Dach. Frau. Frieden. Eine kleine hausfrauliche Zeitreise.

Von Nadine M Helmer
saimen/photocase.de

Wie es so ist, ich pingponge abends auf dem Sofa von Blog zu Blog und finde immer was zum denken. Diesmal habe ich bei Essential Unfairness Fragen zu Hausfrauen in der eigenen Familie gefunden, angeregt durch Rosalie von Parents don't:

 

   Und wie war es in der Vergangenheit – gab es da klassische Hausfrauen in meiner Familie? Und wie wurden die Kinder erzogen? Nur von der Mutter? Oder von beiden Eltern? Wie lebte man zusammen? Waren die Frauen glücklich in ihren Leben?

 

Die Frage ist für mich spannend. Zum einen, weil  letzten Herbst meine Oma gestorben ist, und ich über deren Leben ich viel nachgedacht habe. Zum anderen, weil ich ja nun auch hauptberuflich sozusagen HausfrauundMutti (und Bloggerin, klingt immer so wunderbar busy ;-)) bin - was ich aber auch erst mit meinem Selbstbild in Einklang bringen musste. Ihr wisst schon: die Akademikermutti, die sich um nichts sorgt außer um Bioäpfel, fotogenes Abendbrot, Shoppen und Latte macchiato.

 

 

Helene 

(Meine Familie hat mich gebeten, ein Pseudonym  zu verwenden.)

Helene Anfang der dreißiger Jahre in eine klassisch konservative Familie geboren. Zwei Schwestern, ein Bruder, ein kriegsversehrter Vater, der als Pförtner arbeitete. Nicht viel Geld, aber Kopf immer oben. Die Mädchen wuchsen in der Anforderung auf, sich immer einfügen zu müssen, sich unterzuordnen und die Dinge zu nehmen wie sie sind. Materielles Denken gab es nicht, aber einen ausgeprägten Sinn für eine traditionelle gesellschaftliche Ordnung. Und ja, natürlich hat das auch was mit der Zeit zu tun, der Zeit, in der Nationalsozialisten das Familienbild in extremo definierten. Der Mann denkt und lenkt, die Frau ist für Haus und Kinder zuständig. Niemand in dieser Familie wäre je auf die Idee gekommen, dass es auch irgendwie anders sein könnte.

Ja, Helene hatte Wünsche und Träume, gerade wenn es um die Frage ging, welche Ausbildung sie machen wollte. Nachdem ihre Schwester zuhause ein Kind auf die Welt gebracht hatte, wollte sie gern Hebamme werden. Ich bin mir sicher, dass sie eine großartige Hebamme geworden wäre. Aber für diese Ausbildung hätte sie in die 100 km entfernte Stadt gehen müssen. Völlig undenkbar! Ein "junges Mädchen" allein in der großen Stadt. Man besorgte ihr eine Lehrstelle als Näherin und sie trat sie eben an.

 

Helene nähte nicht gern.

 

Mehr als "komm mir bloß nicht mit einem Kind heim" wusste sie nicht über Sexualität. Und wurde schwanger mit 18. Ihr Vater sprach bis zur Geburt nicht mit ihr. Sie heiratete den Vater ihres Kindes, bekam zwei Jahre später ein weiteres. Ihr Platz zuhause, als Mutter, war klar vorgegeben. Sie machte die Betten so, dass man eine Wasserwaage danach hätte ausrichten können. Sie hatte den perfekten mütterlichen Körperbau. Der Vormittag war ausgefüllt mit der Vorbereitung des Mittagessens. Geputzt, geflickt, gewaschen (in frühen Jahren unten an der Flussaue), die Kinder in Schuss und der Haushalt glänzend. Immer, bis sie 83 Jahre alt war.

 

Ob sie ein glückliches Leben hatte? Ich glaube, Zweifel und die Gedanken an Rebellion, Änderung, Widerstand gegen ein vorgegebenes Leben waren nicht etwas, das man zu dieser Zeit als Frau je offen aussprach. Man hörte es manchmal als Unterton, wenn sie uns Enkelinnen nachdrücklich riet, einen Beruf zu lernen, eigenes Geld zu verdienen, und ja, vielleicht auf Kinder zu verzichten. Ihre Abhängigkeit hat sie sehr wohl gesehen, aber es war eher eine Frage des So-Hinnehmens, eine Frage der Weltordnung für sie und ihre Generation. Hausfrau sein: selbstverständlich, nicht hinterfragbar. So, wie sie erzogen worden ist, war sie vielleicht auch auf ihre Art glücklich und stolz auf ihre Kinder, das etwas aus ihnen geworden ist. Glück gab es, wenn alle zusammen waren. Glück: Familie.

