jahren – damals, als noch alles irgendwie gut war – hatte ich ihr gesagt und versprochen, dass alles, was meines, auch das ihre ist.
Was sie vielleicht nie wusste war, dass damit nicht nur Geld oder Eigentum gemeint war. Sondern auch mein Herz.
Und so ist es heute noch. Auch nachdem ich sie damals so enttäuscht habe und wir uns heute unsere Wohnungsschlüssel zurückgaben.
Was meins ist, ist auch ihres.
Damals. Wie heute.



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