... war das Leben auch ganz schön. Und viele der Kapellen, die sich um unser Seelenheil kümmerten - es gab sogar einige, die haben sich tatsächlich darum verdient gemacht - hatten beeindruckende, ja wohlklingende Namen. Im folgenden Gesprächsprotokoll sind derer 60 versteckt - wer zuerst mindestens 55 davon ausfindig macht und an obige Mailadresse schickt, gewinnt garantiert keine Autogrammkarte von Monika Herz, sondern einen lumpigen CD-Gutschein im Wert von 15 Westma...äh, Euro. Na denn:
Lucie (43): „Ja klar, war’n das tolle Zeiten. Ich meine – wir waren schon ein toller Kreis, also Clique, damals. Kommen tu‘ ich ja nicht aus Magdeburg, bin ja in Pankow großgeworden, richtige City eben, Berliner Schnauze, Alter! Da stehste datzu, sag‘ ich mal, auch wenn du im Rest vonner Republik im Prinzip wie’n Aussätziger, wie’n Engerling behandelt worden bist. War egal. Berlin hatte Flair, damals jedenfalls. Meine Freundin, die Jessica – ‘ne Marke sag ich dir. Dick wie ein Elefant, obwohl die echt den ganzen Tag nur Chicoree gegessen hat. Die wohnte gleich nebenan, in der No 55. Hatte immer so komische Hosen aus der JuMo an, gestreift, wie ‘n Zebra. Hey, ich sag dir, ein Biest war das, die konnte spucken wie ein Lama. War die erste, die ’ne Westkarre hatte – Scirocco, Baujahr 84. „Klasse Automobil!“, hat sogar mein Opa gesagt. Und der war ja nun, mit seinem Monokel auf der Nase, schon deutlich über’m Zenit, wenn du weißt, was ich meine. Da wenn wir immer rumgepest sind mit, eine Gala, sag ich dir! Meine Mutter, die fand das ja schrecklich – nur am meckern, ging mir tierisch auf den Keks. „Wenn du so weitermachst, Mädel“, meinte sie, „dann kriegt euch mal die Firma dran!“ Weißt schon, die mit dem Bonbon am Kragen, von Horch und Guck. Waren doch eh‘ alle nur neidisch, die auf ihren Simson-Mopeds mit den vier PS, dabei hatten die den Gong bloß noch nicht gehört. Jessi war egal, was die anderen gesagt haben, hat immer so herrlich englisch quatschen können, so „Don’t be silly!“, „Sit down, Alter!“ oder „Mach mal soft, Kollege!“ – die Art, wie sie’s rübergebracht hat, geil! Einmal wollten wir nach’m Kino aus Berlin raus, direkt vom Metropol auf die Transit, Wessis anmachen, nur so als Test. Sind aber nur bis zur Stadtgrenze gekommen, da standen schon drei Zöllner, haben voll einen auf wichtig gemacht, so mit Zeigefinger und: „Meine Damen, lassen sie künftig solcherlei Possenspiel!“ Haben wir dann Schiss bekommen, kerth gemacht und sind express zurück nach Pankow, logo. Weißt ja nicht, was die in ihren Report reinschreiben. 89 ist’s dann so politisch geworden, Neues Forum, Gorbi und Reform, auch Kirche natürlich, christliche Plattform, endloser Dialog und so’ne Sachen. Opa war ja schon immer ein Skeptiker, der hat dann zu gemacht, nur noch auf dem Scheselong vor der Glotze gesessen und Opern angeschaut, Electra und solches Zeug. Den hat das nicht so interessiert, von wegen „Fusion zweier gleichwertiger deutscher Staaten“, war nicht so seine Passion, wenn ich das so sagen darf. Mir ist ja auch ganz schwindlig geworden bei dem Tempo – wie wenn du zu lange auf’m Karussell sitzt oder der Lift zu schnell hochrauscht – beängstigend. Hab‘ mir gesagt: ‚Lucie, jetzt gibt‘s zwei Wege, entweder verkaufste dich und machst einen auf Dekadance, so mit Brilli-Ring und viel Karat an den Pfoten. Oder du schnappst dir Opas Caravan und lernst die Welt kennen!‘ Das mit dem Wohnwagen hat dann nicht so geklappt, bin jetzt Stewardess bei der Condor, weißt schon, rechte Hand vom Pilot und links vorbei am Regenbogen, da sehe ich auch noch genug. Jessi, echt kein Wunder, ist im Osten noch in den Bau gewandert, später aber auf Freygang raus und rübergemacht – keine Ahnung, wo die jetzt steckt. Oben in meinem Flieger, da gibt’s schon mal ab und zu ’nen Toast auf sie – Rotkäppchen, versteht sich!“Foto(s): et.spon, hier