Schon vor einiger Zeit war es ganz ähnlich. Damals hat die EU-Kommission festgestellt, dass Deutschland stark korruptionsanfällig sei. Und auch damals hörte ich im Radio davon. Keinen Bericht zwar, aber wenigstens eine Notiz in den Nachrichten. Die war aber gegen die Mittagsstunde schon wieder verschwunden. Als ich mich dann nachmittags in meine Arbeitsecke verkroch, ein wenig schreiben wollte und diese Meldung suchte, um daraus vielleicht einen Text zu basteln, da fand ich erneut nichts. Nur per Suchfunktion bekam ich einige kurze Mitteilungen aufgelistet.
Das halte ich für mehr als seltsam. Wesentlich unwichtigere Meldungen zieren etwaige Webpräsenzen großer Zeitungen weitaus länger. Wenn irgendein EU-Gremium Wirtschaftszahlen hervorholt und Deutschland gut abschneidet, liest man davon noch einen Tag später. Man tackert die Meldung quasi oben fest, damit sie ja gleich zu finden ist und nicht übersehen werden kann. Nur die kritischen Worte Europas verschwinden im Orkus des digitalisierten Journalismus. Man braucht gar nicht zu zensieren und kein Redakteur muss sagen, dass man bestimmte Meldungen besser nicht bringt. Es reicht völlig aus, wenn man kurz darauf hinweist und sie dann ins Archiv verfrachtet. So hat man seinen Informationsanspruch gewahrt und möglichst wenig informiert.
Ich will keine Verschwörung wittern. Aber erstaunlich ist es doch schon, dass die Europäische Union, von der unsere Eliten so schwärmt, immer dann leise gedreht wird, wenn sie nicht Hurra! schreit, sondern den "deutschen Lifestyle" kritisiert. Und deswegen zweifle ich stark daran, dass die deutsche Öffentlichkeit ein richtiges Bild von Europa und der Welt vermittelt bekommt. Wer immer nur mit Vivat! und Hurra! benetzt wird, der lebt wie im Suff, wie in einer rauschhaft verzerrten Realität.
Diese Berichterstattung kommt mir vor wie die vielen Clowns, die man zur Karnevalszeit in der Bütt stehen sieht und die lustig Stimmung! rufen und aus ihrer Hosentasche einen Konfetti-Regen herausziehen, während im Hintergrund eine Kapelle Tata-Tata-Tata spielt. Und wie im Rausch sitzen wir drunten im Saal und glauben sogar, dass wir guter Stimmung sind. Nur warum, das wissen wir nicht so genau.
Aber nicht darüber nachdenken, das vermiest die Stimmung. Tata-Tata-Tata. Was kümmert uns der Europarat! Jedenfalls nicht, wenn er sich mit solchen Kinkerlitzchen befasst. Tata-Tata-Tata. Unsere Erwerbslosenquote ist niedrig. Das ist wichtig. Wie die so niedrig gehalten wird? Komm, wirf nochmal Konfetti, du da oben in der Bütt, nicht dass hier die Stimmung gleich im Keller ist. Und stimm es nochmal an, unser aller Lied. Da simmer ganz oben dabei! / Dat is prima! / Viva Germania!
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