 

 

Die sechziger Jahre

Als meine Eltern 1968 heirateten, gab es von offizieller Seite ein Buch geschenkt, das Hausbuch für die deutsche Familie, herausgegeben vom Bundesverband der deutschen Standesbeamten. Ein, ääh, inspirierendes Werk. Hier ein Auszug aus dem Kapitell "Heim und Haushalt", verfasst von Irmgard Schütz-Glück (der Name scheint Programm zu sein):

 

Fühlt ihr auch die angeborene Freude, wenn ihr das Klo putzt und vier Minuten nach dem Schrubben wieder am Küchenfußboden festklebt?

Weiter schreibt ein renommierter Rechtsanwalt:

 

"[D]ie Frau (erfüllt) ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts."

"(Die Frau) ist berechtigt, erwerbstätig zu sein. (...) Dieses Recht steht ihr aber nur zu, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist. Sie darf eine Erwerbstätigkeit nicht betreiben, wenn sie sich dadurch die richtige Führung des Haushalts unmöglich machen würde und ihre sonstigen Pflichten gegenüber Mann und Kindern vernachlässigen müsste. Kommt es dahin, so steht dem Mann nur die Klage gegen die Frau auf Herstellung der ehelichen Gemeinschaft (...) zu."

 

Ich will zeigen, dass ungefähr zu der Zeit, als wir geboren wurden, jedenfalls aber als unsere Eltern jung und vielleicht schon auf Kurs auf die Eheschließung genommen hatten, genau das gesellschaftlicher Konsens und Stand der Dinge war. Von Männern einklagbarer, mit "schuldig geschieden"-Drohung versehener Status Quo. Der Ehemann war übrigens verpflichtet, im voraus das Wirtschaftsgeld rauszurücken. Und wenn es Streitigkeiten gab, war, man lese und schlucke, das Vormundschaftsgericht für die Belange der Frau zuständig. 

 

Ich fühle kurz eine tiefe Dankbarkeit gegenüber Alice Schwarzer.

 

Und nun?

 

Habt ihr oben im Zitat auch das Schlagwort unserer Zeit gesehen? "Vereinbar".

Heute geht alles, alle arbeiten mehr oder weniger flexibel, Vollzeit, Teilzeit, Elternzeit. Gar nicht. Nur die Frage, wie man alles unter einen Hut bekommt, vereinbar macht, ist auch ohne Vormundschaftsgericht für viele irgendwie unbefriedigend gelöst...

 

Das Image von "Hausfrau" ist immer von dieser alten Rollenzuweisung geprägt: die Untergeordnete, Abgängige, die, die keine Wahl hat. Keine Welt außerhalb des Heims, fixiert aufs Mittagessen, Staubwischen und sonst pflegeleicht. Ja, ich übertreibe.

Es gibt und gab ja auch noch die andere Liga: die der Arztgattin, die mit perlweißem Lächeln morgens zum Tennis und zum Golf geht, dann zur Pediküre, dann zum Eierlikörtrinken mit der Anwalts- und der Apothekersgattin. Ja, ich übertreibe.

Alle irgendwie Witzfiguren.

Wenn man heute sagt, man ist zuhause mit den Kindern, erntet man oft bestenfalls einen mitleidigen Blick. Ich will das nicht. Weil: es hat sich gewaltig was geändert. Wir sind frei. Keiner kann uns heute vorschreiben, was wir uns unserem Leben machen. Und wenn wir uns heute entscheiden, nicht zu arbeiten wegen der Kinder, hat das herzlich wenig mit Unterordnung zu tun, sondern hat meist pragmatische Gründe. So wie arbeiten gehen auch pragmatische Gründe wie Geldverdienen hat. Das Glück, nach dem eingangs gefragt worden ist, kann durchaus vor einem sitzen und aufs Hemd sabbern. Ketzerisch gesagt: ich glaube, dass sich das Glück eher zuhause als im Job findet. (Nein, das ist kein Plädoyer gegen das Berufstätigsein.) Wir müssen es aber ach als solches wieder zulassen können und aus der präfeministischen Unterdrückungsecke rausholen. Befreien wir die Hausfrauen und nehmen wir sie als Frauen wahr, die sich ebenfalls verwirklichen, einen Traum erfüllen und ihr Ding machen.

 

PS: Zur Überschrift: Ich habe irgendwo gelesen (liebe Chinesen und Sinologen, verzeiht mir), dass sich das Schriftzeichen für Dach, ergänzt um das für Frau, zu Frieden umdeutet.  Fand ich ganz schön, das Bild.